31.5.15

Sinnloser Ausflug

Wie schon gestern erwähnt, fällt uns nicht mehr so recht ein, womit wir den letzten Tag in Listwjanka noch verbringen könnten, also tun wir zumindest vormittags erst einmal gar nichts und bestaunen die niederländische Reisegruppe, die seit gestern zu Gast im Chalet ist und deren Durchschnittsalter mindestens bei 80 liegt.
Titus hat dicke Freundschaft mit Mascha, der Hauswirtin, geschlossen, lässt sich auf dem Arm herumtragen, malt mit ihr, bekommt regelmäßig die Nase geputzt (die leider immer noch ein wenig verschnupft ist), und wir sind währenddessen abgemeldet.

Nach dem Mittagessen wagen wir uns nach draußen, die Wettervorhersage für heute war eher mau, aber der starke Wind und die Wolken sind mittags abgezogen, und schon wagt sich wieder die Sonne hervor. Das Kind schläft nach 10 Minuten Fußweg in der Manduca bereits tief und fest, wir kehren erst einmal im Café am Hafen ein und lassen uns dort mit Blick auf den See Blinis schmecken. 


Wieder einmal wird uns die Rechnung unaufgefordert gebracht und die Teller abgeräumt, während wir noch den letzten Bissen im Mund haben; der Service in Russland ist wirklich sensationell schlecht. In Geschäften erwidert man auf unsere braven Begrüßungs- und Verabschiedungsformeln meist gar nichts, "danke" hört man selten, und gelächelt wird auch nur, wenn es sich gar nicht vermeiden lässt...

In Listwjanka, eigentlich ein 1.800-Seelen-Dorf, ist heute mal richtig was los, offenbar verbringen sämtliche Irkutsker ihre Sonntagnachmittage bei schönem Wetter am See.


Als wir nach unserer Stärkung also mit dem Sammeltaxi ins 4 km entfernte Nikola zum ethnologlischen Museum fahren wollen, sind die Plätze schnell gefüllt, und wieder einmal bemüht man sich nach Kräften, mit uns ins Gespräch zu kommen, da der kleine schlafende Kerl immer für Aufsehen sorgt. So verpassen wir irgendwie den richtigen Ausstieg und stehen nach 10 Minuten Fahrt an einer Schnellstraße, neben der ein paar Häuschen stehen. Unsere Karte behauptet aber, dass es hier "cafés & souvenirs" gibt, also marschieren wir runter ans Wasser, an so einer Hafenpromenade wird doch wenigstens ein Getränk zu bekommen sein. Weit gefehlt - ein paar verrostete Schiffe dümpeln vor sich hin, verfallene Hafenbaracken verströmen Ostblockcharme, aus den Häusern rundherum ist kein Laut zu hören, nur eine streunende Katze liegt in der Sonne auf der ungeteerten Straße.
Das Museum, unser eigentliches Ziel, in dem Norman unbedingt den dort ausgestellten "laminierten Omul" (ich glaube, er meint einen in Formaldehyd eingelegten Ur-Fisch) besichtigen wollte, sehen wir zwar weit entfernt am Ufer liegen, doch der Weg dorthin scheint zu Fuß nicht möglich zu sein. Also stehen wir gut 10 Minuten, nachdem wir dort ausgestiegen sind, wieder an der Schnellstraße und warten auf ein Maschrutka, das uns zurück nach Listwjanka bringt. Wir stehen, und stehen, und stehen an diesem idyllischen Ort und vertreiben uns die Zeit damit, auf kyrillisch geschriebene Werbeplakate zu entziffern.

Endlich hält ein klappriger Minibus an, wir quetschen uns auf die knapp anderthalb verbliebenen Sitzplätze zwischen die bereits drin sitzenden auslandenden Omas mit Unmengen Gepäck, und so geht's in wilder Fahrt zurück nach Listwjanka - den Museumsbesuch haben wir auf unbestimmte Zeit verschoben.

So kommen wir knapp 3 Stunden nach Aufbruch zurück in unsere Pension, und haben eigentlich nichts nennenswertes gesehen, aber immerhin war auch dieser sinnlose Ausflug ganz lustig und für uns ein Zeichen, dass es nun wirlich an der Zeit ist, Listwjanka zu verlassen und weiterzureisen. Wir trinken in der sehr heißen Nachmittagssonne noch ein Bier auf der Terrasse, packen so langsam unsere Rucksäcke zusammen, bezahlen die Rechnung mit mühsam ergatterten Rubel - der Geldautomat im Dorf spuckte nämlich immer nur umgerechnet 80 Euro auf einmal aus, das dauerte also eine Weile, bis der fällige Betrag abgehoben war!
Titus wird in der Badewanne geschrubbt und bekommt von Mascha beim Abendessen eine Extraportion Gurkensalat mit Ei, saurer Sahne und Bärlauch serviert - wir sind skeptisch, doch er mampft die ganze Schüssel leer, danach noch gierig  einiges von meinen Spaghetti mit Gemüse und ein Stück Kuchen. Wir sind schon sehr erstaunt, was dem kleinen Kerl so alles schmeckt und wieviel in so einen kleinen Magen reinpasst...

Nun haben wir also noch eine Nacht hier, morgen früh nach dem Frühstück werden wir mit einem Kleinbus nach Olkhon fahren!

