28.10.11

Zusammenfassung und Schluss: die "Liste"

Nach 49 Tagen Reise durch Nepal und Indien (kursive Schreibung) hier nun „die Liste“, die eine Art Resumé sein soll – kurz, stichpunktartig, um die Fülle der Erlebnisse irgendwie zu bündeln:

Statistisches:
Bereiste Länder: 2 (Nepal und Indien)
Zeitumstellung: 3 ¾ Stunden (Nepal) bzw. 3 ½ Stunden (Indien)
Neue Stempel im Pass: 6 (plus 2 Visa)
Gelesene Bücher: 13 + 2 Reiseführer
Bereiste Kilometer: 250 km zu Fuß + 250 km mit dem Bus (Nepal) / 1.500 km von Delhi bis Kalkutta mit dem Zug, 2.500 km von Kalkutta nach Goa mit dem Flugzeug, 1.000 km von Goa über Hampi nach Kalkutta
Unterschiedliche Betten: 18 (Nepal), 8 (Indien), 4 Nächte im Zug
Gewicht des Rucksacks beim Hin- und Rückflug: 16 bzw. 15 kg
Höchster Punkt: Thorong-Pass (5.419 m)

Am Anfang:
In Kathmandu das Gefühl bei der Taxifahrt zum Hotel: endlich wieder Asien! Schlaglöcher, lebensmüde Taxifahrer, Straßenstände, Staub, Müll, Kühe – es ist herrlich!
Erster Eindruck in Delhi: die Rucksäcke werden auf das Taxidach verfrachtet und nicht festgebunden auf der Fahrt vom Flughafen in Delhi in die Innenstadt

Klimatisches
Heißester Tag: die ersten beiden Trekkingtage durch die Reisfelder / Delhi (Disneyland Tempel), 34 Grad in der Sonne
Kältester Tag: bei Schneegestöber oben am Thorong-Pass (unter 0 Grad) / Hampi morgens um 5 Uhr bei der Fahrt mit der Rikscha und in den Sundarbans abends auf dem Boot bei Regen, beides Mal etwa 25 Grad
--> September in Indien: zu heiß!

Unterkunft/Verpflegung
Beste Unterkunft: Beleza/Goa (und beim normalen Backpacker-Budget: Alka Hotel/Varanasi)
Schlimmste Unterkunft: Hotel Delite/Kalkutta
Bestes Essen: Café Mitra in Kathmandu und rein subjektiv sämtliches Essen während des Treks, da permanentes Hungergefühl / südindisch in Delhi und Café Basilico in Mumbai
Schlimmstes Essen: Maras Chicken Curry in Agra (daraufhin wurde sie zumindest temporär zum Vegetarismus bekehrt) und das Frühstück in Khajuraho mit dem Schimmeltoast
--> insgesamt waren Hotels und vor allem das Essen viel besser als erwartet
Seltsamstes Essen/Getränk: Paan, Bittermelonen, Kingfisher-Bier im 2l-Pitcher, Snickers Roll, Raksi (Reisschnaps)

Gepäck
Beliebtestes Accessoire:
Kopftuch (hilft gegen Sonne und Kälte gleichermaßen)
Geldkatze (der „Anschnallbauch“, gefüllt mit lecker riechendem Geld und immer (!) Klopapier
Lonely Planet (dazu die Frage von Nitschis Freundin im Vorfeld: „Willst Du den wirklich mitnehmen? Der ist doch so schwer?!“)
Schal zur Unterstützung der Mundatmung bei olfaktorisch besonders, naja, interessanten Orten sowie bei zu kalter Klimaanlage und bei Moschee-Besuchen; so ein Teil ist vielseitig einsetzbar

Gepäck, das sich als praktisch erwiesen hätte, wäre es denn im Rucksack gewesen:
Bessere Sonnencreme
das richtige Ladegerät
Bodylotion
Klingenschutz für den Rasierer

Überflüssige Gepäckstücke:
Regenschirm (zumindest meiner war nie in Benutzung und wurde am Ende des Treks auch an unseren Träger verschenkt)
Moskitonetz (in dreifacher Ausführung dabei, nie im Einsatz)
Stativ (zumindest, wenn die Mitreisende exakt das gleiche dabei hat)
Drei schlechte Bücher (= Mara hatte kein Glück mit dem Lesestoff)
Primaloft Jacke (so kalt war’s nun wirklich nie)

Unersetzliche und liebste Gepäckstücke:
Energy-Gummibärchen
Bücher!!!
Schlafsack (zumindest in Nepal unverzichtbar!)
Wäscheleine
Handhygienelotion (reinigt ohne Händewaschen!) und Hygienetücher in allen Geschmacksrichtungen
Instantkaffeepulver
Kindle
Kopfkissen
Nobite in zigfacher Ausführung
Schloss zum Anschließen der Rucksäcke

Verbrauchte Medikamente:
Vomex, Breitbandantiotikum, Nasenspray, Kopfschmerz- und Halswehtabletten

Vor Ort
Liebstes Tier: Lakshmi, der Tempelelefant in Hampi, und der Gecko in Goa, der ein wenig überambitioniert war, was die Größe seiner Mahlzeit anging, und die Streifenhörnchen
Anti-Tier: der Hund, der am Straßenrand in Agra das tote Schwein angefressen hat, sowie alle räudigen, sich kratzenden Hunde und natürlich die Mosquitos

Schlimmste Begegnungen:
- Christian aus Tirol im Hotel in Varanasi (nerviger Typ)
- Kellner im Café in Kalkutta, der immerzu unsere noch halbvollen Kaffeetassen abräumen wollte
- die nervtötenden Kartenspieler im überfüllten Zug aus Hampi
- der empfindliche Rikschafahrer in Varanasi, der mich fast aus seiner Rikscha geworfen hätte
- die beiden Moschee-„Türsteher“ in Delhi

Netteste Begegnungen:
- unser Trekking-Organisator Ngima und unser Träger Lhakpa
- unser Guide AJ und seine Bootskumpels in Sundarban
- Baba Blacksheep in Varanasi
- der ältere Herr, der Nitschi den Umgang mit Paan erklärt hat, in Mumbai
Und seeeeehr viele mehr!!!

Bewegendste Momente:
- in der Krankenstation des Ashrams in Delhi

No-go-area:
- Müllhalde mit Agra, direkt neben dem Taj Mahal, die als öffentliche Toilette genutzt wird
- General Post Office in Kalkutta (verschimmelt) und der Maidan Park (das soll ein Park sein?)
- Straßenüberquerungen auf 8spurigen vielbefahrenen Straßen ohne Ampel
- stehende Gewässer und Zuggleise sind gerade bei großer Hitze stets zu meiden (merke: da stinkts!)

Bester Einkauf: Softshelljacke von „North Face“, Kleider, Stoffe und Schals bei Baba Blacksheep in Varanasi
Schlechtester Einkauf: Nitschis Wohlfühlhosen vom Connaught Place in Delhi (Löcher und zu enge Bündchen!), Maras Flipflops aus Colva

Beste Sprüche/Wörter: „Was denkt der Inder?“, „In Ländern wie diesen…“, „Kakerlakerl“, „Chai!“, „Waaaaay too much! We came for [beliebigen Betrag einsetzen]!“, „No problem“, „Good price“, „süß“ [lispelnd ausgesprochen], „Der ganze Bua a Depp!“, „Diese Farben!“, Bisleri Wasser, „Finis? Sauer?“ [Der Inder kann kein „sch“ aussprechen, weshalb „finish“ und „shower“ meist so klangen], „Stop! In the name of love“, „We’re leaving – on a jet plane”, “Das schmeckt ja sogar?!” (eine erstaunte Mara bei einem ihrer ersten indischen Abendessen)

Beste Gesten: die komische Zählweise der Inder (immer ohne Daumen) und die Bizepsknutscherei in “Bodyguard”

Beste Schreibweisen: Waldoof Salat / Kichen (für „kitchen“), Hundai (Autoaufkleber hinten auf einem Taxi, das definitiv nicht von Hyundai war), Snakes (für „snacks“), Please Q (für „please queue“)

Reiseplanung

Preis-/Leistungsverhältnisse:
teuer: Sundarbans, Rikschas in Varanasi, Flughafenessen
billig: Lassis, Bananen, ein Kleid maßschneidern lassen

Nie mehr machen: 8 Stunden Busfahren bei offenem Fenster und Straßenstaub / nur 2 Stunden in Hampi verbringen
Wieder machen: mitten in Nepal in heißen Quellen herumsitzen / dem Pool im Hotel Khajuraho einen Besuch abstatten

Lust auf mehr: einen Trekking-Peak in der Everest-Region erklimmen / Rajasthan (Nitschi und Mara), Yoga-Ashram (Nitschi), Ayurveda in Kerala (Mara), Darjeeling, Bangalore und Busfahren (Nadine)

Wann merkt man, dass man lange genug unterwegs ist:
- wenn man sein T-Shirt nach 3 Tagen Dauertragen und heftigem Schwitzen für gut genug befindet und es einen weiteren Tag anzieht
- die Geldkatze mit dem Geld darin das dort aufbewahrte Klopapier dermaßen kontaminiert haben, dass es zum Himmel stinkt, es aber trotzdem auf der Toilette ohne Ekel noch benutzt wird
- wenn die Schönheitspflege alle paar Tage aus Augenbrauenzupfen und vielleicht einer Beinrasur besteht – und man nach der Rückkehr nach Hause erstmal lange überlegen muss, wie das mit dem Schminken eigentlich so vonstatten ging
- wenn man es für eine super Geschäftsidee hält, Gangeswasser abzufüllen und in kleinen Fläschen über den Homeshopping-Sender als die Super-Diät „GangaPur“ zu vertreiben

Und am Ende
Heimkommen: Frisches Bett, frische Klamotten, Obst, Salat, Käse, Wein, Kaffee!
Und: aufhören, lauthals über Leute zu reden, die direkt neben einem stehen

Verluste: Trekkingschuhe und –hose, Turnschuhe, Siggflasche, Nitschis Lieblingsschal, Honig aus Sundarban, diverse T-Shirts, Hosen, Nitschis Uhr, 3 schlechte und 4 gute Bücher, Monsuntampons (in der Packung aufgequollen von der Dauerfeuchtigkeit)

Was kann der Inder bis zum nächsten Mal bitte noch verbessern?
- Tischabräumverhalten ändern
- immerwährendes Rülpsen und Rotzen und Sackkratzen einstellen
- Geruchsoptimierung vornehmen
- Verbesserung des Fahrstils und Einstellen der Huperei
- Müll- und Straßenköterproblem lösen
- Zugeben, wenn er einfach mal keine Ahnung hat
- Versuchen, den schlechten Geschmack ein wenig zu verbessern, v.a. was Kleidung, Einrichtung und Musik angeht
- Schnurrbartmode überdenken

FAZIT:
Eigentlich waren’s streng genommen zwei total unterschiedliche Urlaube, die ich dieses Mal unternommen habe.

Die vier Wochen in Nepal, von denen wir drei Wochen in der totalen Bergeinsamkeit verbracht haben, waren trotz körperlicher Betätigung unglaublich erholsam und entspannend – der Kopf war aufgeräumt wie noch nie, die Natur unfassbar schön, das sportliche Erlebnis berauschend und die Nepalesen haben wir fest ins Herz geschlossen. Unserer Erfahrung nach sind sie lange nicht so aufdringlich wie Inder, und ein sicherlich nach wie vor bitterarmes Volk. Mit Pokhara und Kathmandu haben wir außerdem zwei überraschend schöne Städte kennengelernt. Das muss unbedingt wiederholt werden, am besten mit einer weiteren Trekkingtour. Und sobald wie möglich, solange wir noch einigermaßen trainiert sind! :-)

Nach dieser relativ ruhigen Zeit, in der mir nur eine mehrtägige fiese Rundumerkältung negativ in Erinnerung geblieben ist, ging’s dann ins wohl verrückteste Land der Welt. Es folgten drei Wochen voller Großstädte, Trubel, Lärm, Schmutz, aber auch herrlicher Erlebnisse, toller Gespräche mit den Mädels („3 Schützen für India“), mit tausenden neuen Eindrücke und dem Wunsch auch nach dem zweiten Besuch: ich will da unbedingt wieder hin!
Denn alles hier war längst nicht so schlimm, wie erwartet – vor allem Mara und Nitschi waren durchaus erleichtert, dass wir kaum von hungernden Kindern oder entstellten Obdachlosen angebettelt wurden und auch vom Brechdurchfall u.ä. verschont blieben.
Auch das Essen war nicht so scharf wie erwartet, und teilweise sogar für die „scharfe Mara“ viel zu fad. :-)

Der Werbespruch des indischen Tourismusamtes „Incredible India“ trifft in jedem Fall den Nagel auf den Kopf – in allen Bedeutungsrichtungen. Ein Land der Gegensätze, hier trifft dick (Frauen!) auf dünn (Männer!), arm auf reich, modisch schick auf seltsame Geschmäcker, ein Wechselbad der Gefühle eben. „Thums up“, sag ich da nur!

Allgemein war es wieder einmal perfekt, in der absoluten Nebensaison unterwegs zu sein. In Nepal waren wir quasi allein auf dem Trek, in Indien waren kaum andere Backpacker zu sehen. Und trotz Regen oder Hitze konnte ich so beide Länder in ihrer Ursprünglichkeit erleben, ohne den allzu großen Touristenrummel.

