2.9.13

Tagesablauf im Ashram (25.-31.08.2013)

05:30 Uhr: Wake-up bell
Meist bin ich schon eine halbe Stunde vorher wach, denn aus den umliegenden Tempeln erschallt bereits ab 5 Uhr lauter Gesang, der natürlich über Lautsprecher nach draußen übertragen wird. Wenn dann die Glocke im Ashram geschlagen wird, liege ich schon munter unter meinem Moskitonetz, ein Verschlafen ist also eh nicht möglich. Es dämmert, wenn ich mich schnell anziehe und mit den anderen zur "Sivananada Hall" spaziere.

06:00 Uhr: Satsang
Pflichtprogramm mit Anwesenheitskontrolle. Zuerst 30minütige Meditation mit kurzer Anleitung vorneweg. Es ist nicht anzuraten, ohne Yogamatte hier aufzukreuzen, der Steinboden ist nämlich ziemlich hart, und so eine halbe Stunde ruhiges Sitzen kann dann seeeehr lang sein. Zugegebenermaßen nicke ich in den ersten Tagen hin und wieder ein, aber sonst schaffe ich es manchmal tatsächlich, nur dem Rauschen der Palmen und dem Gesang der Vögel zu lauschen und meine Gedanken zu fokussieren.
Danach wird "gechantet", wir singen aus dem "Gesangbuch" zuerst den Eingangsgesang, das kann man sich ungefähr so vorstellen:
Es folgen weitere gesungene Sanskrit-Texte, dankenswerterweise immer mit Vorsänger. Dazu liegen überall Trommeln, Zimbeln, Schellenkränze etc. herum, die fleissig genutzt werden. Die Melodien sind einfach zu lernen, die Texte dagegen - zumindest anfangs für mich - nur eine Aneinanderreihung von Silben, ohne Übersetzung, die sich aber im Lauf der Zeit dann doch ganz gut einprägen. Nach etwa einer halben Stunde Singen folgt die Lesung eines Textes von Swami Sivananda oder Swami Vishnu-Devananda, durchgeführt von den Leitern des Ashrams, dann die Anbetungszeremonie der Hindu-Götter und Gurus mit erneutem Gesang und anschliessender Verbeugung.
Meist erzählt Ashram-Leiter Natraj danach noch kurz, was an dem jeweiligen Tag auf dem Programm steht - und sagt dankenswerterweise noch den Wochentag dazu, denn in der Gleichförmigkeit der Tagesroutine verliert man da leicht den Überblick...

07:30 Uhr: Tea Time
Wenn alle vom Satsang kommen, steht schon heisser Chai draussen unter den Bäumen bereit, nun ist Zeit für gemütliches Plaudern, und meistens gibts noch eine kleine Süssigkeit (prasad) dazu, die von der Morgenzeremonie übrig ist.

08:00 Uhr: Asana Class
2 Stunden Yoga - die erste halbe Stunde widmet sich hier komplett dem Pranayama, also dem bewussten Atmen, es wird gehechelt, der Atem kontrolliert, durchs linke/rechte Nasenloch geatmet und entspannt. Dem folgen mindestens 10 Durchläufe des Sonnengrußes. In der zweiten Kurshälfte werden dann die Asanasas (Yoga-Übungen) durchexerziert, immer in fester Reihenfolge, während der Lehrer durch die Reihen geht und korrigiert. Haupt-Augenmerk liegt offenbar auf dem Kopfstand, und außerdem werden alle Asanas immer jeweils seeehr lange gehalten.
Anders in den den Yogakursen bei uns liegen wir nicht hintereinander, sondern in zwei langen Reihen gegenüber, denn unsere Füße dürfen keinesfalls Richtung Alter zeigen!
Natürlich werden am Anfang und Ende jeder Stunde mehrfach "Om shanti shanti shanti" und Anfangs- und Schlussgesänge rezitiert. Der Lehrer Ranjesh ist gut, motiviert und leitet an, wenn auch der Einstieg mitten im Programm (das Ganze basiert auf einem 14-Tage-Programm, ich steige an Tag 8 ein) nicht ohne ist!
Am zweiten Tag habe ich ich furchtbaren Muskelkater, bleibe aber konsequent dabei, und am dritten Tag ist er weg und kommt auch nicht wieder..

10:00 Uhr: Vegetarian Meal
Das erste Essen des Tages. Alle versammeln sich vor dem Essenssaal, bis wir hineingerufen werden. Dann erstmal an die Waschbecken und Hände schrubben, dann Verbeugung, und dann setzen wir uns in langen Reihen gegenüber auf Bastmatten, vor denen schon die gefüllten Teller stehen. Währenddessen und bis alle im Schneidersitz Platz genommen haben, wird "Hare rama hare krishna" gesungen, dann gebetet und dann kanns losgehen:
Die Mahlzeit über ist Schweigegebot, das nur durch die umherlaufenden Leute unterbrochen werden darf, die die Teller bei Bedarf nachfüllen. Das Essen ist unglaublich lecker und abwechslungsreich, auch den Tellern finden sich meist vier verschiedene Gerichte, u.a. Rohkost, Obst, Papadams, Idlis, die verschiedensten Gemüsecurrys (oft mit Okras, lecker!), Chutneys,... Dazu gibts Kräutertee, und alles ist streng vegetarisch und nach den Ernährungsvorschriften des Yoga zubereitet (ohne Zwiebeln, Knoblauch, allzu scharfe Gewürze, ohne Eier, Weissmehl, ausserdem ist natürlich Kaffee, Alkohol, Tabak etc. tabu).
Man kriegt von allem so oft Nachschub, wie man möchte; gegessen wird mit den Fingern, und ich mich immer sehr zusammenreissen, konsequent nur die rechte Hand zu benutzen, die linke gilt hier als unrein. Es klappt selbst mit "schwierigen" GErichten wie Erbsencurry erstaunlich gut und schmeckt so fast noch intensiver, wenn man noch die haptische Erfahrung dazu bekommt.
Nach dem Essen spült jeder seinen Teller und Becher selbst mit Seifenpulver ab.