30.5.15

Rätselhaftes

Heute gibt es gar nicht so viel zu berichten, denn die Highlights hier in Listwjanka haben wir nun bereits besichtigt, und da es heute tagsüber empfindlich kalt draußen war, haben wir uns einen gemütlichen Vormittag im Chalet gemacht, mit ausgiebigem Nickerchen und viel Tee. Titus ist ein bisschen angeschnupft und deshalb nicht ganz so fit, hat mittags aber doch sehr begeistert die mitgebrachte Buchstabensuppe (leider nicht kyrillisch) verspeist und sich von den Angestellten ein bisschen herumtragen lassen. Anschließend wurde uns von den Küchendamen eine fein geschnittene Knoblauchzehe überreicht, die wohl irgendwie gegen seinen Schnupfen helfen soll, wir rätseln aber noch, was genau wir damit anfangen sollen: Soll er den Knoblauch essen? Inhalieren? Sollen wir ihn damit einreiben?

Am frühen Nachmittag haben wir uns, gut eingepackt gegen den kalten Wind, dann doch nach draußen gewagt und einen langen Spaziergang bis hin zu einem großen Bauernhof gemacht, auf dem u.a. Huskys und Pferde für Schlittenfahrten im Winter gehalten werden. Meine beiden Männer haben alle anwesenden Tiere kritisch begutachtet, aber immer nur mit ordentlich Sicherheitsabstand...

Schließlich kehrten wir ins urige Lokal "Прошлый век" ein, bestellten aus der recht umfangreichen und sehr omul-lastigen (= der Baikal-Fisch, der hier das ganze Dorfleben bestimmt) Speisekarte die vier oder fünf vegetarischen Vorspeisen, und fütterten damit uns und das Kind recht erfolgreich ab. Hier gab es sogar mal einen Kinderstuhl, das ist eher selten, und wir sind sonst sehr froh, dass wir unseren "Sack 'n' seat" dabeihaben, den ich für Reisen nur empfehlen kann!


Auf dem Nachhauseweg besorgten wir im Tante-Emma-Laden noch Porridge und Bananen für das obstverrückte Kerlchen, für mich gab's ein Eis, das ich ganz heimlich hinter Titus' Rücken verspeist habe. Nachdem wir nun heute abend noch die erste Staffel von "The IT crowd" fertig geguckt haben, ist der Tag auch schon wieder rum. Wir überlegen momentan noch, was wir morgen unternehmen wollen, einen Tag haben wir hier noch, bevor wir nach Olkhon aufbrechen...

Ein Rätsel gibt es heute für die eifrigen Leser noch: wir haben beobachtet, dass bei mindestens der Hälfte aller Autos das Lenkrad auf der rechten Seite ist, obwohl hier kein Linksverkehr herrscht. Warum nur???

Wanderung, top secret

Nun haben wir es uns gestern abend mit Kopfhörern und Notebook, einer Flasche Bier und ein paar Folgen der höchst albernen Serie "The IT crowd" im Bett gemütlich gemacht, so dass ich ganz vergessen habe, meinen Tagesbericht zu verfassen, so ein Lotterleben aber auch!

Dabei haben wir gestern einen wirklich schönen Ausflug gemacht: gegen 11 Uhr brechen wir von unserer Pension, wieder gestärkt vom leckeren Frühstück und gut ausgeschlafen, auf, Norman trägt Titus auf dem Rücken, die Sonne scheint, und so spazieren wir an all den gefährlich bellenden Wachhunden in unserer Straße vorbei zunächst zum See. Dort versorgen wir uns im örtlichen "Magazin" (d.h. der Tante-Emma-Laden) mit Wasser (für "zwei", "Wasser" und "klein" reichen die russischen Sprachkenntnisse immerhin aus) und machen uns auf den Weg zum Observatorium, das ein ganzes Stück oberhalb des Ortes mitten im Wald thront.


Aufwärts führt uns ein Schotterweg, vorbei an einfachen Häuschen, Wellblechhütten und immer wieder an Einheimischen, die auf der Straße auf großen Grill den nur im Baikalsee heimischen "Omul", eine Fischart, grillen und anschließend räuchern - und uns gleich mit, so dick und intensiv ist der Qualm und der Fischgeruch in der Luft. An der nächsten Wegbiegung hat man einen wunderschönen Blick über den See, klar ist die Sicht auf die doch recht hohen, schneebedeckten Berge am Ostufer. Das das hier ein schönes Plätzchen ist, ist wohl kein Geheimtipp, denn hier stehen fest installiert mindestens 20-30 kleine "Picknick-Häuschen" mit Bänken und Tischen, an denen sich bei schönem Wetter die Ausflügler einfinden und sich an den umstehenden Ständen mit Fisch und Getränken versorgen...
Wir marschieren aber weiter, bis wir an ein großes Gatter, überragt von der russischen Flagge, gelangen, und entziffern das Schild "Observatorium". Also gehen wir einfach durch, treffen dahinter auf eine Dame, die uns in einem russischen Redeschwall offenbar den Weg weist und uns vehement auf die Zeckengefahr hinweist. Das hatte uns schon die Wirtin in unserer Unterkunft erzählt, und so sind wir bestens eingesprayt. So steigen wir dann bei schönstem Wetter recht steil durch Birkenwälder bergauf.


Titus schläft tief und fest, wir schwitzen, und kommen knapp eine Stunde später oben am Observatorium, das eher wie eine Skisprungschanze aussieht, an.
Das vor uns liegende Panorma ist traumhaft, und bis auf einen zum Glück angekettenen Wachhund sind wir auch ganz allein - bis kurz darauf ein Lada mit Vollgas über die Forststraße heraufprescht und zwei Männer in weißen Schutzanzügen aussteigen. Als sie uns erspähen, verscheuchen sie uns mit dem Hinweis, dass dieses Areal hier "top secret" sei und wir überhaupt nichts hier verloren hätten, und da sie in ihrem Outfit irgendwie gefährlich aussehen, machen wir uns lieber schleunigst an den Abstieg.