28.9.11

Heimreise mit Hindernissen (18./19.09.2011)

Nach dem lustigen Abend vorher schlafen wir tief und fest bis halb acht, dann gestaltet sich leider das Duschen als etwas schwierig, da die einzige Dusche auf dem gesamten Stockwerk in Dauerbenutzung ist und man sich buchstäblich einreihen muss. Irgendwann ist aber auch das geschafft, und für die quasi letzte Mahlzeit wählen wir wieder das "indische Frühstück". Heute, am Sonntag, gibts Idlis mit Dip und ein scharfes Curry mit frittierten Quarkkringeln, wie gewohnt fettig und würzig, da hat man länger was davon. In der "Mumbai Times", die wir während des Frühstücks durchblättern, ist ein Foto vom "german beer festival" drin, mit zünftigen Mädels in Tracht. So langsam holt uns also die Heimat auch hier ein. Schnell ist fertig gepackt, im Rucksack ist immer noch Platz.
Wir verabschieden uns unten auf der Straße herzlich von Mara, die noch ein paar Tage in Indien bleibt, und die uns mit einem Taschentuch (oder sollte es etwa Klopapier sein?) im Taxi hinterherwinkt, als wir Richtung Flughafen aufbrechen. Diesmal konnten wir den Fahrer überzeugen, dass das Gepäck auf der Rückbank besser aufgehoben ist, als auf dem Dach des Kleinwagens. Besagter Fahrer rast dann leider wie ein Verrückter durch die leeren Straßen, es bleibt kaum Zeit, letzte Eindrücke der Stadt aufzunehmen. Im Eiltempo gehts vorbei an den Slums, aber leider so schnell, dass man das Gesehene überhaupt nicht verarbeiten kann.
Gegen halb zehn treffen wir am Flughafen ein, Nitschi wird vom Uniformierten am Eingang aufgehalten, der sich eine Weile über ihren "komischen" Nachnamen lustig macht, bevor er sie zum Check-In lässt. Ich muss mir dort von Nitschi noch 6 Rupien (= 10 Cent) borgen, denn die Flughafengebühr ist noch zu entrichten, und ich habe noch genau 252 Rupien in der Tasche, freue mich schon, dass ich so mein letztes indisches Geld loswerde, doch leider kostet die Gebühr 258 Rupien. Mist.
Beim Security Check interessiert sich wieder einmal niemand für unsere volle Wasserflasche im Rucksack, dahingegen wird die Geldkatze (= der Umschnallbauch) aufs Genaueste untersucht. Leider fällt mir in der sterilen Atmosphäre des Flughafens auf, dass das Ding nach den vielen Wochen Körperkontakt und Geldkontamination leider extrem unangenehm riecht, aber die Sicherheitsangestellte zeigt sich unbeeindruckt.
Wir investieren Nitschis letzte Rupien in Kaffee und Tee und Muffins in einem Café bei den Gates, unsere Geduld wird noch einmal auf die Probe gestellt, denn der Angestellte ist der wohl langsamste Mensch der Welt, und so bleibt gar nicht mehr viel Zeit, bevor Nitschi in den Flieger steigt. Der Plan ist, dass wir uns in London-Heathrow am Flughafen wieder treffen, denn ab dort fliegen wir gemeinsam nach München. Also verabschieden wir uns nur kurz, und schon ist sie weg.
Ich habe noch Zeit, meine Maschine soll etwas später starten, aber dann kommt alles anders. Der Abflug verzögert sich wegen "technischer" Probleme um gut 1 Stunde, mir ist klar: das wird verdammt knapp in London. Und richtig, als wir endlich, nach stundenlangem Rumstehen und der Erkenntnis, dass der Inder jetzt nicht der bestorganisierteste Mensch der Welt ist, in der Luft sind, sehe ich mich die Nacht in London verbringen. Egal, mit Rotwein und Filmen gehen auch die 8 Stunden Flug rum, übrigens ist man als Vegetarier auch an Bord gut dran, denn man bekommt das Essen immer als erstes!
Die Stewardess bietet mir noch an, mich nach der Landung in London als erstes Aussteigen zu lassen, und rät mir, so schnell zu rennen wie möglich, doch leider ist die Maschine Richtung München tatsächlich schon weg. Eine kurze SMS an Nitschi, die wohl noch versucht hat, das Bodenpersonal zum Warten zu überreden, und ein Anruf an Norman - leider kann ich erst auf ein Flugzeug am nächsten Mittag umgebucht werden.
Bei der British Airways bekomme ich also ein neues Ticket, Bustickets und Hotelvoucher, ein "Overnight Baggage" mit allen Nötigen (= hässliches T-Shirt in XXL, Zahnbürste, Kamm, ...) drin - mein Gepäck bleibt nämlich am Flughafen - und dann stehe ich nach stundenlangem Warten bei der Einreise draußen am Busterminal und kriege einen Temperaturschock. In London hat's doch tatsächlich nur 11 Grad, und ich habe in meinem Handgepäck nur eine Strickjacke und einen Schal, bin ich doch bei fast 40 Grad in Mumbai losgeflogen. Ach herrje.
Zum Glück ist das Marriott Hotel nicht weit, der Check In dort dauert aber leider Stunden, denn ich bin nicht die einzige "gestrandete" an diesem Sonntag abend. Um kurz vor 22 Uhr endlich halte ich Schlüssel und Essensgutscheine in der Hand und stürme noch schnell das Salatbuffett, bevor ich auf mein Zimmer gehe. Die Dusche, die weißen Handtücher, das riesige Bett mit den Unmengen Kissen und den weißen Laken ist herrlich, und so schlafe ich diese Nacht selig und halbwegs versöhnt mit der Welt.
Leider riechen meine Klamotten am nächsten Tag auch nicht besser als vorher, ich hab ja nichts zum Wechseln dabei, aber na gut, ist ja nur noch für ein paar Stunden. Ich kann mich am Frühstücksbuffett (Obst! Kaffee! Müsli! Saft! Zeitung!) gar nicht sattsehen und -essen, leider muss ich um 8 Uhr schon Richtung Flughafen aufbrechen. Dort findet sich zumindest mein Gepäck und wird zum richtigen Flieger gebucht, und nun bleibt auch noch ein wenig Zeit zum Shoppen, bevor endlich (auch mit Verspätung) die Maschine Richtung München abhebt.
Im Flugzeug stelle ich, sitzend zwsichen all den Anzugmenschen, fest, dass mein Rucksack und meine Klamotten noch schlimmer riechen, als befürchtet, aber ich versuche, mir die gut 2 Stunden lang nichts anmerken zu lassen. Nur als ich meinen Rucksack öffne, um meinen Ipod herauszuholen, schüttelt's mich einen kurzen Moment.
Und endlich, mit fast 18 Stunden Verspätung, lande ich am Nachmittag im schönen München, werde abgeholt und bin wirklich froh, wieder zuhause zu sein. Sofort wird alles ausgepackt, die Sachen im Rucksack sind allesamt feucht und mufflig nach der langen Reise, die Waschmaschine wird angeworfen (leider wird's auch nach der ersten Wäsche nicht besser, da müssen härtere Geschütze aufgefahren werden) und zur Feier des Tages gibts Champagner - und eine Käseplatte. Das ist so herrlich und schmeckt wie das beste Essen der Welt!

27.9.11

Wo gehts hier zum Mittelpunkt der Welt??? (17.09.2011)

Ausschlafen. Zeitung lesen (die praktischerweise wieder außen an der Zimmertür steckt). Frühstück im Bett (weil wir nicht mal einen vernünftigen Tisch im Zimmer haben). Heute bestellen wir das "indian breakfast", da das "continental" gestern nicht grade berauschend war. Es gibt also masala dosas mit Kartoffelcurry und Kokosdip. Wir bekommen kein Besteck dazu, und unsere Nachfrage führt beim Hotelangestellten auch nur zu Vewirrungen und einem entsetzten "no fork!" - immer diese Sonderwünsche der verrückten Touristen, also wirklich. Na, dann essen wir eben das fettige Ding mit den Fingern. Das sättigt sicher eine ganze Weile.
Unten an der Rezeption stellen wir fest, dass es einen eigenen Angestellten dafür gibt, der den lieben langen Tag davor sitzt und jedem geflissentlich die Tür öffnet, der hinein- oder hinausmöchte.
Draußen finden wir ein Taxi, das uns nach Malabar Hill bringt, wir wollen zum "Mittelpunkt der Welt", dem Banganga Tank. Leider ist dieser dem Fahrer unbekannt, und da auch mehrmaliges Nachfragen bei diversen Polizisten, bereits im richtigen Stadtteil, widersprüchliche Aussagen liefern und wir irgendwann keine Lust mehr auf sinnfreies Hin- und Herwenden haben, steigen wir aus. Das kann ja nicht mehr weit sein, schließlich befinden wir uns ja in Malabar Hill, dem Reichenviertel mit Villen und schicken Hochhäusern oben am Hügel mit Blick über das Meer an Mumbais Westseite.
Hübsch ist es, aber als wir zum dritten Mal erst in die eine, dann wieder in die andere Richtung geschickt werden und die immer gleiche Straße entlangwandern, brauchen wir eine Pause und besichtigen spontan stattdessen den großen Jain-Tempel, der am Weg steht. Die Jains, eine große Hindu-Sekte, haben eine ganz eigene Art der Tempelbauweise, und auch eine eigene Form der Andachten dort. Drinnen ist gerade eine zugange, wir dürfen als Ungläubige also nicht in den Hauptraum, aber von der Galerie im 1. Stock auszuschauen. Unten legt ein alter Mann aus verschiedenfarbigen Gewürzen eine Art Mandala auf den Steinboden.
Beim Rausgehen fragen wir nochmal verschiedene Leute nach dem Weg zum Becken, und so langsam kristallisiert sich der richtige Weg heraus. Zehn weitere Gehminuten später biegen wir vo nder Hauptstraße ab in kleine Gässchen, hier reiht sich ein Tempel an den anderen, es tönen Gesänge heraus. Barbiere bieten auf einfache Stühlen direkt am Weg einen Haarschnitt oder eine Rasur an, überall kann man Blumenketten oder -gestecke als Opfergabe kaufen.
Endlich stehen wir vor dem sagenumwobenen Wasserbecken, in dem rituelle Waschungen vorgenommen werden und an dessen Stufen rundherum die verschiedenartigsten Zeremonien durchgeführt werden. Es ist faszinierend, ich könnte stundenlang zusehen, ohne auch nur ansatzweise zu verstehen, um was es dabei geht. Nach einer Weile trennen wir uns davon und marschieren die Hauptstraße des Viertels wieder den Hügel hinauf; oben erreiche wir die sog. "hängenden Gärten" (naja), einen Park mit Blick auf's Meer und für indische Verhältnisse ganz hübsch angelegten Blumenbeeten und herrlichen, riesigen alten Bäumen. Einmal wird rundum flaniert, dann überqueren wir die Straße und betreten den gegenüberliegenden Kamala-Nehru-Park, ähnlich aussehend, mit einem leicht armselig aussehenden Spielplatz.
Von dort aus spazieren wir zu Fuß einen steilen Weg hinunter, bekichert von einer entgegenkommenden Schulklasse, und stehen wenig später am berühmten Mumbaier Stadtstrand, dem Chowpatty Beach. Leider führt eine vielbefahrene, mehrspurige Straße direkt daran entlang, das stört ein wenig, ebenso der viele Müll, der herumliegt, und das schmutzige Wasser, das zumindest uns nicht zum Baden einlädt. Das stört aber die vielen Inder, die hier ihre Mittagspause verbringen oder gleich ganz hier wohnen, nicht weiter.
Wieder einmal kommt ein kurzer Nieselregen auf, aber auch diesmal ist er vorbei, noch bevor wir die Regenjacken anhaben. Als wir grade alles wieder in den Taschen verpacken, fällt unser Blick auf die daneben liegende tote Ratte, die von einer Krähe genüsslich zerhackt wird. Sehr appetitlich ist das hier.
Wir setzen unsere Stadtwanderung fort, nun in Richtung Chor Bazaar, wir hoffen auf ein paar hübsche Marktstände, um die letzten Einkäufe zu tätigen. Leider ist der Weg dorthin viel weiter als gedacht, immer wieder müssen wir nach dem Weg fragen. Eine Gruppe junger Mädchen, die sich als Pfadfinderinnen herausstellt, ist ganz begierig darauf, uns zu helfen, und freuen sich ein Loch in den Bauch, als sie uns in die richtige Richtung weisen können.
Nitschi liebäugelt immer noch mit dem Kauf einer Sitar, also kehren wir in ein Musikgeschäft ein, das Instrument soll hier um die 100 Euro kosten, ein toller Preis - doch die ständige Feuchtigkeit und Hitze in dieser Stadt macht mir ein wenig Sorgen, das Holz ist daher sicherlich total verzogen und kann sich an unsere Klimaverhältnisse nicht anpassen, daher sieht sie schweren Herzens vom Kauf ab.
Die Straßen werden immer enger, die Gehsteige immer voller, und irgendwann sind wir mitten im Gewühl im Bazaar-Viertel angekommen. Doch leider stellt sich heraus, dass hier von Autoersatzteilen bis Gemüse zwar alles mögliche verkauft wird, aber nichts davon erfreut unser Touristenherz. Wir schlendern noch ein bisschen nach links und nach rechts, setzen unseren Weg dann aber zügig fort und erreichen den musilimischen geprägten Teil. Hier gibt es formschöne Burkas und züchtige Unterwäsche zu kaufen, Männer und Frauen sind in Kutten gehüllt, und die Mode hier zeugt von einem noch schlechteren Geschmack als eh schon der Rest, den's im restlichen Indien zu kaufen gibt. Sehr erstaunlich.
Irgendwann schieben wir uns inmitten der Menschenmassen (vergleichbar mit der Kaufinger Straße am Adventssamstag) vorbei an Ständen voller Tand, alle paar Meter rollen Frauen aus einer Art Lehm und Kuhdung (?) faustgroße Kugeln und bieten diese zum Verkauf an, es bleibt rätselhaft, wozu man die braucht. Es reicht, wir sind erledigt, haben keine Ahnung mehr, wo wir überhaupt sind, und kehren ins nächstbeste vegetarische Restaurant ein. Der Chef himself bedient uns im arktisch temperierten Lokal, das Essen ist echt "indisch", ich bekomme grünen Pampf (Palaak Paneer) und roten Pampf (Alu Gobi), beides bis zur Unkenntlichkeit verkocht. Das ist nicht meins, aber dafür kostet's auch nur 2 Euro. Immerhin kann uns der Kellner auf der Karte zeigen, wo wir uns gerade befinden, und so laufen wir gestärkt zurück in Richtung unseres Hotels. Inzwischen kennen wir uns zumindest in den umliegenden Vierteln soweit aus, dass wir uns dort zurechtfinden.
Wir fragen uns alle paar Meter nach dem nächsten Internetcafé durch, jeder Straßenhändler weiß Bescheid, und alle schicken uns in die gleiche Richtung, und letzten Endes landen wir genau gegenüber unseres Hotels im "Cyber Café", das uns bisher noch nicht weiters aufgefallen ist. Hier verdaddeln wir die nächsten 90 Minuten, mailen ein letztes Mal vor dem Heimflug mit den Lieben. Als wir rausgehen, stellen wir fest, dass unsere Stadtbesichtigung (inkl. vollkommen erfolglosen Shoppingversuchen) doch den ganzen Tag gedauert hat, es ist schon nach 18 Uhr!
Also schnell ins Hotel, Nitschi und ich machen uns ans Packen, währenddessen suchen wir die perfekte Location für unseren letzten gemeinsamen Abend. Um 19 Uhr holt Nitschi bei den armen Schneiderlein ihren fertig genähten Seiden-Schlafsack ab. Alle Klamotten, die wir nicht mehr mit nach Hause nehmen wollen (darunter die alten Laufschuhe, an deren Sohlen immer noch gefühlt der ganze Dreck Varanasis klebt, T-Shirts, Socken, Hosen sowie der Honig aus Sundarbans, der nicht besonders appetitlich riecht und auch noch mit einer Ameise "garniert" ist), kommen in eine Tüte, die Nitschi dem Wachmann mit den kaputten Schuhen in die Hand drückt. Sie fragt ihn, um ihm Peinlichkeiten zu ersparen, ob er jemanden wüsste, der die Sachen brauchen könnte. Er bejaht dies eifrig, und noch während sie weggeht, beäugt er schon interessiert die Schuhe. Na also.
Gegen 19 Uhr starten wir ins Abendprogramm, mit dem Taxi gehts ins Café Mocha in der Nähe des Marine Drives, eine gemütliche Bar, in der viele indische Studenten sitzen. Wir sind heute mal prollig und bestellen gleich einen 2-Liter-Pitcher Kingfisherbier zum Aufwärmen, dazu Burger, Pasta, Salat und gemischtes Fingerfood als Vorspeise. Der indische Service toppt sich mal wieder selbst: die Hauptspeisen kommen alle weit nacheinander, und die Vorspeisenplatte wird geliefert, als wir das Hauptgericht bereits längst gegessen haben. Wir bestellen einen weiteren Pitcher und halten uns mit Kommentaren dazu zurück. Nun setzen wir uns an die "Liste", eine Art Resumé der Indienreise, die der letzte Blogeintrag dazu werden wird.
Dazu lassen wir die letzten drei Wochen nochmal Revue passieren und sind uns einig, dass der gemeinsame Urlaub wirklich viel Spaß gemacht hat und wir sehr viel erlebt haben.
Noch ein Gruppenfoto und einen Cocktail (den Mara für uns alle zurückgehen lässt und mit herzallerliebstem Augenaufschlag um etwas mehr Rum darin bittet), dann fahren wir mit dem Taxi zurück zum Hotel. Der Fahrer antwortet auf meine Frage nach der Uhrzeit mit "5 minutes only", und versucht krampfhaft, bei jedem Schaltvorgang durch übertrieben weites Ausholen des Arms meinen Oberschenkel zu berühren.
Als wir ankommen, öffnet uns der nette, turbantragende Türsteher des Nachbarlokals netterweise die Tür, und wir flüchten so schnell, dass Nitschi ihren geliebten Schal im Taxi vergisst.
Eines gibt es nun noch zu tun: Mara will auch Paan probieren, am Stand gegenüber mixt ein Paan-Wallah für die beiden Mädels aus Betelblatt, kandierten Früchten, Kokosraspeln, Betelnuss und anderen geheimen Zutaten in Windeseile ein Paanpäckchen, und dann stehen die beiden am Straßenrand und kauen das Riesending angestrengt vor sich hin. Ich bin raus, mein Magen will geschont werden. Schließlich wird ausgespuckt, und wir gehen für eine letzte Nacht ins Hotelzimmer, wo wir erst einmal wieder die Räucherstäbchen-Luftreinigung durchführen müssen.
Vor lauter Albernheit beschliessen wir, noch ein paar Gruppenfotos zu machen, und "verkleiden" uns dazu als Inder, indem wir uns unsere Wimperntuschen und Kajals als Schnurrbart unter die Nase klemmen. Dazu machen wir typische Gesten wie die seltsame Art der Inder, zu zählen (niemals wird dazu der Daumen verwendet, deshalb gab es immer wieder Schwierigkeiten, wenn wir drei Chais o.ä. bestellt haben) und blödeln ziemlich herum, bevor wir uns gegen Mitternacht in die klammen und muffligen Betten legen.