11:00 Uhr: Karma Yoga
Das sog. "Yoga der Tat" ist eine selbstlose Tätigkeit zum Wohle der Gemeinschaft. Jeder der Gäste bekommt hier zu Beginn seines Aufenthalts eine Aufgabe zugeteilt, die der Gemeinschaft dient und demnach gut für's Karma ist. Ich darf eine Woche lang tagälich die Mülleimer auf dem Gelände leeren, gemeinsam mit einem/einer Partner/in, und lerne so nacheinander Rob aus Kananda, Caterina aus Barcelona und Gabriele aus Aachen ein bisschen besser kennen.
Das Ganze ist schnell erledigt, nach 15 Minuten sind wir meistens fertig, und müssen dabei nur aufpassen, nicht von den Ameisen oder Spinnen angefallen zu werden, die sich in den Eimern verbergen, oder von den Geckos, die sich tagsüber dort im Dunkeln verstecken, und die dann immer panisch rausspringen, wenn sie aufgescheucht werden.
Andere Gäste servieren z.B. das Essen, putzen den Essenssaal, richten die Andachtsräume her etc.

MITTAGSPAUSE zur freien Verfügung

13:30 Uhr: Tea Time
siehe "Tea Time" morgens - hier gibt's meistens noch einen kleinen Snack, wie z.B. Obstsalat oder frittierte Bananen, und Ingwertee oder frischen Orangensaft, und alle stehen herum und unterhalten sich nett.

14:00 Uhr: Lecture
Rohini, die Mitarbeiterin des Ashrams, erklärt in vierzehn Schritten alles über die Sivananda Yoga Lehre, von Techniken zur Meditation über Ernährung bis hin zur Kraft positiven Denkens. Ich persönlich hatte mir hier mehr "Wissensgewinn" versprochen, es ist aber eher so eine Art "Stuhlkreis", in dem jeder seine eigenen Meinungen/Erfahrungen teilen kann, und weniger Faktenvermittlung.
Ein besonderes Highlight dieses Kurses war der Gastredner am Sonntag, ein Sadhu auf der Durchreise: ein alter, zahnloser, schwerhöriger Mann mit unverständlichem Englisch, über den wir uns heimlich ein wenig amüsiert haben (ach wenn das möglicherweise Abzüge bei den Karmapunkten gibt)...

15:30 Uhr: Asana Class
Zweiter Teil des "Sport"-Programms, der Ablauf ist identisch mit der Vormittagsstunde, nur wird diese jetzt vom "Yoga-Opi" (wie er von uns genannt wird), gehalten: kaum noch Zähne, weiße Haare, mit Lendenschurz bekleidet, aber beweglich wie ein Gummibind. Ich unterstelle ihm zudem einen leichten Hang zur Grausamkeit, v.a. wenn er uns eine Extrarunde Beinheben aufdrückt.
Mich stört ein wenig, dass erzum einen recht undeutliches Englisch spricht (wahrscheiinlich kann er eh nur die 100 Wörter, die er für den Ablauf einer Yogastunde braucht), und sich zum anderen nur mit den "Super-Yogais" beschäftigt, um denen  bei den Ausführungen des "Skorpions" oder ähnlicher Asanas behilflich zu sein. Wir "Normalos", die bei der Grätsche halt leider nicht den gesamten Oberkörper auf dem Boden ablegen können, begegnet er nur mit Kopfschütteln, und zeigt dann mal so nebenbei, was er noch draufhat, indem er mal eben den "Pfau" macht.
So sagt er zu mir am vierten Tag, als ich gerade stolz bin, weil ich im Vergleich zum ersten Tag einen riesigen Schritt in Sachen Beweglichkeit der Schultern und des unteren Rückens gemacht habe (meine "Problemzonen"), im Vorbeilaufen zu mir: "Ts, so much stiffness!" - vielen Dank auch dafür!
Trotzdem tut die nachmittägliche Bewegung natürlich gut, auch wenn alle wegen der Hitze und des straffens Programms immer ziemlich erledigt sind.

18:00 Uhr: Vegetarian Meal
siehe dass Essen am Vormittag, selbes Procedere, meist etwas weniger üppig

20:00 Uhr: Satsang
siehe Morgen-Satsang - dieser abendliche Programmpunkt dauert meist bis etwa 21:30 Uhr, danach verschwinden alle schleunigst in ihren Betten. Offiziell herrscht ab 22:30 Uhr Nachtruhe, doch da schlafen bereits alle, geschafft vom Tagesprogramm.

Von den ganzen Programmpunkten sind alle obligatorisch und werden per Anwesenheitsliste kontrolliert (wobei keiner so recht weiß, was passiert, wenn man schwänzt, aber ich hab's nicht ausprobiert).
Außer in der Mittagspause ist kaum freie Zeit verfügbar, so dass man Dinge wie Duschen (natürlich kalt) oder Wäsche waschen gut vorausplanen muss. Ganz so klösterlich, wie der Ashram sich in seiner Beschreibung auf der Homepage gibt, ist es dann hier übrigens doch nicht: die Handys durfte man behalten, und mittags und abends gibts tatsächlich für je eine Stunde WLAN in der großen Halle, so dass hier dann meist alle versammeln, mit ihren Smartphones in der Hand...

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