Pünktlich zur Mittagszeit finden wir uns wieder am Hafen unten ein, dort ist an den ganzen Fisch-Räucherständen heute bei dem schönen Wetter richtig viel los, viele Schüler sind unterwegs und immer öfter sehen wir Menschen mit eindeutig asiatischen Gesichtszügen, wahrscheinlich Burjaten.
Wir setzen uns in eine kleine Hafenkneipe und holen uns von dem Reisgericht, das auf der Terrasse in einer großen Pfanne gebraten wird. Titus verschlingt leider fast meine ganze Portion und auch mein Eis, das ich mir für den Heimweg noch hole.

Am Nachmittag bleibt nichts anderes zu tun als vor unserem Zimmer auf dem Balkon in der Sonne zu sitzen, Tee zu trinken, zu spielen, mit der Oma und Dennis zu skypen und herumzutollen. Abends stellen wir fest, dass wir alle ordentlich Farbe im Gesicht bekommen haben, aber zum Glück bleibt die Zeckeninspektion ergebnislos.
Titus und ich sind uns beim Abendessen dann einig, dass wir langsam die Nase voll haben von der russischen Küche; schon wieder gibt es Paprika-Karotten-Gemüse, heute mal mit Reis dazu, den hatten wir heute mittag aber schon. Der kleine Mann bekommt also nochmal eine Portion von seinem Frühstücks-Porridge und anschließend noch meinen halben Nachtisch-Kuchen und ist damit dann wohl so zufrieden, dass er anstandslos ins Bett geht und erstaunlich gut schläft.

28.5.15

Spaziergang am See

Tja, zu früh gefreut - leider hat Titus kurz nach dem Einschlafen für gefühlte Stunden dermaßen gekreischt, dass an Schlaf kaum zu denken war. Nachdem wir ausschließen konnten, dass ihm etwas weh tut, blieb uns nicht viel anderes übrig, als zu warten, bis er vom Weinen erschöpft endlich eingeschlafen ist. Vielleicht muss der kleine Kerl auf diese Art und Weise die vielen neuen Eindrücke, die hier Tag für Tag auf ihn einprasseln, verarbeiten? Er ist überhaupt seit Reisebeginn unheimlich anhänglich, schließlich sind wir seine einzigen Konstanten momentan. Ist so eine Reise vielleicht doch zu viel für ein so kleines Kind, frage ich mich, ein bisschen geplagt von schlechtem Gewissen?

Als Titus dann aber am Morgen um halb neun strahlend im Bett sitzt, mir juchzend seinen Schnuller in den Mund schiebt, und den ganzen restlichen Tag kaum aufhört zu strahlen, bin ich erleichtert, so schlimm kann das Ganze hier also doch nicht sein.

Dankenswerterweise durften wir alle ein bisschen ausschlafen, so dass wir fast die letzten sind, die am reich gedeckten Frühstückstisch Platz nehmen. Zwar gibt es auch hier leider wieder nur Instant-Kaffee, doch der Rest ist sehr fein, und so lässt Titus sich eine Portion Porridge, ein Glas Bananenmilch, ein paar Orangenscheiben, ein bisschen Griesbrei und eine Scheibe Marmeladenbrot schmecken; das reicht hoffentlich bis zum Mittagessen!

Derartig gestärkt, starten wir in den fast schon sonnigen Tag. Titus wird in die Manduca geschnallt, und wir spazieren los, erst einmal durch's Dorf, dann gut eine Stunde lang am See bis zur Mündung des Angara-Flusses. Vorbei geht es an hübschen alten Häusschen, typischen Plattenbauten, protzigen Privatvillen, neu gebauteten Holzpavillons, der Kindergarten befindet sich direkt an der viel befahrenen Straße, in der sich die Ladas selbst innerorts röhrend überholen. Der Uferweg ist mal vorhanden, mal müssen wir direkt an der Straße entlang gehen, und wir befinden uns hier merklich noch deutlich vor Saisonbeginn, denn die meisten Hotels, Cafés und Geschäfte haben noch geschlossen.
Ein bisschen sieht es mit den schneebedeckten Bergen ringsum aus wie am Gardesee, nur deutlich überdimensionierter und auch leider verkommener.

An der Flussmündung angekommen, verlassen wir die Uferstraße und spazieren ein Stück bergauf durch Lärchenwälder bis zum Hotel Baikal, das in unfassbar hässlicher Sowiet-Bauweise mitten in der Landschaft steht und zum Listwjanka-Skigebiet (!) gehört
Da es bereits Mittagszeit ist, kehren wir dort ins Restaurant ein, in dem wir praktisch die einzigen Gäste sind und von den gleich 5 Angestellten (einer davon spricht immerhin Englisch) prima versorgt werden. Titus sorgt für große Erheiterung mit seinen Gehversuchen und wir bekommen richtigen Kaffee und ein kleines Mittagessen mit Blinis. 


Draußen auf dem hoteleigenen Spielplatz erklettert der kleine Mann auf eigene Faust die Spielgeräte und findet endlich Geschmack am Rutschen, das er dann auf zig verschiedene Arten gleich hundertmal ausprobieren muss.


Abwärts wollen wir eine Abkürzung nehmen, und nach kurzen Marsch durch den Wald versperrt uns leider ein Zaun den Weg hinunter, da sich vor uns der Waldlehrpfad befindet, der zu einem Museum gehört. Da aber in dem Maschendrahtzaun bereits ein mittelgroßes Loch drin ist, steigen wir kurzerhand durch und kommen so noch zu dem Vergnügen, über Holzpfade ("under the boardwalk!") ein bisschen Bäume zu gucken. Dafür nehmen wir in Kauf, uns unten am Eingang/Ausgang angekommen über ein Tor kletternd wieder zurück zur Uferstraße zu stehlen, ein bisschen Abenteuer muss sein.
Dann sind wir leider zu faul, um den ganzen weiten Weg nach Listwjanka zurückzulaufen und halten ein "marschrutka" an, so heißen die Sammeltaxis hier, dessen Fahrer bringt uns  in seinem Kleinbus für ein paar Rubel die paar Kilometer zurück in den Ort.