26.9.11

Von Elefanten, Göttern und einem Bodyguard (16.09.2011)

Beim nächtlichen Klogang stelle ich fest, dass die vier Angestellten des Hotels einfach auf dem Flur schlafen, und offenbar auch dort leben, denn die sind 24 h täglich da und auch immer "betriebsbereit". Arme Seelen. An unserer Zimmertür steckt morgens eine Zeitung, wir bekommen Frühstück auf's Zimmer serviert (Omelett und Toast ohne Rinde - war wahrscheinlich angeschimmelt, wie Nitschi vermutet) in Ermangelung eines Speisesaals, gegen den immerwährenden muffigen Geruch wird ab sofort mit Räucherstäbchen angegangen, alles Textilien sind leicht klamm. Naja, das Bad ist sauber, immerhin.
Gegen 10 Uhr brechen wir auf, nett verabschiedet vom jungen Wachmann, der den lieben langen Tag und auch nachts aufpasst, dass kein Fremder das Hotel betritt. Als wir an ihm vorbeigehen, stelle ich mit Entsetzen fest, dass sich die Schuhe des Mannes komplett auflösen, er aber offenbar selbst die 5 Euro, die hier ein neues Paar kostet, nicht hat. Wir beschließen, ihm bei unserer Abreise irgendein Geschenk zu geben.
Mit dem Taxi fahren wir zum Colaba Market, leider besteht der nur aus Gemüse- und Obstständen auf der Straße, zwischendrin gibt's den einen oder anderen (ungekühlten) geruchsintensiven Fischstand und den üblichen Mief. Ich bin heute sehr geruchsempfindlich, weil mir ein wenig übel ist, und daher ist das alles überhaupt keine gute Idee. Immerhin finden wir in einem Sarigeschäft in einer Gasse endlich Lungis, die Nitschi einer Freundin mitbringen möchte, und die seit Anbeginn der Reise gesucht werden - bisher erfolglos, obwohl jeder zweite Mann auf der Straße hier einen trägt.
Dann verschwinden wir von dort und gehen zu Fuß zum Meer, spazieren an der dreckigen Brühe entlang, passieren das wunderschöne Taj Palace Hotel, das seit den Anschlägen 2008 außen abgesichert ist wie eine Festung, mit Polizei, Securitys, Durchleuchtungsapparten,... Auch der Platz rund um das Gateway of India ist hermetisch abgeriegelt, beim schmalen Eingang werden die Taschen durchsucht. Die Straßenhändler davor verkaufen sensationellen Blödsinn, nämlich etwa 1,50 m große Riesenluftballons, und können so gar nicht verstehen, warum wir die nicht sofort kaufen wollen.
Wir leisten uns ein "Deluxe Boat Ticket" für stolze 130 Rupien (gut 2 Euro) nach Elephanta Island, denn unsere Reiseführer behauptet in einem Nebensatz, dass damit eine Führung vor Ort inklusive sei. Da dieses Ticket nur läppische 50 Cent mehr kostet als das reguläre, glauben wir das einfach mal. Das Boot ist nicht besonders "deluxe", das Wasser spritzt die ganze Zeit rein, wenigstens sitzen wir im überdachten Unterdeck, denn zwischendurch regnet es mal kurz und heftig. Die Fahrt auf dem sehr unruhigen Wasser dauert etwa 1 Stunde, ich bin knapp vor der Seekrankheit, als wir - wieder bei Sonnenschein und Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit - auf der Mumbai vorgelagerten Insel ankommen.
Der 20minütig Weg bis zum Eingang ist gesäumt von zahllosen Verkaufsständen, wo man allen möglichen (Glitzer-)Schnickschnack erstehen kann. Bei hübschen kleinen Döschen und Spiegelchen werden wir schwach, nehmen aber wenigstens Abstand davon, uns in einer Sänfte (= ein Holzstuhl, an dem vier Stangen befestigt wurden) die Stufen zum Eingang hinauftragen zu lassen. Als wir oben ankommen, sind wir total nassgeschwitzt. Luftfeuchtigkeit ist ein Arschloch!
Auf unsere Nachfrage nach der ominösen Führung werden wir an einen älteren Herrn verwiesen, der uns dann etwa eine halbe Stunde durch den Haupttempel führt, sehr viel (und leider etwas unverständlich) spricht und überhaupt ein wirklich schräger Vogel ist. Unter anderem müssen wir wie bei einem Quiz Fragen beantworten, er macht die ganze Zeit seltsame Witze, ohne auch nur eine Miene zu verziehen, und lässt uns am Ende einfach mit dem Hinweis stehen, wir sollten selbstständig noch ein wenig herumwandern und alles in Ruhe anschauen. Nun gut, die vielen Darstellungen Shivas und Parvatis, die in die Felshöhlen gehauen sind, sind wirklich wunderschön. Am beeindruckendsten in der sog. "Trimurti", ein dreiköpfiger Shiva, viele Meter hoch. Wir sind begeistert, dass gerade die Darstellung Shivas als Zerstörer mit Schnurrbar dargestellt ist. Immerzu diese Schnurrbärte in Indien, was haben die nur damit?
Die kleineren Tempel drumherum sind nicht mehr ganz so spektakulär, die Luft riecht nach Fledermauskot und ist ein wenig abgestanden. Auf den Wegen draußen tollen Unmengen Affen herum, von denen einige recht krank ausschauen - wir versuchen, die Viecher nicht direkt anzugucken, um sie nicht zu provozieren, und halten unsere Getränke gut in den Taschen versteckt - die können nämlich ziemlich aggressiv werden.
Bevor wir uns auf den Rückweg machen, gibt's einen kurzen Zwischenstop in einer Bar, mit viel kaltem Wasser und Schokomilch. Dann shoppt Nitschi noch herrliche Kitschbilder von Hindugöttern, die so eine Art Kippeffekt haben, und wir machen uns auf den Weg zur Bootsanlegestelle.
Die Boote fahren hier quasi im Minutentakt ein und aus, und um kurz nach 14 Uhr legen auch wir ab - allerdings nicht, bevor ein anderes Boot seine Passagiere durch unser Boot aussteigen lässt. So ganz klappt das mit dem Anlegen nämlich nicht. Die Wellen schaukeln ganz schön hin und her, aber die sehr beeindruckende Skyline Mumbais entlang der Küste entschädigt dafür. Gegen halb vier legen wir - nach diversen "Umparkmanövern" - wieder am Gateway an, und weil wir Hunger (!) haben (!), machen wir uns schnellstens ins etwa 10 Minuten entfernte Café "Basilico" auf. Das ist ein sehr hippes Lokal, das fast vergessen lässt, dass man sich in Indien befindet. Die Kürbisravioli mit Käsesauce von Nitschi sind ein Traum, mein Couscous mit Gemüse ist sehr lecker, und Mara wagt sich sogar an einen Salat! Zum Abschluss können wir den Torten nicht widerstehen, natürlich mit Cappucchino. Ein bisserl schämen wir uns, als die Rechnung kommt, liegt doch der Preis um ein Vielfaches höher als man sonst in Indien beim Essen ausgibt. Egal, das war's wert.
Entlag des Colaba Causeways schlendern wir langsam Richtung Bahnhof, probieren Schuhe, feilschen um Schals, und begucken die Kolonialgebäude, die wir passieren. Wir finden ein CD-/DVD-Geschäft, in dem ich ein wenig meine Bollywood-Sammlung aufpeppe, und als wir wieder auf der Straße stehen und auf die Uhr schauen, beschließen wir, zur nächsten Vorstellung ins nächstgelegene Kino mit dem vielversprechenden Namen "Eros" zu eilen, um uns den aktuellen und vielbeworbenen Bollywood-Blockbuster "Bodyguard" anzuschauen.
Der Kartenverkäufer freut sich sehr, als er uns bedient, weist aber noch besorgt darauf hin, dass der Film doch nur in Hindi sei, das ist uns aber herzlich egal. Exakt pünktlich eine Minute nach Filmbeginn nehmen wir unsere Plätze im leider um 18:45 Uhr fast leeren Kinosaal ein. Sogleich stopfen wir uns das allzeit verfügbare Klopapier in die Ohren, es ist unerträglich laut. Egal, der Film ist so grottenschlecht und mit blöder Handlung, dass wir tatsächlich auch ohne Übersetzung relativ problemlos folgen können. Am besten sind immer noch die Tanzszenen, aber z.B. die Actionszenen sind einfach nur zum Lachen. Daher amüsieren wir uns auch wirklich gut, und übernehmen sogleich ein paar der übertriebenen Gesten des Hauptdarstellers. Nach gut zwei Stunden ist der Spaß dann auch schon vorbei.
Unten im Kinofoyer steht ein riesiger Pappaufsteller des "Bodyguards" Salman Khan. Mara und ich stellen uns daneben, Nitschi soll uns fotografieren. Sogleich schreitet der Wachmann ein, Fotografieren ist hier drin natürlich nicht erlaubt, aber die herumlungernden Angestellten sind herrlich amüsiert über unsere vermeintliche Leidenschaft fü den Hauptdarsteller (dem Inder ist Ironie fremd) und überreden den Uniformierten, kurz ein Auge zuzudrücken. Na also.
Beim Rückweg kehren wir im Café Universal ein, eine Traube Jungs hängt von außen an dessen Fenstern, aha, im Fernsehen drinnen wird gerade ein Cricketspiel übertragen, dauss auch die indischen Gäste an den Tischen zu unvermuteten Begeisterungsstürmen hinreißt. Die Mädels bestellen Cocktails und Burger, ich bleibe bei Saft und Nudelsuppe, nach dem ganzen Seegang heute will ich nichts riskieren. Die Bar ist wirklich ganz gemütlich, nur der Kellner ist mal wieder "echt indisch" und bringt unaufgefordert die Rechnung, als wir ausgetrunken haben. Na gut, dann gehen wir halt die paar Häuser weiter zurück ins Hotel und ins Bett, es ist eh schon halb zwölf.
Drinnen müssen wir allerdings erst wieder mit Räucherstäbchen den Mief ausräuchern, die Kissen sind klamm, die Bücher wellen sich - der Reiseführer hat das Hotel deutlich hübscher beschrieben, als es in Wirklichkeit ist. Aber diese Dauerfeuchtigkeit und Schwüle zermürbt wahrscheinlich früher oder später jedes Mauerwerk, viele Häuser haben schwarzen Schimmel (von uns liebevoll "Patina" genannt) an den Außenwänden.