In der dortigen Tourist-Info, in der man "little english" spricht, versuchen wir, unseren Transfer auf die Insel Olkhon, wo wir ab kommenden Montag eine Unterkunft reserviert haben, zu organisieren, doch auch hier, ebenso wie in unserer Unterkunft, erzählt man uns, dass leider nur der Landweg über Irkutsk (d.h. eine ca. 6-7 stündige Busfahrt) in Frage kommt, da die Überfahrten mittels Boot erst Mitte Juni wieder aufgenommen werden. Hm, das kann ja heiter werden, mit unserem kleinen Krabbelkäfer...

Der zappelt dann den restlichen Nachmittag vergnügt durch unser Zimmer, klettert aufs Bett, lässt sich verkitzeln, räumt unsere Schuhe und Handys in Schubladen ein, macht seine ersten Selfies mit meinem Telefon und ist ununterbrochen in Bewegung.
Beim Abendessen dann kaut er müde an seinen Paprika- und Karottenstreifen, wird dann nochmal munter, als er einen großen Keks verspeist, und stolziert an der Hand noch ein paar Runden im Speisesaal herum, begeistert beklatscht von den Küchendamen. Herrje, leider kommen wir um Zucker und anderes Ungesundes momentan nicht drumherum, selbst in seinen geliebten Danone-Joghurts ist sicher Süßungsmittel drin. So richtig abwechslungsreich ist das Essen hier zumindest für Vegetarier auch nicht, außer Kartoffeln, Karotten, Parika und Tomaten scheint es kaum Abwechslung zu geben. Egal, spätestens zuhause muss das wieder anders werden!

Nun hoffen wir auf eine ruhigere Nacht und darauf, dass sich das Wetter morgen auch noch hält, damit wir einen weiteren Ausflug machen können!

27.5.15

Und das Rattern hat ein Ende

Natürlich hat ausgerechnet heute unser "lebendiger Wecker" versagt, der sonst spätestens ab 6 Uhr durchs Abteil wuselt; heute dagegen schläft der kleine Kerl um 7:15 Uhr noch selig, und so werden wir zum Glück von der reizenden Provodnitsa geweckt, die an die Tür klopft und uns erzählt, dass wir in einer Stunde Irkutsk erreichen.
Also schnell angeziehen, Katzenwäsche machen, Betten abziehen, packen, das Kind mit Porridge abfüttern, selbst noch einen Kaffee hinunterstürzen, abspülen (da die Toiletten gerade besetzt sind, darf Norman mit dem Geschirr sogar zur Provodnitsa in ihr Abteil!), und schon fahren wir in Irkutsk ein. Bis wir unseren ganzen Kram draußen haben, dauert es eine Weile, wir verabschieden uns von den Franzosen und vom Zugpersonal, und stehen, wie die große Bahnhofsuhr anzeigt, um 03:28 Uhr am Bahnsteig. Das ist wirklich seltsam, dass sogar in den Bahnhöfen und auf allen Tickets immer nur Moskauer Zeit angezeigt wird, dabei sind wir hier nun schon 5 Stunden weiter!

Kaum haben wir den Zug verlassen und Titus sitzt wieder im Buggy, geht der Ärger wieder los - am Bahnhof gibts nur Treppen! Also mühen wir uns mitsamt unserem Gepäck ab, bis wir die großen Rucksäcke endlich in der Gepäckaufbewahrung abgegeben haben. Ein Russe bietet mir seine Hilfe beim Tragen an, will aber 3 Dollar dafür, das lehne ich dann doch ab.
Draußen vor dem Bahnhofsgebäude springen wir auf den nächstbesten Bus auf, der rumpelnd und scheppernd ins Stadtzentrum fährt. Dort spazieren wir eine Weile herum auf der Suche nach einem Café, und sind irritiert, weil zum einen morgens um 9 Uhr noch kaum etwas geöffnet hat, und zum anderen, weil hier alle paar Meter über große Lautsprecher die Straßen und Plätze mit verschiedenstem Programm (Musik, Werbung, irgendwelche Stimmen) beschallt wird. Das nervt!

Eine Einkehr in einem Café, das uns mit Kaffee, Schokocroissants, WLAN, einer frisch geputzten Toilette, und Strom - und alles für umgerechnet 3 Euro - versorgt hat, finden wir uns gegen 11 Uhr im Reisebüro "Mystery Baikal Tours" ein, dort sind unsere nächsten Zugtickets für uns hinterlegt. Das klappt ja wie am Schnürchen, dann der guten Organisation von Frau Grube von "Saugut Reisen", über die wir die Bahnfahrt gebucht haben.

Die Damen im Reisebüro konnten uns - wenn auch sehr umständlich - den Weg zum nächsten Supermarkt beschreiben, denn dort müssen wir uns dringend mit Windeln und anderen Lebensnotwendigkeiten wie Joghurt und einem Mittagessen für die Männer eindecken. Zum Glück gibt's an der Theke drinnen den landestypischen Rote-Bete-Salat mit Erbsen, Karotten und sauren Gurken, auf den Titus unerklärlicherweise total abfährt, und so lassen wir uns davon und vom gekochten Buchweizen ein Schälchen als Proviant abfüllen.

Damit erklären wir die Sightseeing-Tour in Irkutsk für beendet, die Stadt macht nicht den allerhübschesten Eindruck, und fahren mit der klapprigen Straßenbahn zurück zum Bahnhof, wo wir unter skeptischem Blick der wartenden Fahrgäste den hungrigen Titus abfüttern; während Norman das Gepäck holt, werde ich von ein paar älteren Herrschaften dann noch ermahnt (glaube ich zumindest), dass ich das Kind doch bitte nicht auf dem schmutzigen Boden herumkrabbeln lassen solle...

Da wir mit unseren Unmengen an Gepäck ein wenig "bewegungseingeschränkt" sind, leisten wir uns für die gut 60 Kilometer nach Listwjanka, wo unsere nächste Unterkunft auf uns wartet, ein Taxi statt der öffentlichen Sammeltaxen bzw. Busse. Die Preisverhandlungen laufen zunächst zäh, da wir von der Reisebürodame bereits wissen, was das Ganze kosten darf, man uns als Nicht-Einheimische aber natürlich erstmal abzocken will. Aber dann erbarmt sich doch einer, allerdings hat der natürlich keinen Kindersitz geschweige denn überhaupt Gurte am Rücksitz, und der Gute heizt über die Landstraße, als hätte er noch Termine. Titus ist leider erst einmal total begeistert von dieser Art des Autofahrens und turnt wie wild über die Sitze, ich kann ihn kaum bändigen, doch schnell wird er müde und schläft den Rest der gut einstündigen Fahrt auf meinem Arm.

Die Fahrt ist eigentlich sehr schön, ringsum stehen dichte Wälder, und bald erspähen wir den Baikalsee und die schneebedeckten Gipfel am anderen Ufer. Von Irkutsk kommen geht es nordwärts am Westufer den See hinauf bis nach Listwjanka, dort finden wir nach kurzer Suche das Haus "Baikal Chalet", ein riesiges Haus oben am Hang stehend, in der typischen Holzbauweise.
Der Taxifahrer versucht nochmal nachzuverhandeln, als wir aber eisern beim verabredeten Preis bleiben und sogar noch ein kleines Trinkgeld obendrauf legen, schmeisst er uns praktisch aus dem Wagen und braust wütend ab. Egal, im Chalet werden wir herzlich willkommen geheißen, und über viele, viele Treppenstufen geht es hinauf in unser neues Zuhause für die nächsten fünf Nächte.

Dort beziehen wir ein riesiges Zimmer, in dem ebenfalls alles aus Holz ist, und von dessen Balkon man auf den See blicken kann, und packen erst einmal aus, machen Kaffeepause und waschen uns dann ausgiebig den Transsib-Staub von der Haut. Titus findet's hier großartig, das Zimmer ist groß genug, um herumzukrabbeln, das Spielzeug großzügig zu verteilen, unsere Schuhe herumzuwerfen und allerhand Unfug anzustellen. Da es kurz nach unserer Ankunft zu regnen beginnt, haben wir eine gute Ausrede, um den Rest des Tages herumzuliegen, zu spielen, und ich schaffe es endlich, das Knäuel meiner Sockenwolle, das Titus noch im Zug akribisch auseinandergenommen und verknotet hat, in stundenlanger Geduldsarbeit zu entwirren.

Beim Abendessen landet Titus sofort in den Armen der Köchin, die sich ihm als "babuschka" (Großmütterchen) vorstellt, mampft sich durch Salat, Gemüse und Kartoffeln und danach noch durch mein ganzes Stück Kuchen, schäkert noch mit dem deutschen Ehepaar, mit dem wir ins Gespräch kommen und kriegt sich gar nicht mehr ein, als er vor der großen Glastür draußen eine Katze entdeckt. Doch kaum sind wir zurück im Zimmer, schläft der kleine Kerl auch schon und schnarcht vor sich hin, während der Regen aufs Dachflächenfenster prasselt und der See wolkenverhangen in der Dämmerung verschwindet.


Etappenziel fast erreicht

Als ob Titus geahnt hat, dass heute ein besonderer Tag ist, war er heute nacht so unruhig wie lange nicht mehr. Keine Sekunde durfte ich mich von ihm wegbewegen, was dazu führte, dass er eng an mich geklammert mit auf meinem "Bett" (bzw. Pritsche) geschlafen hat, während ich meistens wach lag und versucht habe, vorsichtig die eingeschlafenen Glieder zu bewegen. Unpraktischerweise schien wieder bereits ab 3 Uhr morgens der helle Sonnenschein durch den verbleibenden Rollo-Schlitz in unser Abteil, und Norman lag im oberen Bett und schlief seine Wodka-Bekanntschaft aus.

Wir waren also mal wieder früh auf den Beinen, als erstes wurde für Titus natürlich ein Geburtstagslied angestimmt, und er bekam auch gleich noch ein Geschenk von den beiden Georgiern ausgehändigt, die den Zug mittags in Krasnoyarsk verließen.


Draußen wurden die Birkenwälder nun endgültig verdrängt, und zwar erstaunlicherweise von vielen, vielen kleinen Siedlungen entlang der Bahnlinie, alle aus kleinen, einfach gezimmerten Holzhäusern bestehend, mit winzigen Äckern außen herum und allesamt ohne geteerte Straßen. Dabei wird es doch in Sibirien im Winter so schrecklich kalt?!

Das Aussehen der Einheimischen verändert sich auch merklich, mehr und mehr asiatische Gesichtszüge mit breiten Wangenknochen und schmalen Augen sind zu sehen.

Die Fahrgäste im Zug wechseln schnell durch, eigentlich sind aus Moskau nur noch das deutsch-französische Pärchen und wir an Bord. Zwar steigen immer wieder Familien mit kleinen Kindern zu, doch diese schotten sich recht emsig in ihren Abteilen ab und lassen sich kaum auf dem Gang blicken, während Titus froh über wenigstens das kleine bisschen "Auslauf" ist und jede Gelegenheit nutzt, fremdes Spielzeug in die Finger zu kriegen.