23.9.11

Die tapferen Schneiderlein (15.09.2011)

Ab 5 Uhr sind wir wach, das Licht geht an, und so behalten wir die vorbeiziehenden Bahnhöfe im Auge. Zum Glück gibts es schon einen Chaiwallah, während wir den süßen und heißen Tee schlürfen, räumt der übereifrige, korpulente Steward quasi unter unserem Hintern die Decken und Laken wieder weg und erzählt uns zig Mal, dass jetzt gleich der "final stop" kommt. Und so fahren wir um kurz nach 6 Uhr bei völliger Dunkelheit im größten Bahnhof Mumbais, dem Victoria Terminus, ein.
Zu unserer Verwunderung schläft die Stadt noch tief und fest, als wir rausgehen und uns draußen umschauen, spricht uns niemand an, keine Taxifahrer, Gepäckträger, Verkäufer stehen Spalier. Es ist nass draußen, wir wechseln von den Flipflops in die Turnschuhe, denn nach den Rutschpartien in Varanasi soll kein Risiko eingegangen werden.
Leider hat selbst der McDonalds am Bahnhof noch geschlossen, doch zum Glück ist unsere Unterkunft nicht weit, und so marschieren wir die 10 Minuten zu Fuß ins Welcome Hotel, vorbei an schlafenden Gestalten auf dem Gehweg.
Wir dürfen dort leider erst ab 8 Uhr in unser Zimmer, können aber immerhin unser Gepäck dalassen und stehen pünktlich um 7 Uhr, zur angeschriebenen Öffnungszeit, wieder vor dem McD - der dann auch mit "nur" 15 Minuten Verspätung öffnet, und auch bis zur Bestellung und deren Bearbeitung dauert's ein wenig. Aber schließlich sind wir gesättigt und mit Kaffee versorgt, und beziehen zurück im Hotel unser Dreibettzimmer.
Es ist klamm, ohne nennenswertes Fenster, mit ohrenbetäubender Klimaanlange und mit Gemeinschaftsbad und -dusche auf dem Flur, dafür im teuren Mumbai halbwegs bezahlbar. Draußen geht gerade der heftigste Regenguss nieder, den ich je gesehen habe, dafür ist Mumbai in der Monsunzeit berühmt. Wie gut, dass wir bereits im Trockenen sind.
Und so nehmen wir uns Zeit, um auszupacken, zu duschen und ein wenig herumzuräumen. Als wir aufbrechen wollen, regnet es immer noch, und da wir nach der ganzen Zugfahrerei zu erledigt für Sightseeing sind, fahren wir mit dem Taxi durch die morgendliche Rush Hour in die Phoenix-/Palladium Mall im Norden Mumbais. Die Fahrt dauert fast 1 Stunde, die Stadt nimmt kein Ende, auf den Straßen geht es aber tatsächlich ein wenig gesitteter zu, und zum ersten Mal fahren hier uach "westliche" Autos wie BMW oder Mercedes. Richtig großstädtisch sieht es ringsherum aus.
Die Palladium-Mall ist vollkommen übertrieben luxuriös, sauber, gut riechend, mit Läden wie Mövenpick, Zara oder Adidas. In der Phoenix Mall nebenan hat wenigstens schon ein Café geöffnet, wir pimpen uns mit Koffein, so richtig fit sind wir immer noch nicht. Schließlich shoppen wir den Vormittag über so vor uns hin, kaufen hübsche Klamotten bei FabIndia und bummeln hin und her.
Gegen Mittag suchen wir uns ein Taxi, der Fahrer, der als erster zu unserem Preis einknickt, spricht leider nicht wirklich Englisch und kann offenbar auch nicht lesen. Als er uns an einem falschen Ort aussteigen lassen will, müssen ihm Passanten erklären, wo wir eigentlich hinwollen. Nämlich zu einer Pizzeria direkt am Marine Drive, dort essen wir leckere Pizza und Pasta zu sehr europäischen Preisen.
Als ich auf die Toilette gehe, die in der Bar nebenan ist, stelle ich fest, dass ich den Ort kenne, weil ich dort 2007 mit Norman mal einen Abend verbracht habe. Schon ein Zufall in einer geschätzten 18-Millionen-Einwohner-Metropole.
Die Reserven sind nach dem Essen wieder deutlich aufgefüllt, und so gehen wir zu Fuß durchs Churchgate- und Fortviertel zurück zum Hote. Wir schlendern dabei entlang von Straßenständen, ich erstehe fürs nächste Schrottwichteln und nach erfolgreichen Verhandlungen die Scheußlichkeit des Jahres (mehr wird nicht verraten), und gegen 16 Uhr sind wir endlich da.
Weit Nitschi aus ihrer in Varanasi gekauften Seide noch einen Schlafsack nähen lassen will, fragen wir an der Rezeption nach einem Schneider. Und siehe da, im 1. Stock des Gebäudes gibt es wohl eine Schneiderei. Ich begleite Nitschi dorthin. Und wer "Das Gleichgewicht der Welt" von Rohinton Mistry (eines der bewegendsten und großartigsten Bücher, das ich je gelesen habe), kennt: wir stehen mittendrin im Elend eines Mumbaier Schneider-Daseins. In einem 2x2m großen Zimmerchen stehen zwei alte Singer-Nähmaschinen. Der restliche Raum ist vollgestopft mit Stoffen, auf dem Boden liegen Stoffreste und Fussel, und überall liegt Staub in so dicken Schichten, die vermuten lassen, dass seit Jahrzehnten hier nicht mehr geputzt wurde. In diesem Verhau liegt ein Mann am Boden und schläft, ein anderer liegt oben auf der Kommode, dem einzigen Möbelstück, dösend, ein dritter sitzt am Boden und bügelt mit einem vorsintflutlichen Bügeleisen, einer vierter näht, ein fünfter steht herum. Alle sind deutlich über 40/50 und gehören sichtlich zur ärmeren Bevölkerungsschicht.
Es ist beklemmend, uns fehlen fast die Worte, und als der Preis fürs Nähen des Schlafsacks - nach diversen Vermessungen und Fachsimpeleien - genannt wird, klingt der zwar fast unverschämt hoch (gut 3 Euro!), aber ich glaube, Nitschi wäre bereit, auch das Doppelte zu zahlen, so schlimm ist der Anblick. Der Riss in meinem schon sehr dünn gewordenen grünen Seidenschlafsack wird en passant mit dem bereits eingespannten blauen Faden genäht, aber ich habe keine Lust, da pingelig zu sein. Wir flüchten von diesem trostlosen Ort in unser gleich viel freundlich wirkenderes Zimmer, und machen eine gut zweistündige Siesta, in der wir drei tief und fest schlafen.
Nach dem servierten "Abendtee" machen wir uns gegen 19 Uhr, es ist bereits dunkel draußen, auf ins Nachtleben. Zu Fuß spazieren wir Richtung Colaba, unterwegs erstehe ich im Liquor Store eine kleine Flasche Old Monk-Rum als Mitbringsel zu einem deutlich höheren Preis als noch in Goa. Wir passieren Bars, Essensstände, Banken, Bettler, tausende Geschäfte, überall sind Menschen auf der Straße unterwegs. In Colaba selbst reiht sich ein Straßenstand mit Schuhen, Schals, Schmuck, Tand und anderem Schnickschnack an den anderen, jeder Händler spricht uns mit einem "Yes, madam, have a look" an. An diese Straße kann ich mich von meinem Aufenthalt in Mumbai vor 4 Jahren noch gut erinnern.
Wir shoppen dies und das (Räucherstäbchen für unser muffliges Zimmer!) und verziehen uns dann in eine Seitengasse in ein Internetcafé. Nitschi ist früher fertig als Mara und ich, stromert alleine draußen herum und kehrt stolz wie Oskar mit zwei kleinen Päckchen "Sweet Paan" (also ohne Tabak) zurück. Die Verkostung dieser in ein grünes Blatt eingewickelten Spezialität (gefüllt mit Kardamom, Anis und anderen Gewürzen), etwa streichholzschachtelgroß und auf jeden Fall auf einmal in den Mund zu nehmen, vollzieht sie unter Anleitung eines sehr freundlichen älteren Herrn und photographisch dokumentiert von Mara draußen auf der Straße. Scheint ganz lecker zu sein, nur das mit dem Ausspucken muss wohl noch geübt werden. Die zweite Portion wird an das nächstbeste bettelnde Kind verschenkt...
Obwohl es schon fast 22 Uhr ist, brummt das Leben auf der Straße und in den umliegenden Bars. Wir kehren im berühmten "Café Leopold", einer echten Institution Mumbais, ein. Es ist gerammelt voll, junge Inder und auch ein paar Touristen sitzen an den kleinen Tischen, es gibt Pitcher mit Bier und typisches Bar-Essen, es ist laut, die Kellner sind Spaßvögel.
Wir bestellen, nachdem wir vom Türsteher erst durchsucht und dann zu einem freien Platz gewiesen wurden, auch einen solchen Pitcher und Nachos, und kurz darauf liegt eine Serviette auf unserem Tisch, von den indischen Jungs am Nebentisch mit schwülstigen Komplimenten beschrieben. Wir kommen uns vor wie die Teenager, spielen aber doch ein wenig mit, reichen Zettelchen hin und her, und als Nitschi auf dem Klo verschwindet, nutzt der eine vermeintliche Herzensbrecher die Gelegenheit und passt sie am gemeinsamen Waschbecken draußen ab und spricht sie an. Er ist sichtlich betrunken, setzt sich an unseren Tisch und ergeht sich in schlecht einstudierten Komplimenten. Kurzerhand erfinden wir drei daraufhin komplett neue Identitäten für uns, und machen uns ein bisschen einen Spaß mit ihm. immer besorgt beäugt von den umsitzenden Indern an den Nebentischen und den Kellern, die uns alle signalisieren, dass wir nur ein Zeichen geben müssten, wenn wir den Kerl loswerden wollen. Irgendwann wird er von seinem Kumpel, dem das alles sichtlich peinlich ist, nach Hause komplimentiert. Kaum ist er weg, entschuldigen sich die Jungs am Nebentisch für das "schlechte Benehmen" ihres Landmanns, auch keine schlechte Anmache, und wir sind sofort wieder im Gespräch und bekommen Ausgehtipps.
Nachdem der zweite Bier-Pitcher geleert ist, beenden wir den Abend gegen Mitternacht und fahren mit dem Taxi zurück ins Hotel. Auf den Straßen liegen dicht an dicht eingewickelte Menschen und schlafen. So nah liegen hier Spaß, Großstadtleben, westlich orientierte Lebensweise und der Umgang mit topausgebildeten, reichen Indern und die Armut, der schlichte Überlebenskampf, Dreck, Elend und Hunger nebeneinander.
Ich erinnere mich wieder deutlich, dass es genau diese Mischung war, die mich damals schon so an Mumbai fasziniert hat. Und es ist immer noch da, ich finde diese Stadt gerade wegen ihrer Gegensätzlichkeit einfach großartig, lebendig, ständig überraschend und zutiefst berührend.

22.9.11

Eine Zugfahrt, die ist lustig... (14.09.2011)

Das ist ein echter Urlaub für Frühaufsteher - um 5 Uhr klingelt der Wecker, ich springe unter die kalte Dusche, und hab leider mal wieder ein bisschen Bauchschmerzen, die wir inzwischen alle kennengelernt und "Wehen für Anfänger" getauft haben. Aber alles halb so wild, um 5:30 Uhr stehen wir mitsamt Gepäck in der Dunkelheit auf der Straße, im tiefschlafenden Hampi, das gut und gerne einen Tag Aufenthalt mehr wert gewesen wäre!!
Zum Glück steht unsere Rikscha bereit, wir steigen ein, und verschlafen lassen wir uns Minute für Minute durch die recht kühle (man braucht sogar einen Schal über dem T-Shirt!) Morgenluft fahren. So ganz langsam dämmert es am Horizont, und um kurz vor 6 Uhr hält unser Fahrer an und verkündet, dass wir am Ziel sind. Leider stimmt das nicht, denn er hat uns zum Busbahnhof chauffiert, wir wollen aber in den Zug steigen. Wir werden etwas pampig, schliesslich fährt unser Zug in 30 Minuten ab, der Fahrer beschwichtigt uns und steigt erstmal kurz aus, um nach dem Weg zu fragen. In aller Seelenruhe kommt er eine gefühlte Ewigkeit später zurück. Um einen Inder in Hektik zu versetzen, braucht's offenbar mehr als läppische Zugfahrpläne.
Zum Glück ist der Bahnhof nur ein paar weitere Fahrminuten entfernt. Und dann hat unser verschnarchter Fahrer auch noch den Mumm, um eine Erhöhung des vereinbarten Fahrpreis zu bitten, schließlich habe er jetzt ja auch viel weiter fahren müssen. Da kommt er aber an die Falschen, wir geigen ihm unsere Meinung dazu und betreten schimpfend den Bahnhof.
Hier gibt es zum ersten Mal überhaupt eine richtige Anzeigetafel mit allen nötigen Informationen, das ist ja luxuriös, und wir gehen zum Gleis, sitzen dort ewig herum, denn unser Zug hat Verspätung. Über uns in den Bäumen kreischen Fledermäuse, es gibt frischen Chai am Stand nebenan, und wir beobachten, wie die Zug-Chai-Verkäufer ihre Kannen und Becher für den nächsten Einsatz vorbereiten. Auch das läuft hier immer ein wenig umständlicher und langsamer ab, als man sich das bei uns vorstellen könnte...
Der Zug ist rappelvoll, wir müssen ein wenig die bereits auf unseren Plätzen sitzenden Jungs verscheuchen, letzten Endes sitzen wir auf den 6 Plätzen, die jedes Abteil bietet, zwischenzeitlich zu acht. Auf den zwei Plätzen im Gang lassen sich sogar bis zu fünf Inder nebeneinander nieder und sitzen dort geduldig wie die Hühner auf der Stange.
Es sind fast nur Männer unterwegs, und es wird ganz schön kuschelig. Diesmal vergehen die acht Stunden Fahrt nur im Schneckentempo, wir haben leider kaum Platz, um mal die Sitzposition zu wechseln oder gar ein Nickerchen zu machen. Es ist ganz schön warm, denn jedes Mal, wenn draußen ein Regenschauer niederprasselt, werden alle Fenster geschlossen und die Raumtemperatur steigt sofort um 10 Grad an.
Die jungen Männer neben uns spielen Stunde um Stunde begeistert Canasta auf einem ausgebreiteten Tuch. Nitschi ist heute besonders mutig und probiert tatsächlich das Mittagessen, welches die Zugverkäufer anbieten (Reis mit Gemüse). Zum Glück bleibt das folgenlos...
Mit gut einer Stunde Verspätung erreichen wir Margao in Goa wieder - wir haben nun 90 Minuten bis zur Weiterfahrt, sind also doch recht knapp getaktet. Daher reicht die Zeit nicht aus, um den Bahnhof zu verlassen, und so kehren wir zum Essen in die Bahnhofsspelunke ein. Die Nudeln mit Gemüse sind aber erstaunlich lecker, und auch dieses Mahl werden wir wohl unbeschadet überleben.
Am Stand draußen statten wir uns mit Nüssen und Cola aus, und lösen unter dem strengen Blick des Angestellten unsere Rucksäcke aus, dürfen diese aber keinesfalls im Gepäckraum öffnen. Na gut, dann eben draußen auf dem Bahnsteig, wo wir beim Umpacken interessiert von den Umstehen beäugt werden.
Der Zug nach Mumbai fährt relativ pünktlich ein, wir hoffen für die nun folgende 14-Stunden-Fahrt auf etwas mehr Platz als bei der vorhergehenden Etappe. Da unsere gewohnte "Sleeper Class" hier schon ausgebucht war, haben wir uns die bessere, klimatisierte "AC 3-tier Class" geleistet, und wirklich, hier sitzen nur wenige Passagiere, und die sind sichtlich wohlhabender.
Wir machen's uns gemütlich, holen Knabberzeug, Becher, Rum, Mangosaft und Cola heraus und ratschen uns gerade so schön ein, als der Schaffner kommt. Er verkündet, dass wir "upgegradet" wurden und in die noch bessere "AC 2-tier class" umziehen dürfen. Aus unerfindlichen Gründen. Leider müssen wir dazu mit unserem gesamten Gepäck einmal durch den gesamten, fahrenden und damit ruckelnden Zug rennen.
So richtig hübsch ist es in unserem neuen Domizil nicht, eher ist das Abteil schon etwas "verwohnt". Luxuriös ist nur, dass es hier Vorhänge vor den Liegen gibt, immer nur 2 (und nicht 3) übereinander angebracht sind, diese sogar ein klitzeklein wenig länger sind, wie Nitschi feststellt, und uns ein eigener "Wagon-Steward" mit Laken, Decken und Kissen versorgt. Nicht schlecht.
Die Sache mit unserem Rum gefällt diesem Herrn aber gar nicht, offenbar ist Alkohol im Zug verboten, also trinken wir die Flasche ganz schnell aus. Auch in diesem Abteil laufen Verkäufer mit Getränken und Essen durch, allerdings schreien sie nicht ganz so laut. Als "Betthupferl" kaufen wir uns einen Becher "garam" (=heiß) tomato soup im Becher, weil die gar so enthusiastisch angepriesen wird. Die indische Großfamilie mitsamt dauerrülpsender Oma im pastellrosafarbenen Sari bettet sich neben uns zur Ruhe, also legen auch wir uns in unsere schmalen Betten. Wenn man den Vorhang zuzieht, hat es ein wenig Gefängnis- oder Sargatmosphäre, weil man wegen der hochgepriesenen Klimaanlage auch die Fenster nicht öffnen kann. Die sind doppelverglast und wegen der Feuchtigkeit im Zwischenraum angelaufen, so dass man auch nicht rausgucken kann.
So schlafe zumindest ich mehr schlecht als recht, trotz der besseren Klasse ist es auch hier die ganze Nacht über unruhig, mal schreit ein Kind, mal steigen Leute ein und aus, mal läuft Wachpersonal mit Taschenlampen durch, dazu bleibt der Zug auch stetig und über längere Zeiträume einfach mitten irgendwo in der Dunkelheit stehen und fährt dann ruckelnd wieder an...