Nun sind wir schon vier Zeitzonen von Moskau entfernt, heute nacht dann fünf, so dass wir aut Fahrplan morgen früh um 3:30 Uhr Irkutsk (also um halb neun morgens) erreichen. Ich zumindest bin ganz froh darüber, vier Nächte im Zug und v.a. die endlos langen Tage, in denen es kaum etwas zu tun gibt, reichen erst einmal. Wahrscheinlich kommt mir die Zeit deshalb so lang vor, weil immerzu ein kleines Kind zu bespaßen ist, wenn man dagegen die Tage nur mit Lesen, Schlafen und Nichtstun zubringen kann, ist's vielleicht gemütlicher.


Außerdem freuen wir alle uns über eine ordentliche Mahlzeit, das Essen im Bordrestaurant ist zwar ganz gut, doch die drei vegetarischen Gerichte haben wir nun zur Genüge probiert, und eine Tütensuppen- und Intantkaffee-Pause muss dringend her.

Zu guter Letzt brauchen wir alle dringend eine ausgiebige Dusche und frische Klamotten!

Damit Titus' Geburtstag, den wir heute nicht wirklich gefeiert haben, nun doch nicht ganz unter den Tisch fällt, laden uns die beiden Franzosen vor dem Zubettgehen noch schnell auf einen Schlummertrunk in ihr Abteil ein, der selbstgebrannte Schnaps der Oma macht die Runde, und wir stoßen auf Titus' Wohl an - alles Gute zum 1. Geburtstag, kleiner Mann!

Zeitlosigkeit und neue Bekannte

Irgendwie haben alle nun total den zeitlichen Überblick verloren hier im Zug - wir befinden uns gerade kurz vor Nowosibirsk, 3.000 km von Moskau und drei Zeitzonen entfernt, und keiner weiß mehr so recht, wieviel Uhr es gerade ist. Egal, es spielt eigentlich keine Rolle, es wird geschlafen, wenn's dunkel wird oder man tagsüber müde ist, gegessen, wenn man hungrig ist, und getrunken eigentlich eh die ganze Zeit. So halten es zumindest die beiden Georgier im Abteil nebenan, die sich vom ersten Tag an in Titus verguckt haben, ihn permanent busseln, auf den Arm nehmen, herzen, ihm Spielzeug kaufen und nun auch noch Norman und mich in ihre "Familie" aufgenommen haben

Das führte dazu, dass wir beim Abendessen im Bordrestaurant (um 16 Uhr Moskauer Zeit) bereits volle Wodka- und Biergläser vor uns stehen hatten und gemeinsam mit den angestellten Damen des Lokals Brüderschaft trinken durften, in einem lustigen Sprachenwirrwarr aus Russisch, Georgisch, Deutsch und Englisch. Titus wurde immer mal wieder in die Küche entführt, keine Ahnung, was er dort alles erlebt hat, zumindest war er pappsatt und todmüde, als ich ihn gerade ins Bett gelegt habe.

Der Tag fing heute aber auch schon wieder früh an, der kleine Mann krabbelte bereits um halb fünf Moskauer Zeit (d.h. halb sieben zur Ortszeit?) auf mir herum und wollte auf Erkundungsgang gehen, also taten wir ihm den Gefallen.Kurz darauf entschwand Norman mit ihm, wollte einen kurzen Ausflug durch den Zug, der aus 13 Wagen besteht, machen, und kehrte erst eine gute Stunde später zurück. Bereits vormittags war wohl eine kleine "Party" im Speisewagen zugange, mit besagten Georgiern und den Angestellten, die bei einem üppigen Frühstück und dazu passenden und unpassenden Getränken beisammensaßen und Norman und Titus gleich mal dazu einluden.


Titus war also bereits in Feierlaune und schloss gleich darauf innige Freundschaft mit der zweijährigen Rita und v.a. ihren Puppen, die ein paar Abteils weiter mit ihrer Mama und ihrem Bruder reist und sehr begeistert von einem kleinen Spielzeugaustausch war. Überhaupt sind erstaunlich viele Familien (Mütter!) mit kleinen Kindern an Bord, die sich aber meistens eher im Abteil verstecken und eher vorsichtig in der Kontaktaufnahme sind.

Wegen des ganzen aufregenden Vormittags verschlief unser kleiner Zugfahrer leider die Mittagsessenszeit (wobei wir eh momentan nicht wissen, wann die genau sein soll), und den längeren Aufenthalt in Omsk, verweigerte anschließend glaubhaft den Tüten-Kartoffelbrei und mampfte stattdessen die 5-Minuten-Nudelterrine von Norman weg, die wir an irgendeinem Bahnhof morgens erstanden hatten.

Während Titus draußen im Gang fröhlich hin und herkrabbelte, in alle Abteile reinspähte und alle Schuhe, denen er habhaft werden konnte, entführte, veränderte sich draußen merklich die Landschaft - die Birkenwälder wurden weniger, stattdessen machte sich Steppe breit, und wir stellten fest, dass Sibirien ganz schön flach ist.


Nachmittags erreichten wir den Bahnhof von Babalinsk, und nutzen den halbstündigen Aufenthalt, um ein paar Sonnenstrahlen abzubekommen. Am Bahnsteig standen zig Händler bereit, ihren geräucherten Fisch, Blinis, Piroggen und Fellmützen an den Mann zu bekommen.

Tatsächlich muss man die längeren Zwischenstopps immer ein bisschen im Auge behalten, nicht nur, weil diese die einzige Gelegenheit bieten, mal nach draußen zu kommen, sondern auch, weil ein ganzes Stück vorher bis ein ganzes Stück danach die Toiletten (die sich direkt auf die Gleise entleeren...) abgeschlossen werden von den Provodnitsas. Wir sind aber offenkundig gern gesehene Fahrgäste und werden nun jedes Mal extra darauf hingewiesen, dass wir gerne die Toilette benutzen dürften, wenn wir möchten, auch am Bahnhof!

Erstaunlich ist im Übrigen noch, dass wir auch noch gut 53 Stunden Fahrzeit jedes Zwischenziel exakt pünktlich erreichen, der Fahrplan wird akribisch eingehalten, obwohl auf der Strecke durch den ganzen Kohleabbau und die Ölindustrie doch recht viel los ist auf der Schiene.

So, gerade wankt Norman zurück in unser Abteil, er hat wohl genug von Wodka, Tequila, Bier, geräuchertem Fisch und was da sonst noch aufgetischt wurde, und legt sich hin - den einstündigen Aufenthalt in Nowosibirsk demnächst werden wir wohl beide verschlafen, da ist in der Dunkelheit sicher eh nicht viel zu sehen.

Birken, nichts als Birken

Und schon macht sich Trägheit breit nach unserer ersten, erstaunlich ruhigen Nacht im Zug, in der wir mit Unterbrechungen dann doch bis 8 Uhr geschlafen haben, obwohl bereits ab 3 Uhr morgens die Sonne in unser Abteil schien, da wir doch ganz schön weit im Norden unterwegs sind... Die Organisation der Morgentoilette und des Frühstücks in unserem engen Abteil, ohne Dusche, nur mit WC und Waschbecken auf dem Gang, war zwar etwas schwieriger und dauerte länger als sonst, aber danach: seliges Nichtstun.
Lesen, mit Titus spielen, auf dem Gang herumstehen, wieder lesen und aus dem Fenster schauen, mehr stand nicht auf unserem Programm. Draußen die stets gleiche Landschaft: riesige Birkenwälder, hin und wieder kleine Dörfer mit Holzhäusern, meist ungeteerte Straßen und karge Bahnhöfe alle paar Stunden.
Gegen Mittag erreichen wir Perm, hier haben wir schon zwei Stunden Zeitunterschied zu Moskau (und sind 1.500 km davon entfernt), doch im Zug sitzen wir in einem seltsam zeitlosen Raum - denn die "Zugzeit" ist immer Moskauer Zeit, d.h. alle Ankunftszeiten orientieren sich ausschließlich daran, ebenso die Öffnungszeiten des Bordrestaurants und die Uhren an den Bahnhöfen... 


Zur Mittagszeit versuchen wir, am Bahnsteig etwas Essbares für uns zu organisieren, doch außer einem Joghurt und einer Teigtasche bleibt die Suche erfolglos, so dass wir froh sind über unsere Vorräte an Tütensuppen und das Campinggeschirr. Heißes Wasser ist Tag und Nacht im auf dem Gang stehenden Samowar verfügbar, über dessen Betrieb die beiden Provodnitsas wachen, die sich in unserem Wagon in 10-Stunden-Schichten abwechseln. Tagsüber staubsaugen und wischen die beiden auch mal die Gänge und Abteile durch und erzählen uns radebrechend stolz, dass der Zug in Deutschland gebaut wurde.

Leider können wir immer noch nicht mehr als vielleicht 15 russische Wörter, und so ist die Kommunikation mit den mitreisenden Russen und dem Personal meistens recht einseitig; auch wenn Titus natürlich immer für Gesprächsstoff sorgt und auch sprachbarrierenfrei mit den Damen im Bordrestaurant schäkert.
Außer uns ist außer Russen (darunter eine ganze Armee-Einheit, die sich im beengten 3. Klasse-Abteil breit gemacht hat) nur noch ein deutsch-französisches Backpacker-Pärchen im Zug, die beiden fahren ebenso wie wir auch erst einmal nach Irkutsk und später weiter bis Peking.

Nach einem weiterhin recht ereignislosen Nachmittag - man passt sich schnell an das Bord-Leben an, mit Herumliegen, Musik hören, weiterhin die Birkenwälder draußen anstarren und an den Bahnhöfen mal schnell die Beine vertreten - besuchen wir abends wieder das immer noch vollkommen leere Bordrestaurant und versuchen uns heute an Borschtsch, einem Rohkostteller und Pommes. Na, zumindest Titus scheint davon begeistert zu sein, er isst sich angeregt durch unsere Portionen. Darüber bin ich sehr froh, das war nämlich mein einziger Sorgenpunkt vor dieser Reise, da mir nicht ganz klar war, wie die Mahlzeiten für so ein kleines Kind unterwegs zu organisieren sind. Aber bislang, toi-toi-toi, haben wir unsere Notfall-Breivorräte kaum angerührt, da der kleine Kerl immer äußerst neugierig alles probieren möchte und ganz schöne Portionen verdrückt, indem er sich den lieben Tag bei uns mit durchfuttert. Vor allem auf Joghurt und auf den allgegenwärtigen Buchweizen-Porridge ("kasha") ist er ganz wild!

Kurz nach der Einfahrt in Jekaterinburg, 1.800 km Fahrtstrecke liegen hinter uns, schläft der kleine Mann selig hinter seinem Netz, während Norman draußen am Bahnhof noch einen Gute-Nacht-Snack für uns organisiert. Wir versuchen uns langsam an die Zeitumstellung zu gewöhnen und Titus peu à peu wieder früher ins Bett zu bringen, zumindest das Einschlafen hier klappt bei dem schönen gleichmäßigen Schaukeln ganz wunderbar!