21.9.11

Ruinen-Besichtigung im Schnelldurchlauf (13.09.2011)

Um 6:30 Uhr verlassen wir unser schönes Hotelzimmer, draußen steht schon ein Taxi für uns bereit. Leider verlangt der Fahrer einen irren Preis, aber in Ermangelung von Alternativen müssen wir wohl oder übel leicht grantig zustimmen. Am Bahnhof von Margao gibt es doch tatsächlich eine Gepäckaufbewahrung; der Angestellte dort ist leider ein wenig ein Korinthenkacker und nimmt seine Vorschriften sehr genau. Bevor er überhaupt auf irgendeine unserer Fragen bezüglich Preis und Procedere antwortet, wiederholt er stoisch zigmal "Lock!" und zeigt dabei auf die Reißverschlüsse unserer Rucksäcke. Ja doch, irgendwann haben wir verstanden und holen unsere Schlösser hervor, er kriegt die Krise, also wir dazu die Rucksäcke öffnen und sagt weiter, schon leicht agressiv, "Lock!!!". Ja-ha, aber dazu müssen wir doch erst den Rucksack aufmachen... Endlich ist alles ordnungsgemäß verstaut und verschlossen, Mara sagt trocken beim Rausgehen aus der Gepäckaufbewahrung: "D'r ganze Bua a Depp!", wir können also unsere Reise nach Hampi nur mit den Tagesrucksäcken antreten.
Am Kiosk kaufen wir Nüsse, Kekse und Wasser als Proviant und trinken noch einen Chai, während schmutzige Kinder und Mütter uns anbetteln. Wir ignorieren sie nach beherztem "No" weitgehend, nur wenn sie uns anfassen, werden wir ungemütlich, das muss nun wirklich nicht sein.
Ein sehr räudiger Hund liegt neben uns, im Gleis stinkt es schon wieder erbärmlich. Hunderte Leute warten bereits, als der Zug endlich einfährt. Wir finden unser Abteil in der Sleeper Class, der Zug ist zumindest in dieser Klasse nicht ganz so überfüllt wie in der billigsten, 2. Klasse.
Die folgenden knapp 8 Stunden Fahrt verbringen wir mit lesen, Kekse essen, Chai trinken - es ist erstaunlich, wie viel Zeit man an einem hellichten Tag mit nichtstuendem Herumliegen vertrödeln kann. Es wird draußen deutlich kühler, sehr hügelig, grün, mit Palmen dicht bewachsen. Kurz nach 15 Uhr, mit nur wenigen Minuten Verspätung, fahren wir in Hospet ein. Mit Rikschafahrer Ravi werden wir nach ausgiebigsten Verhandlungen einig, und los gehts, denn die Uhr tickt!
Zunächst werden wir zum Hauptkomplex der königlichen Tempelruinen chauffiert; Hampi war knapp 300 Jahre eine Hauptstadt mit etwa 500.000 Einwohnern, bevor es Mitte des 16. Jahrhunderts von den konkurrierenden Herrscher platt gemacht wurde. Die Anlage ist riesig, wohin man blickt, stehen verfallene Tempel im Grünen und auf den umliegenden Hügeln. Bevor wir reingehen, kaufe ich mir noch schnell eine frische Kokosnuss und trinke das leckere Wasser.
Drinnen sind wir schon am ersten Tempel die Hauptattraktion einer großen Gruppe indischer Damen. Sie nehmen uns in ihre Mitte, umarmen uns und es müssen zig Fotos davon gemacht werden. Na gut, wenigstens kommen wir so endlich mal zumindest kurz mit Frauen in Kontakt, und die Ladys sind auch wirklich sehr lieb und winken uns noch eine Weile nach. Sie sind wunderschön in ihren knallbunten Saris, hach, diese Farben!
Auf eigene Faust stromern wir nun im Schnellgang über das Gelände, vorbei an ehemaligen Elefantenställen mit eigener Garage für jedes Tier. Es tollen Streifenhörnchen herum, und einige Bauarbeiter(innen) sind am Werkeln - offenbar soll noch vieles mehr wiederaufgebaut und restauriert werden, die hinduistische Stätte gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Wieder draußen, erwartet uns unser Fahrer und bringt uns zum nächsten sehenswerten Gebäude, dem ehemaligen Bad der Königin. Wir müssen uns nun ein wenig beeilen, denn alles wird um 17 Uhr geschlossen, und wir haben noch 5 Minuten bis dahin. Aber wir nehmen uns einfach die Japaner zum Vorbild, wenn die Europa in 8 Tagen bereisen können, schaffen wir auch die Ruinen Hampis in den uns insgesamt zur Verfügung stehenden 90 Minuten. Im Bad scheucht uns der "Bademeister", ein alter Mann mit Stock, einmal rundherum, zeigt im Schnelldurchlauf hier einen Balkon, dort ein vermodertes Relief, sagt im Befehlston ab und zu "Photo!", und ist ein bisschen beleidigt, weil wir ihm kein Trinkgeld geben wollen. Schnell beschleunigen wir unseren Schritt, draußen balgen sich vier Affen um den Inhalt eines Mülleimers, und wir hüpfen wieder in die Rikscha.
Ravi bringt uns wilder Fahrt - es geht kurvig 5 km lang um noch viel mehr alte Tempel, verfallene Paläste und Häuser herum - nach "Hampi City". Das Dorf wirkt sehr mittelalterlich, die paar vorhandenen Häuser sind grade mal ein Stockwerk hoch, viele davon sind verfallen oder wirken verlassen. Mitten auf der Straße steht eine rostige, aus Wellblechplatten zusammengezimmerte Art Kirche. Die Hauptattraktion ist aber natürlich der Virupaksha-Tempel, eine wichtige Hindu-Gebetsstätte und Ziel vieler Pilger.
Bevor wir ihn betreten, kaufen wir noch Cola zur Stärkung und einen Haufen Bananen bei einer Straßenhändlerin. Denn drinnen im Tempel steht die 22jährige Elefantendame Lakshmi, die begierig nach unseren Bananen rüsselt und sich dafür geduldig streicheln lässt. Gegen ein paar Rupien würde sie uns noch segnen, erzählt der Elefanten-Wallah, aber wir finden, Bananen sind genug. In Ruhe schauen wir uns den relativ großen Tempel an, nur beäugt von den vielen Affen, die wohl auf unsere Cola spitz sind. Also lieber schnell austrinken.
Vor dem Eingang wartet Ravi immer noch auf uns und bringt uns zum Hotel Gopi, wo wir ein kleines Doppelzimmer mit Extramatratze auf dem Boden beziehen, das Mara mit geübtem Augenaufschlag auch noch im Preis runterhandelt.
Schnell wollen wir nochmal raus, bevor's endgültig dunkel wird, und shoppen in der Bude nebenan toll glitzernde Hindu-Götterpostkarten in rauhen Mengen. Leider sind die beiden Geldautomaten, die im Reiseführer eingezeichnet sind, wahlweise geschlossen oder das Gebäude ist nur noch eine Ruine. Ich bin komplett blank, und so müssen wir mit der Rikscha ins nächstgelegene Dorf fahren, um an Geld zu gelangen. Ganz passend geht gerade während der Fahrt zwischen den vielen Ruinen am Horizont die Sonne in spektakulärem Rosa unter. Allein dafür lohnen sich die acht Stunden Zugfahrt.
Und für das Restaurant Mango Tree, direkt am Fluss gelegen, eine Art Lounge mit tollem Essen (Falafel! Salat!), lecker Cola (na gut, vor allem lecker, weil wir sie mit unserem mitgebrachten Rum aufpeppen - in Hampi ist Alkohol nämlich strikt verboten, der Ort ist schließlich heilig), zirpenden Grillen, wir sitzen im Kerzenschein unter Bäumen, nur die Mosquitos sind angriffslustig. Aber zum Glück haben wir ja Nitschi dabei, die im Zweifelsfall eh das beliebteste Opfer ist.
Als wir die letzten Gäste sind, werden wir von einem Bub mit Taschenlampe durch einen Palmengarten zur Straße zurück geleitet, dafür stecken wir ihm doch gerne ein paar Münzen zu und laufen noch die paar Meter im Stockdunklen zurück ins Dorf. Hier gibt es mehr Internetcafés als in ganz Kalkutta, also lassen wir uns das nicht entgehen, und sitzen mal wieder für 1-2 Stunden am Computer. Draußen muht hin und wieder eine Kuh, drinnen sitzt ein riesiger Grashüpfer zwischen den verstaubten PCs.
Im Hotel richte ich's mir gemütlich auf der Matratze am Boden ein, immerhin finden wir im Flur ein Regal, in dem die Handtücher aufbewahrt werden. Die Trekkinghandtücher in meinem Rucksack sind nämlich nicht mehr ganz so taufrisch...

17.9.11

Please insert card (12.09.2011)

Die Betten hier sind herrlich, und so liegen wir wach ab frueh morgens faul herum und koennen uns nicht davon trennen. Wieder gibts Kaffee ans Bett, draussen scheint schon die Sonne. Na gut, gegen 9 Uhr raffen wir uns auf und gehen zum Fruehstuecksbuffet. Heute gibts frische Melone, Ananassaft, Vitamine also!
Nach dem Essen duerfen wir fuer 1 Stunde wieder an den PC im Buero, dort versuchen wir, unseren Ausflug nach Hampi und unsere Weiterfahrt nach Mumbai zu organisieren.
Gar nicht so einfach, denn es stellt sich heraus, dass der Hotelmanager, der freundlich all unsere Fragen beantwortet, keine Ahnung hat, wovon er spricht. So erzaehlt er uns felsenfest ueberzeugt, dass die Fahrt nach Hampi mit dem Zug 4 Stunden dauert. Laut Online-Fahrplan dauerts dann aber doch fast doppel so lange, was bei unserer Planung einen gewaltigen Unterschied macht. Ausserdem gibt er verwirrende Auskuenfte daruber, wie lang man vom Bahnhof ins Stadtzentrum braucht - letzten Endes stellt sich heraus,  dass die Angestellten alle selbst noch nie in Hampi waren und aber wie alle Inder mal wieder nicht zugeben koennen, dass sie nix darueber wissen.
Wir recherchieren also lieber selbst, zu unserem Entsetzen stellen wir fest, dass die meisten Zuege schon ziemlich ausgebucht sind, also muessen wir ein wenig hin- und herjonglieren, dann haengt das Online-Buchungssystem, schliesslich geht die Kreditkarte nicht... Endlich ist alles fertig, auch die Hotels in Hampi und Mumbai sind per Mail angefragt und reserviert Wir fluechten aus dem Buero, denn bei allem, was wir im Internet gemacht haben, wurde uns interessiert ueber die Schulter geguckt, auch als Nitschi kurz hoeflich darauf hinweist, dass sie gerde ihre Kreditkartendetails eingibt. "In Laender wie diesen" gibt es eine ganz eigene Definition von Privatsphaere.
Jetzt muessen wir aber dringend an den Pool, es folgt vierstuendiges komatoeses Herumliegen, ich schwimme eine Weile, lese, doese, schreibe Tagebuch, irgendwann bestellen wir Lassis. Heute brennt die Sonne ziemlich vom Himmel, zum Glueck finden wir einen Schattenplatz. Rund um den Pool bluehen Hibiskus- und Frangipanibuesche in allen Farben, und gemaeht wird heute gluecklicherweise nicht.
Am spaeten Nachmittag laufen wir nochmal zum Meer, auf dem Weg dorthin fragt uns der am Hoteleingang herumlungernde Mann wieder einmal, ob wir ein Taxi braeuchten. Sehen wir so aus, im Badeanzug, mit Flipflops und mit Handtuechern in der Hand???
Im Meer gibts heute ganz schoen hohe Wellen, weiter als bis zum Bauch trauen wir uns daher nicht rein, dafuer tollen wir umso wilder in den Brechern herum. Das Wasser hat vielleicht 25/26 Grad.
Als wir uns im Sand sitzend ausruhen, steuern sofort drei Inderinnen in Saris auf uns zu und wollen uns ein Gespraech aufzwingen, das unweigerlich darin enden wird, dass sie uns irgendwas verkaufen wollen. Also sind wir wortkarg, aber die Damen glauben, wenn sie uns nur oft genug anquatschen, geben wir irgendwann auf. Sie setzen sich ungefragt dicht neben uns, obwohl wir vorgeben zu schlafen, und belaestigen uns weiter, bis ein Inder eingreift und die Nervbacken verscheucht. So richtig verstehen wir diese ewige Anquatschtaktik nicht. Als ob man, wenn man einmal "Nein danke" gesagt hat, durch staendiges Weiterbohren doch noch zum Kauf ueberredet werden kann. Wahrscheinlich denken die, dass man einfach irgendwann entnervt aufgibt und kauft, um seine Ruhe zu haben.
Inzwischen sind wir auch dazu uebergegangen, auf die Frage nach unserer Herkunft, die einem jeder dahergelaufene Passant und Schulbub ungefaehr 50x am Tag stellt, mit "Liechtenstein" zu beantworten. Ich wurde daraufhin von einem aelteren Herrn sogar der Luege bezichtigt:" This country doesn't exist, I never heard that before!" Und unsere richtigen Namen sagen wir auch schon lange nicht mehr, stattdessen sind wir Heidi, Anna und Maria.
Da die Stranderholung fehlgeschlagen ist, gehen wir duschen und danach in der Daemmerung nochmal in den Ort. Der Liquor Store hat gluecklicherweise geoeffnet, wir kaufen eine 0,75l-Flasche "Old Monk" Rum fuer 2 Euro, verkauft wird das Zeug praktischerweise in einer Plastikflasche, vie besser im Gepaeck als Glas!
Wir muessen relativ lange suchen, bis wir ein Internetcafe finden, offenbar fuehren die meisten Geschaefte so kurz vor Saisonbeginn eine Rundumerneuerung durch und sind daher momentan geschlossen. Ueberall sind Schilder in Kyrillisch angebracht, das laesst darauf schliessen, dass hier offenbar viele russische Touristen Urlaub machen.
Im Internet versuchen wir, eine bessere Zugverbindung nach Mumbai zu finden, leider erfolglos, wir mailen und ich rufe fuer 10 Minuten Norman an. Seit knapp 2 Wochen sprechen wir endlich miteinander, wenn auch nur kurz. Praktischerweise ist das Internetcafe gleichzeitig eine Eisdiele, und so trauen wir uns an drei Kugeln sehr leckeres Baskin-Robbins-Eis fuer den Rueckweg.
Im HOtel gehts direkt ins Restaurant, und wunderbarerweise wurde offenbar eine neue CD entdeckt, es toenen Nirvana und die Rolling Stones aus den Lautsprechern. Nitschi bestellt ein Linsengericht, das ein wenig aussieht wie ein Kuhfladen, Mara und ich essen Nudeln mit Gemuese und Salat, alles ist sehr lecker.
Bevor wir in unser Zimmer gehen, wollen wir noch die offenen Rechnungen bezahlen, da wir am naechsten Morgen frueh aufbrechen muessen. Der junge Mann an der Rezeption scheint das Kartenlesegeraet zum ersten Mal in seinem Leben zu bedienen. Irgendwie klappt es mit meiner Karte nicht, er haendigt mir diese nach mehreren Fehlversuchen aus und behauptet, sie wuerde nicht funktionieren. Auf meine Nachfragen, was denn auf dem Geraet als Fehler angegeben ist, antwortet er: "Please insert card." Aha.
Nitschi gibt ihm also ihre Karte, da ist Diskutieren ueberfluessig, aber erst nach zwei Telefonaten mit wem auch immer kann der junge Mann das Ding richtig bedienen und die Zahlung abwickeln.
Nachdem das geschafft ist, koennen wir uns auf dem Balkon unserem Rum widmen, mit Cuba libres in der Hand sitzen wir in der lauen Ncht und beobachten, wie ein Gecko ein der Wand einen Kaefer frisst, der groesser ist als er selbst.
Obwohls draussen sehr gemuetlich ist, muessen wir uns irgendwann aufraffen, unsere Rucksaecke zu packen. als musikalische Untermalung laeuft MTV India mit den neuesten Bollywood-Hits im Fernsehen. Davon lassen wir uns bis zum Einschlafen berieseln.

Poolnixen (11.09.2011)

Sehr frueh am Morgen bricht Hektik in unserem Zimmer aus - es regnet heftig, und in Windeseile sind wir wach und holen unsere saemtlichen Klamotten, Rucksaecke, Schals und Schuhe vom Balkon rein, dann lauschen wir dem prasselnden Regen, waehrend wir im Bett liegen und doesen.
Um 8 Uhr serviert Nitschi Kaffee ans Bett, wir haben naemlich einen Wasserkocher und Kaffeepulver im Zimmer, es ist geradezu luxurioes. Irgendwann schaffen wir es aufzustehen, und bewegen uns hinunter ins Restaurant. Dort gibt es ein annehmbares Fruehstuecksbuffet, wir stuerzen uns auf das frisch aufgeschnittene Obst (Ananas und Papaya), wie lecker, endlich wieder Obst!!! Leider gibts nur fettigen Chai und keinen Kaffee, aber sonst ist alles da, was gluecklich macht, sogar Muesli mit Nuessen!
Nach dem Fruehstueck belagern wir das Buero des Hotels, drin steht der einzige Computer mit Internetzugang, der fuer die Gaeste zugaenglich ist. So recherchieren wir ein wenig unsere Weiterreise und checken Mails. Immer wieder prasselt draussen derweil ein heftiger Schauer runter. Also koennen wir solange eh nix unternehmen und sortieren im Zimmer unsere Waesche zum Trocknen hin und her.
Dann wagen wir uns - es scheint nun trocken zu bleiben - in die zu Fuss etwa 20 Minuten entfernte "City" von Colva. Wir laufen entlang von Kokospalmen, Fischerhuetten, einigen verrammelten Lokalen, es ist eindeutig Nebensaison in Goa.
Auf einer Muellhalde an der Strasse frisst sich ein Schwein den Bauch voll, an einem Stand leistet Mara sich neue Flipflops und entsorgt ihre alten, die seit Varanasi mit Tape geflickt sind. Leider hat der Liquor Store heute geschlossen, im sehr christlich gepraegten Goa ist der Sonntag also auch heilig.
Beim Rueckweg spazieren wir gemuetlich am Strand entlang. Dort ist der indische Sonntagsausflug im Gange, ausser uns sind keine Weissen zu sehen. Auf den ersten paar Metern werden wir von diversen Maedchen angesprochen, die uns Hennatattoos oder Schmuck verkaufen wollen. Hin und wieder zueckt auch mal wieder einer sein Handy und schiesst heimlich ein Foto von uns.
Es ist gerade Flut und zudem recht windig, die Wellen sind hoch und ueberall wird die rote Flagge als Warnung gehisst. Nicht weit draussen sind Dutzende Fischerboote unterwegs, auch am Strand reihen sich einfache Boote aneinander, die gerade mit Netzen bestueckt werden.
Daneben schleppen Kinder koerbeweise Fische an Land und werfen schuesselweise Fischinnereien einfach zurueck ins Meer. Die Kraehen sind darueber begeistert, Moewen gibt es hier nicht.
Nach dem Fussmarsch, bei dem Fuesse und Hosenbeine durch die Wellen doch ein wenig nass geworden sind, lassen wir uns auf den Liegen am Pool nieder und bleiben fuer den restlichen Nachmittag alleine dort. Es ist wunderbar, ich lese, doese, zwischendurch gibts einen Lassi. Waehrend Mara und Nitschi sich im Spa massieren lassen, schwimme ich endlich wieder einmal richtig viele Bahnen.
Ein wenig nervt nur der Angestellte, der mit einem Rasentrimmer in Seelenruhe und ueber Stunden den gesamten Rasen der Anlage maeht. Daneben saeubert sein Kollege mit dem Dampfstrahler die Fliesen rund um den Pool, auch das bedaechtig und mit vielen Pausen. Hier wird nicht gehetzt!
Gegen 17 Uhr schnappe ich mir T-Shirt und Ipod und gehe zum ersten Mal seit 6 Wochen laufen - barfuss, am Strand. Ich jogge etwa 4 km nordwaerts, an Fischern, cricketspielenden Jungs, Lifeguards vorbei, ueber Muscheln und durch die Wellen. Die indischen Spaziergaenger gucken zwar interessiert, lassen mich aber in Ruhe. Der Strand ist endlos, man kann wohl gut 20 km problemlos entlanglaufen. Ich drehe nach einer halben Stunde um und renne zurueck. Wieder am Ausgangspunkt angekommen, dehne ich mich ein wenig mit den Fuessen im weichen Sand, und huepfe dann zur Abkuehlung noch ins Meer. So eine Laufstrecke haette ich gerne oefter!
Obwohl ich im Badeanzug wirklich zuechtig bekleidet bin, gucken die Inder doch sehr interessiert. Ein komisches Verstaendnis vom Angemessen-Gekleidet-Sein haben sie ja schon. Sobald man/frau Schultern oder sogar Knie zeigt, wird man begafft. Aber die indische Frau zeigt im Sari einen dermassen nackten Bauch, das stoert hier weiter keinen. In allen Faellen ist dieser Bauch auch noch leider sehr unansehnlich, denn die indische (verheiratete) Frau ist ziemlich dick, sobald sie Mutter ist. Bei uns ist der Bauch bei Frauen die Koerperstelle, die als erstes gut verpackt wird, sollte sie nicht ganz so knackig sein, hier dagegen bekommt man nackte Baeuche zu sehen, die man niemals haette sehen wollen. Auch Sport macht hier (zumindest in der Oeffentlichkeit) keiner...
Zurueck im Hotel huepfe ich nochmal in den Pool, die Maedels kommen dazu und wir kriegen wieder unseren Volleyball zugeworfen. Damit spielen wir noch ein Weilchen herum, bevor wir uns in der Dusche den Sand abwaschen. Die Handtuecher auf unseren Betten sind liebevoll in Tierfiguren gefaltet, und die frisch gewaschene Waesche wird geliefert und riecht herrlich sauber.
Hungrig gehts ins Restaurant, wir wagen uns an indische Gerichte, die leider nicht punkten und viel zu fettig sind - siehe oben. Aber der Papayasalat und der griechische Salat sind super! Leider ist mein Magen ein bisschen empfindlich, fuer mich gibts daher keinen Cocktail heute. Wir spielen das lustige Wuerfelspiel "Schweinerei", bis uns die Musik im Restaurant so nervt (seit 2 Tagen laeuft die gleiche CD mit Gruselsongs von UB40 und Bryan Aadams, hilfe!), dass wir auf unseren Balkon fluechten und dort noch ein wenig weiterzocken.

Meer! Strand! Frische Handtuecher! Saubere Betten! (10.09.2011)

Um 6 Uhr duerfen wir endlich aufstehen - ich will mir sofort den Bettmief abwachen, leider ist wohl das Wasser der Dusche ueber Nacht abgestellt worden, also gut, dann gibts eben nur eine Katzenwaesche. Waehrenddessen packen Mara und Nitschi weiter ihre Sachen zusammen, und entdecken dabei einige Kaefer, die rund um und in unsere Rucksaecke krabbeln. Aber auch das ist uns schon vollends egal.
Draussen muessen wir die auf dem Boden schlafenden Angestellten wecken, denn das Tor zur Strasse ist abgeschlossen. Dort kommt schon der erste wache Taxifahrer auf uns zu, macht uns sogar gleich ein vernuenftiges Angebot und bringt uns in gut halbstuendiger Fahrt zum Flughafen.
Auf den regennassen Strassen ist zwar noch nicht viel Verkehr, dafuer sind schon viele Menschen unterwegs und beginnen ihr Tagwerk. Der Inder ist ein Fruehaufsteher!
Wir fahren am "Huehnermarkt" vorbei, wo zerzaustes Federviel an den Fuessen zusammengebunden, noch lebendig in Buendeln auf der Strasse liegt und vor sich hinzappelt. Es stinkt zum Gotterbarmen. Daneben putzen sich Menschen auf den Gehwegen die Zaehne, waschen sich notduerftig, manche liegen noch in Decken eingewickelt und schlafen. Auffallend ist wieder, wie maennerlastig die Oeffentlichkeit ist, nie sind Frauen zu sehen. Die werden wohl zuhause versteckt, wir hatten die ganze Reise bisher praktisch nur Kontakt mit Maennern, von ein paar Bettlerinnen einmal abgesehen.
Beim Check-In am Flughafen wird uns zunaechst eroeffnet, dass wir ggf. auf einen besseren Flug umbuchen koennen, nach ein wenig Hin- und Herrennerei klappts aber doch nicht, wieder mal wusste der eine Angestellte nicht, was der andere macht und umgekehrt. Das Gepaeck wiegt im Durchschnitt 16 kg pro Person, das ist also noch im Rahmen.
Dann gibts erst einmal Kaffee und Sandwiches, waehrend wir knapp 2 Stunden auf den Abflug warten. Natuerlich muessen auf dem Weg ins Flugzeug zehn verschiedene Angestellte unsere Bordkarten und Gepaeckanhaenger kontrollieren und stempeln, schliesslich muessen die ganzen Menschen in diesem riesigen Land ja irgendwie beschaeftigt werden. Trotzdem faellt keinem auf, dass ich eine Literflasche Wasser mit durch den Security Check und mit ins Flugzeug nehme, ich bemerke die Flasche auch erst beim Einsteigen.
Wir fliegen knapp 3 Stunden nach Mumbai und landen dort mittags bei 39 Grad und dichter Bewoelkung.
Zum Glueck duerfen wir gleich wieder ins klimatisierte Flughafengebaeude. Auch hier werden wir wieder zigfach kontrolliert und durchleuchtet, und wieder darf meine Wasserflasche unbeschadet mit durch. Seltsam.
Am tollsten sind die Inderinnen beim Sicherheitspersonal, die uns immerzu abtasten, und die tatsaechlich einen offiziellen Polizei-Sari in Olivgruen mit Abzeichen auf der Schulter tragen.
Im Mumbaier Flughafen essen wir zu mittag - der Inder, egal ob Verkaeufer oder Kunde, geht auch hier alles seeehr relaxt an - und spruehen uns dann in einem Geschaeft selig mit Parfuem ein. Endlich riechen wir wieder mal richtig lecker, was zunaechst zu Irritationen fuehrt ("Was riecht denn hier so gut? Ach, das bin ja ich?!").
Um halb drei startet dann unser JetAirways-Flug nach Goa, knapp eine Stunde spaeter landen wir, es ist sehr gruen und huegelig draussen, man sieht schon das Meer, und es hat 31 Grad.
Gut 4 Stunden Flugzeit waren es nun insgesamt ab Kalkutta, das ist wirklich ziemlich gross...
Als wir unsere Rucksaecke wiederhaben, sind die Regenhuellen, die zum Schutz aussenrum gemacht wurden, vollkommen verdreckt und haben damit ihren Zweck bestens erfuellt.
Vor dem Flughafen leisten wir uns ein Prepaidtaxi, einen richtigen Kleinbus, der uns die 30 km nach Colva in unser Hotel bringt. Im Auto dreht der Fahrer eine Art "Hindi-Latino-Pop" auf, dazu fahren wir ueber gruene Huegel mit Palmen, die Strassen sind relativ sauber, es wird kaum gehupt, rechts und links stehen immer wieder sehr huebsche Villen im Palmenwald - wir fuehlen uns ein wenig, als seien wir in einem anderem anderen Land als noch am Morgen.
Kurz darauf fahren wir an der Rezeptions des Hotels Beleza vor. Der Fahrer ist recht grantig, als wir ihm das Trinkgeld verweigern, aber die Fahrt war nun wirklich schon teuer genug. Im Hotel werden wir nett empfangen, es gibt ein Glas kalte Limo, und dann beziehen wir unser Reich fuer die naechsten 3 Naechte: ein wunderschoenes Zimmer, mit riesigem Balkon zum Garten, und das Bad ist eine Wucht! Die Laken sind bluetenweiss, es gibt Handtuecher in Huelle und Fuelle und eine Minibar. Damit kann man uns nach der letzten Nacht wirklich gluecklich machen!!!
Hektisch beginnen wir, unsere stinkigen Schlafsaecke und die klammoen Klamotten aus den Rucksaecken zu raeumen, nach wenigen Minuten ist eine Waescheleine ueber den Balkon gespannt, und alles haengt zum Lueften draussen, auch die leeren, muffligen Rucksaecke.
Es ist inzwischen halb sechs, schnell gehen wir die paar Meter zum Strand und huepfen noch ins Meer, gerade ist Ebbe, trotzdem reichen die Wellen aus, um wie die Kinder drin herumzutollen. Der Strand ist ansonsten nur von ein paar indischen Spaziergaengern bevoelkert.
Als wir aus dem Wasser kommen, wollen ein paar Halbwuechsige unbedingt Fotos von uns machen, zuechtig wickle ich mich vorher aber lieber noch ins Handtuch.
Auf dem Hotelgelaende probieren wir den menschenleeren Pool aus, ein Angestellter wirft uns einen Volleyball zu, und damit sind wir ein Weilchen beschaeftigt und haben viel Spass. Als die Sonne untergeht, gehen wir aufs Zimmer, und zur Kroenung gibts einen Cuba libre mit unseren mitgebrachten Rumresten aus Delhi, die Nitschi im Flachmann bis hierher gerettet hat. Es wird ausgiebigst geduscht, und schliesslich treibt uns der Hunger ins hoteleigene Restaurant unten am Pool.
Fuer indische Verhaeltnisse ist es dort ziemlich teuer, dafuer ist alles aber auch wirklich sehr lecker. Ausser uns sind noch ca. 10 andere Gaeste da, groesstenteils Inder. Es gibt Bier und Longdrinks zum Essen, in der Kueche stehen mehr Koeche mit schicker Kochmuetze, als Gaeste da sind, es ist wunderbar warm draussen und fast Vollmond.
Spaeter im Zimmer, im sauberen Bett mit richtiger (!) Matratze lesen wir noch eine Weile. Draussen quaken die Froesche und zirpen die Grillen, heute gehts also wahrscheinlich ohne Oropax!

15.9.11

Na endlich: Monsun! (09.09.2011)

Nachts ist es unfassbar heiss, wegen des Regens muessen die Luken unter Deck geschlossen bleiben, und so schwitzen wir vor uns hin. Erst gegen Morgen klart es auf, und ein Lueftchen weht durch die Kojen. Draussen biselt der Steuermann laut vernehmlich ueber die Reling, und angelt anschliessend im selben Wasser... Bin ich froh, dass wir alle das vegetarische Essen gebucht haben!!!
Nach dem Aufstehen lungern wir wieder an Deck herum, werden fleissig mit heissem Chai versorgt, um kurz nach 8 Uhr gibts Fruehstueck, natuerlich wieder ein pikantes Kartoffelcurry mit im Fett rausgebackenen Fladen. Sehr gesund bestimmt. Ein wenig grummeln uns allen die Baeuche nach dem vielen indischen Essen der letzten Tage.
Gegen halb 10 brechen wir auf, zunaechst zu Fuss die paar Meter vom Boot ueber glitschigen Matsch zum Uferweg, ganz vorsichtig, um ja nicht im Dreck auszurutschen. Am Weg wartet schon wieder eine Fahrradrikscha auf uns, wir werden auf die Ladeflaeche komplimentiert, und unser Fahrer liefert sich wilde Rennen mit seinen Konkurrenten. Wir hoppeln dabei wild ueber Stock und Stein, waehrend uns sein Schweissgeruch um die Nase weht. Fasziniert sind wir von den Beleuchtungsapparten der Fahrraeder, oft ist vorne einfach ein kleines Petroleumfaesschen mit Docht angebracht. Unverzichtbares Accessoire sind auch die fantasievollen Hupen und Klingeln.
Nach etwa 30 Minuten erreichen wir den Bootsanlegesteg, die erste selbstgezimmerte Schaluppe ist schon recht voll, wir beschliessen, die naechste abzuwarten. In dem Moment, also wir auf deren schlecht zusammengefuegten Planken sitzen, beginnt es zu regnen - und es schuettet die gesamte naechste halbe Stunde ohne Unterlass immer staerker und staerker, waehrend wir ungeschuetzt im Freien sitzen. Irgendwann laeuft das Wasser in die Regenjacken und Schuhe, als wir endlich am Festland ankommen, triefen wir nur noch vor uns hin. So nass bis auf die Unterhose war ich schon lange nicht mehr.
In einer Garage improvisiert AJ mitleidig eine Art "Umkleidekabine" aus aufgehaengten Tuechern fuer uns, nur leider geben unsere kleinen Rucksaecke kaum frische Klamotten her, und so binde ich mir einfach mein Handtuch als Rock um. Ein wenig kess zwar, aber wenigstens trocken.
Die nassen Sachen werden ausgewrungen, und wir quetschen uns etwas ernuechtert wieder in den Jeep, der schon zu unserer Abholung bereit steht, und der sofort innen komplett beschlaegt.
Wie sich im Folgenden herausstellt, funktioniert der Frontscheibenwischer nicht, was recht unpraktisch ist, da kein Ende des Regens in Sicht ist. Der Fahrer haelt aber einfach in aller Seelenruhe alle Stunde an, pflueckt ein Palmblatt und wischt damit aussen ueber die Scheibe, das Wasser perlt daraufhin doch tatsaechlich fuer die naechsten drei Minuten recht professionell ab. Er faehrt leider trotzdem wie eine gesengte Sau, zum Glueck tragen die Frauen hier alle so bunte Saris, sonst wuerde er wohl alle Dorfbewohnerinnen am Strassenrand, auf Rikschas und Raedern ueber den Haufen fahren. Die Maenner sieht er immer erst in der letzten Sekunde. Mehrmals koennen Hunde, Schafe und Enten im allerletzten Moment grade noch zur Seite huepfen. Ich versuche, nicht mehr vorne auf die Strasse zu schauen, sondern betrachte eingehend die Palmen links am Strassenrand, das ist besser fuer die Nerven, bin aber nach der Haelfte der Strecke schon wieder komplett zermuerbt. Auch Nitschi bittet prophylaktisch zwischendurch um Vomex-Tabletten.
Kurz vor Kalkutta soll ich, wieder auf dem Beifahrersitz sitzend, den Sicherheitsgurt anlegen. Als ich nach dem nichtvorhandenen Einstecker suche, wird mir versichert, dass es, falls die Polizei reinguckt, vollkommen genuegt, wenn ich den Gurt einfach nur festhalte. Aha.
Nach weit mehr als dreieinhalb Stunden Fahrt erreichen wir Kalkuttas Innenstadt und das Buero des Touranbieters. Dort wird uns noch ein Hotel empfohlen, wir nehmen unsere grossen Rucksaecke in Empfang, verabschieden uns und marschieren durch den Nieselregen im Handtuckroeckchen ins Hotel Delite.
Der Name ist leider nicht Programm, wir beziehen dort ein winziges, schmuddeliges, schimmliges Zimmer ohne Fenster, das aber wenigstens nur 800 Rupien pro Nacht kostet und fuer die eine Nacht genuegen wird. Das ganze Etablissement hat den Charme eines Stundenhotels, mit roter Lampe innen und Klingel aussen an der Zimmertuer. Auch die Angestellten sind ein wenig zwielichtig.
Wir sind alle ein wenig angeschlagen und ziemlich ernuechtert, unsere Sachen sind alle nass oder zumindest klamm, und auch, nachdem Waescheleinen gespannt und Klamotten aufgehaengt sowie Turnschuhe mit Zeitungen ausgestopft wurden, ist es eindeutig klar, dass in diesem per se schon feuchten Zimmer sicher nichts bis zum naechsten Morgen trocknen wird.
Nun gut, wir brauchen jetzt erst mal was zu essen. Im Blue Sky Cafe gegenueber gibts Suppe, Lassis und Pizza, und als die Lebensgeister wieder halbwegs geweckt sind - inzwischen ist es auch schon halb 5 - lassen wir uns mit dem Taxi zur Hauptpost fahren. Das Gebaeude, im Fuehrer als Sehenswuerdigkeit gepriesen, ist zwar ganz huebsch, weiss, im Kolonialstil, aber leider wie auch der ganze Rest Kalkuttas von der Dauerfeuchtigkeit total verrottet.
Drinnen muessen wir zu drei verschiedenen Schaltern, um Briefmarken fuer unsere Postkarten und die dazugehoerigen Stempel zu kriegen, mal schauen, ob und wann die wohl ankommen. Zu Fuss spazieren wir durch den Stadtteil  BBD Bagh zurueck, es ist unglaublich, wie viele Menschen sich auf den Gehwegen draengeln. Zu allem Uebel stehen auch noch dicht an dicht Strassenhaendler mit Tand und vor allem mit viel fettigem Essen am Rand, es ist ein immerwaehrendes Geschiebe. Ploetzlich habe ich eine fremde Hand am Hintern, drehe mich um und schreie laut den jungen Mann an, der hinter mir laeuft. Zunaechst grinst er noch daemlich, dann erschrickt er aber doch und macht sich davon.
Als wir endlich am "New Market" ankommen, sind wir mit den Nerven ein wenig runter und daher nicht unbedingt in bester Shoppinglaune. was die ganzen sich aufdraengenden und uns verfolgenden Verkaeufer aber nicht weiters interessiert. Mara liebaeugelt kurzzeitig mit einem Salwar Kameez, ist aber entsetzt ueber die Hosengroesse (es gibt die nur in Einheitsgroesse XXXXXXL mit Schnur zum Zubinden, fuer jedermann passend), und moniert beim Haendler: "I'm not an elephant!". Sofort steht der naechste findige Verkaeufer bei Fuss, hat keine Ahnung, um was es geht, mischt sich aber trotzdem ein: "Oh, if you're looking for something with an elephant print, I have lots of trousers with elephants!" Aaaaah, so geht das die ganze Zeit, wir werden wortkarg und fluechten.
In einem Geschaeft werden wir von einem aelteren indischen Herrn auf Deutsch angesprochen, er ist Arzt, hat lange in Deutschland studiert und praktiziert und ist aeusserst kultiviert. Wir unterhalten uns eine Weile mit ihm, er warnt uns vor den Abzockern in der Markthalle - so dicht beeinander liegt hier der Aerger ueber die Inder und andererseits auch die Freude ueber deren Freundlichkeit.
Schliesslich sind wir wieder in unserer "Heimat", der Sudder Street, wo wir fuer 2 Stunden in einem Internetcafe vor dem Wahnsinn draussen verschwinden. Waehrend ich blogge, informieren Nitschi und Mara sich ueber Hotels in Goa, und buchen schliesslich drei Naechte im Beleza Resort in Colva. Die Bilder sehen traumhaft aus, mit Strandzugang, Pool, Spabereich - und das 3er-Zimmer kostet nur 40 Euro pro Nacht. Hurra, ein Lichtblick! Wir sind begeistert, die Vorfreude ist gross. Und da es schon 21 Uhr ist und wir nur moeglichst wenige Stunden im schrecklichen Hotel verbringen wollen, gehen wir wieder in unsere Stammkneipe, das "Super Pub" gegenueber.
Der Tuersteher begruesst Nitschi sogleich mit Handschlag, drinnen freuen sich die Kellner wieder sehr ueber unseren Besuch, obwohl oder weil wir weit und breit die einzigen Damen sind. Kurz darauf stehen Bier, Chips, Veggie Burger und spaeter Gin mit Limejuice vor uns, die Kellner tragen schwarze Westen und weisse Hemden, das Ambiente erinnert an Bilder aus Bars im Havanna der 50er Jahre.
Wir bleiben bis zur Sperrstunde um 23 Uhr, gehen dann unwillig ins Hotel und in unser muffliges Zimmer, in dem die nassen Klamotten vor sich hinmodern. Im Ausguss des Waschbeckens stinken dazu Mottenkugeln uebelkeiterrengend vor sich hin. Die Frage ist, wie es wohl stinken wuerde, wenn die nicht drin liegen wuerden.
Wir packen und versuchen ganz schnell einzuschlafen, es ist abartig warm, aber der Ventilator droehnt viel zu laut, als dass man ihn ueber Nacht laufen lassen koennte. Mara ermahnt durchs Fenster zur Lobby, das auch noch vergittert ist (Gefaengnisfeeling) die im Flur laut herumkrakelenden Angestellten zur Ruhe.
Nachts wache ich um 2 Uhr auf und bin froh, dass der Wecker schon vier Stunden spaeter klingeln wird...

Fishermen and Honeycollectors (08.09.2011)

Sehr frueh, ich glaube, es ist kurz nach 6 Uhr, kommt Leben ins Schif, es wird rumort, aber wur haben eh ausgeschlafen und lungern faul auf unseren Betten herum. Eine nette Inderin (keine Ahnung, wo die auf einmal herkommt), bringt uns Chai, und um 7 Uh wird der Anker gelichtet. Wir fahren los zum Museum des Sundarbans Tiger Reserve auf der Nachbarinsel. Ganz indianlike versuchen wir dort unser Glueck in Flipflops, werden aber auf dem vollgeregneten, glitschigen Boden belehrt, dass das wohl fuer uns ungeuebte Europaer nix ist.
Im Museum gibts nun wirklich nicht viel zu sehen, ein paar Fotos von Tieren und Pflanzen, die im Reservat heimisch sind, draussen gibts noch ein paar Teiche mit angeblich Tieren drin, ausser einem kleinen Krokodil ist aber auch von dort nichts Nennenswertes zu berichten. Ach doch: eine giftige Schlange kriecht ueber den Weg, aber das scheint ausser uns niemanden zu kuemmern.
Fuer den gesamten Tag haben wir als Begleiter einen offiziellen Nationalpark-Guide mit dabei, er kommt mit uns zurueck aufs Boot, und im Folgenden schippern wir die naechsten 8 Stunden lang durch die Kanaele und verbringen die Zeit mit der Suche nach Tieren in den Mangrovenwaeldern auf den Inseln rundherum.
Unterbrocen wird das Ganze durch regelmaessige Nahrungszufuhr, zum Fruehstueck gibt es fettiges Brot mit Kartoffelcurry, dazwischen immer wieder heissen Chai, zum Mittag ein Dal,...
Wir lassen uns von der immer gleich aussehenden Landschaft (Matschfarben) einlullen, lesen, schreiben (unser Fuehrer fragt sogar, ob wir "famous writers" seien, weil wir alle emsig in unsere Notizbuecher schreiben), doesen, ratschen, waehrend die Inder an Bord angestrengt das Ufer im Auge behalten.
Wir sehen ein paar Eis- und andere Voegel, ein paar Krokodile, die farblich kaum vom Uferschlamm und vom braunen Wasser zu unterscheiden sind. Am meisten Begeisterung rufen die Rehe und Hirsche hervor, die recht oft in den Waeldern beim Fressen zu sehen sind, die Inder brechen jedes Mal in Hektik aus, das Boot wird gewendet, alle schreien und zeigen und gestikulieren, wir gucken pflichtschulig interessiert - und bringen es nicht uebers Herz, ihnen zu gestehen, dass Damwild auch in Deutschland heimisch und gar nicht so selten ist...
Der "offizielle" Fuehrer des Reservats erzaehlt mir, dass wir auslaendischen Gaeste ja alle so wahnsinnig wohlerzogen seien und niemals leere Plastikflaschen oder anderen Muell ueber Bord ins Wasser werfen wuerden, ganz im Gegensatz zu den indischen Besuchern, die das gar nicht einsehen koennten. Und dabei mache ich mir die ganze Zeit schon Sorgen darueber, dass unsere beiden Toiletten an bord direkt und ohne Umweg ins Brackwasser unter uns abgelassen werden, und das mitten in einem bewohnten Naturschutzgebiet. Sehr lecker.
Er berichtet mehrfach, dass die Menschen hier auf den Inseln vornehmlich "Fishermen" und "Honeycollectors" (ein aeusserst gefaehrlicher Beruf, da diese Maenner haeufig Opfer von Tigerangriffen werden) seien, und wir fragen uns, warum noch keiner die Imkerei erfunden hat.
Zwischendurch machen wir einen kurzen "Landausflug" ueber einen mit Zaeunen rundum gesicherten Weg, doch auch hier laesst sich kein Tiger blicken, nur lustige, einarmige rote Krabben und wieder ein paar Rehe.
Ab nachmittags beginnt es zu regnen, teilweise richtig heftig, und es hoert auch bis in die Nacht hinein nicht mehr auf. Unterm Dach auf dem Deck mit den Kissen am Boden ist es trotzdem sehr gemuetlich, und so verweigern wir auch einen weiteren Landgang zu einem Aussichtsturm, denn es schuettet in dem Moment wie aus Eimern, und auch die Tiere verstecken sich bei dem Wetter.
Um 17 Uhr ist die Rundfahrt beendet, wir legen an, steigen aus und marschieren entlang mit zahnlosem Mund grinsender Inselbewohner und Kindern, die selbstvergessen mit einem sehr kaputten Ball spielen, zum Guest House. Dort gibts eine dringend noetige Dusche, nach dem Tag und der Nacht an Bord klebt alles. Leider ist die Temperatur und die Schwuele an Land deutlich hoeher, so dass man eigentlich direkt nach dem Abduschen schon wieder verschwitzt ist.
Also schnell zurueck aufs Boot, wir kaufen noch Biernachschub und machens uns alle an wieder an Deck gemuetlich. Nitschi und ich lesen mit Stirnlampe, umschwirrt von Faltern und Kaefern, die Englaender spielen mit Mara und AJ Karten. Irgendwann regnet es so heftig, dass wir alle in die Kabine des Steuermanns umziehen muessen, dort gibt es Abendessen (Curry und Chapattis, die Pickles sind aus einem Gemuese, das ich noch nie vorher gesehen habe), und wir ratschen.
Endlich koennen wir im Gespraech mit dem 19jaehrign AJ die Fragen klaeren, die uns schon so lange auf der Seele brennen:
Warum tragen alle maennlichen Inder einen Schnurrbart??? Laut AJ schient das wohl ein Zeichen zu sein, dass man nun ein Mann ist, nur die ganz hippen Grossstaedter und Bollywoodstars verweigern sich dieser Tradition. Gut, das erklaert so einiges, die Moustache-Dichte ist hier wirklich sehr auffaellig.
Wir bekommen auch alle gewuenschten Infos zum Paan-/Betelnusskauen, es wird viel gelacht und auch die 2. Flasche Bier ist flugs geleert.
Gegen 21 Uhr gehts in die Kojen, das Schiff hat nicht wegen des Biers Schieflage, sondern inzwischen ist Ebbe und es liegt auf Grund...

13.9.11

Auf der Buckelpiste ins Backwaterparadies (07.09.2011)

Die Nacht ist unruhig, der Ventilator weht mir die ganze Nacht ins Gesicht, so richtig schlafen kann ich dabei nicht. Ich wache um 6 Uhr auf und lese, ab 6:30 Uhr wird geduscht und gepackt. Unser grosses Gepaeck wollen wir in Kalkutta lassen, die kleinen Rucksaecke muessen fuer die naechsten beiden Tage reichen. Eine Stunde spaeter checken wir aus und gehen zu Fuss die 5 Minuten ins Buero des Touranbieters - das aus einem 4 Quadratmeter grossen Raum besteht, mit 3 Hockern und einem PC am Boden drin. Wir bekommen Chai und warten auf unsere Mitreisenden, ein englisches Geschwisterpaerchen.
Um halb neun quetschen wir uns mitsamt Fahrer und Guide in einen Jeep, werden mit Sandwiches, Wasser und Riegeln versorgt, und los geht's. Die Fahrt hinaus aus Kalkutta dauert alleine schon bald 50 Minuten, entlang am Strassenrand biselnder Kinder und Slumhuetten, chaotischen Verkehrsverhaeltnissen, unser Fahrer faehrt recht rasant trotz aller Widrigkeiten wie Kratern auf der Strasse.
Wir drei Maedels sitzen sehr beengt im Kofferraum und werden durchgeschuettelt, ahnen jetzt schon kommende blaue Flecken, und nur der Fahrtwind rettet uns vor dem Hitzetod.
Mir wird natuerlich schnell schlecht, und so wechsle ich beim naechsten Halt den Platz und darf vorne auf den Beifahrersitz. AJ, unser junger Guide, setzt sich dahinter und erzehlt waehrend der Weiterfahrt einiges ueber das Leben der Menschen rund um das Backwatergebiet der Sundarbans.
Nach gut 3 Stunden ist die 1. Etappe geschafft, wir steigen um auf ein wackliges Holzboot, und muessen leider direkt neben dem offenen Motor stehen, es quetschen sich gut 50 Menschen, ein paar davon mitsamt ihren Fahrraedern, auf dieses Gefaehrt. Es regnet kurz und heftig, nach 2 Minuten ist der Spuk aber schon wieder vorbei, und nach 10 Minuten verlassen wir die "Faehre" auf einer der 120 Inseln, die direkt an der Grenze zu Bangladesch liegen.
Wieder werden wir umverladen, diesmal zu dritt auf dei Ladeflaeche einer Fahrradrikscha, auf den Inseln gibt es keine Autos, und Strom nur ueber Solarzellen und Generatoren. Der arme Kerl auf dem Fahrrad strampelt mit uns drei "dicken" Westlerinnen mindestens 30 Minuten bei Gegenwind entlang der Reisfelder ueber eine Art Deick. So wie wir angestarrt werden, kommen hier wohl nicht allzu viele Weisse vorbei.
Der Hintern schmerzt auf den blossen Holzplanken, auf denen wir sitzen, wieder kommt ein kurzer Schauer auf, und endlich erreichen wir das Ziel: ein Guest House, in dem wir Mittagessen bekommen (hurra, es gibt endlich wieder Dal Bhat oder Thali, wie es in Indien heisst - das habe ich seit Nepal schon fast vermisst!), und iwr besichtigen das im Brackwasser  bzw. im Schlamm - es ist gerade Ebbe - liegende Boot, auf dem wir uebernachten duerfen.
Es ist recht klein, nicht sehr komfortabel, aber dafuer heisst es "Elmar" und ist uns damit sympathisch - also holen wir unsere Rucksaecke und beziehen unsere Koje. Auch die beiden bisher weitgehendst schweigsamen Englaender sind buchstaeblich "mit an Bord", wir sind also zu fuenft, plus Kuechenjunge, Steuermann und unserem Guide AJ.
Der Weg auf der Insel ist aus Lehm bzw. aus dem Uferschlamm aufgeschuettet, sehr schmal, denn rechts und links broeckelt bei Flut wohl immer wieder ein Teil ab, und ziemlich glitschig. Also: vorsichtig sein beim Laufen!
Zur Verdauung halten wir an Deck des Boots, wo ein sehr angenehmer Wind pfeift, eine kleine Siesta auf den Decken und Kissen, die dort fuer uns ausgebreitet werden. Um 15 Uhr werden wir zum Aufbruch gescheucht, zunaechst klettern wir zurueck ans Ufer, dort marschieren wir eine halbe Stunde auf dem Lehmwall entlang. AJ erzaehlt, dass vor gut 2 Jahren ein Zyklin eine Springflut verursacht hat, die den Wall und alle dahinter liegenden Siedlungen weitestgehend zerstoert hat. Erst seit kurzem hat sich der Boden soweit wieder erholt, dass Reis etc. angepflanzt werden kann. Auf dem Weg liegen ueberall verhaeltnismaessig winzige Ziegen herum, Hunde rennen umher, es ist sehr laendlich, die meisten Bewohner leben vom Reisanbau, der Nutztierhaltung und vom Fischfang.
Am Ende unserer Wnaderung wartet ein Boot mitsamt Fuehrer auf uns, damit schippern wir nun drei Stunden durchs Mangrovendickicht. Wir sehen ein paar Eisvoegel, viele Krabben, die auf den Baumstaemmen sitzen und sich so vor dem Flutwasser in Sicherheit bringen, dass nun die vielen Kanaele fuellt. Es ist gruen und "dschungelig", wir geniessen die Stille, die leider nur von indischer Popmusik, die aus unerklaerlichen Gruenden per Lautsprecher ueber die Inseln schallt, durchbrochen wird. Waere kein Wind da, waere es wohl unertraeglich daempfig, wir sind alle etwas ermattet durch das Geschaukel des Boots. Hin und wieder kommt auch jetzt ein kurzer Schauer auf, doch kaum zieht man die Regenjacke an, ist er auch schon wieder vorbei.
Um 18 Uhr sind wir zurueck bei "Elmar", gerade rechtzeitig, denn kaum sind wir an Deck, ist die Sonne auch schon untergegangen und es wird zappenduster. Der Halbmond am Himmel und die eine Neonlampe an Bord sind die einzigen Lichtquellen, Sterne sind wegen der vielen Wolken kaum zu sehen.
Wir machens uns wieder an Deck auf den Kissen gemuetlich, und AJ bringt uns kaltes Bier und Chips. Es ist herrlich, wir flaezen herum und betrinken uns ein bisschen. Kurz darauf bekommen wir Besuch von drei Inselbewohnern, Vater, sein vielleicht 12jaehriger Sohn und ein Onkel. Die drei packen Harmonium, Trommel und Zymbeln aus und legen los: voller Inbrunst werden traditionelle Weisen musiziert, der Junge singt dazu aus vollster Kehle und schlaegt die Zymbeln wie das Duracell-Haeschen. Fasziniert hoeren wir zu, oeffnen noch ein Bier und geraten ins Schwaetzen. Unterbrochen werden wir vom Abendessen, das wir auf dem Boden sitzend serviert bekommen, es gibt wieder Gemuesecurry, diesmal mit Chapattis, und ist wirklich lecker.
Brav klatschen wir am Ende jedes Liedes, und ganz am Schluss gibts auch ein Trinkgeld, das haben sich die drei wirklich verdient, so enthusiastisch und strahlend laechelnd, wie sie aufgetreten sind.
Mit unserem Schwips muessen wir ins Bett, putzen noch schnell die Zaehne ueber der Reling und falten uns um kurz nach neun in die Kojen. Ich schlafe fast sofort ein, dank der Luken weht ein angenehmes Lueftchen, und wache nachts nur vom ohrenbetaeubenden Gewitter auf, das mit Blitz und Donner niederprasselt. Mara und Nitschi, die direkt an den Fenstern liegen, werden ein wenig angeregnet...