Abfahrt, alles einsteigen!

Während ich diese Zeilen schreibe, sind wir schon gut 500 Kilometer von Moskau entfernt, irgendwo zwischen Moskau und Jekaterinburg und seit fast acht Stunden im Zug unterwegs.
Fast zu schnell kam der Abschied von Moskau, da wir heute alle - wie sollte es anders sein - tatsächlich bis fast halb neun geschlafen haben und deshalb die Zeit, bis uns das Taxi zum Bahnhof bringen sollte, gerade so nutzen konnten, um unser ganzes Gepäck wieder einzusammeln, halbwegs sinnvoll neu zu packen (d.h. alles, was nicht im Zug benötigt wird, kam zusammen in einen Rucksack, den wir im Zug sofort ins unerreichbare Fach ganz oben unter der Decke geräumt haben) und den Kühlschrank auszuräumen, während Titus fröhlich ob des Trubels zwischen uns herumgewuselt ist.


Schlüsselübergabe, ab ins Taxi, 20 Minuten später schon am Jaroslavsky Bahnhof - und dann erst einmal eine Kaffeepause, in der wir uns orientieren konnten, wann und wo genau unser Zug abfahren sollte. So standen wir also pünktlich am Gleis, konnten auch problemlos unseren Wagon ausfindig machen, einchecken und unser Vier-Bett-Abteil, das wir zum Glück ganz alleine für uns haben, beziehen.


Praktischerweise lag schon für jedes Bett das Bettzeug und ein kleines Handtuch pro Person bereit, wir verstauten unser Gepäck und richteten uns einigermaßen häuslich ein, froh darüber, dass wir uns den Luxus gegönnt haben, das gesamte Abteil für uns zu buchen und es nicht mit einem weiteren Fahrgast teilen zu müssen. Titus erkundete währenddessen schon einmal den Zug und verfiel kurz nach der Abfahrt in einen ersten komatöschen Mittagsschlaf, eingeschunkelt vom Rattern der Gleise, während draußen die ersten Birkenwälder vorbeizogen.


Wir warfen uns währenddessen in die obligatorische Wohlfühlhose (ein "Must-have" in der Transsib!) und verbrachten einen gemütlichen Nachmittag, ein erster Vorgeschmack auf die kommenden fünf Tage. Den im Gang hängenden Fahrplan konnten wir bislang auch richtig deuten, dort sind alle Haltestellen mit der jeweiligen Aufenthaltsdauer vermerkt. Und so fanden wir uns bei den beiden gut halbstündigen Stopps dann mit allen anderen Fahrgästen am Bahnsteig ein, um uns ein bisschen die Beine zu vertreten.

Nun schläft Titus bereits hinter seinem improvisierten "Rausfallschutz" auf der Liege, er fühlt sich hier richtig wohl, erkundet alles sehr interessiert, krabbelt, klettert und läuft immerzu herum und wird permanent von den Mitreisenden, egal ob Fahrgästen, Schaffnerinnen oder Bedienungen, geherzt. Dass die sog. "provodnitsas" (eine Art Stewardessen), von denen jeder Wagon zwei hat, die sich um die Pasagiere und die Sauberkeit dort kümmern, angeblich so unfreundlich sind, können wir bislang nicht bestätigen. Unser kleines "Bestechungsgeschenk" in Form von Milka-Schokolade wurde abgelehnt, stattdessen bekam Titus seinerseits Süßigkeiten geschenkt, und auch schon vom mitreisenden Herrn im Abteil nebenan ein kleines Spielzeug...
Unseren ersten Besuch im Bordrestaurant verbuche ich auch mal unter "besser als erwartet", unser Essen (frische Kartoffelpuffer, Gemüseeintopf) war frisch und lecker, und der kleine Mann hat sich schnell mit den Angestellten dort angefreundet.

Nachdem wir nun auch herausgefunden haben, wie der Wasserhahn in der Toilette des Abteils funktioniert, werden wir uns nun wohl ans Zähneputzen machen und dann bald schlafen gehen, zwar hält der Zug heute nach noch ein paar Mal, aber das kriegen wir hoffentlich nur am Rande mit.

22.5.15

Spielplatz und Theater

Da unsere Zeit in Moskau sich nun schon dem Ende nähert, mussten heute ein paar "Alltagsdinge" erledigt werden. Um für die kommenden 4 Nächte in der Transsibirischen Eisenbahn gerüstet zu sein, nutzen wir die im Apartment vorhandene Waschmaschine und sorgten für saubere Klamotten. Außerdem deckten wir uns im Supermarkt noch mit den nötigen Essensvorräten für die Zugfahrt ein. So verbummelten wir den Vormittag mehr oder minder in der Wohnung, mit lesen, spielen und Mittagessen kochen. 


Wie sich zeigte, ist Titus auch ein großer Fan von Buchweizen, den es hier in zig Variationen (u.a. auch im Kochbeutel) gibt!



Nach dem Essen wollten wir noch ein wenig was für unsere Bildung tun und machten uns auf den Weg zum "Gulag-Museum", nicht weit von unserer Wohnung gelegen. Nach längerem Suchen fanden wir den baufälligen Eingang, doch dort wies uns ein Schild darauf hin, dass das Museum momentan umzieht und deshalb leider geschlossen ist. Da uns auf die Schnelle kein anderes Museum einfiel, das wir unbedingt noch besuchen wollten, spazierten wir zum nächstgelegenen Grünstreifen, dem "Hermitage Park". Solange Titus im Kinderwagen sein Nickerchen hielt, saßen wir im schönen Café dort, tranken ein Bier (im Urlaub gerne auch schon am frühen Nachmittag!) und taten einfach mal nichts, und das noch bei schönstem Sonnenschein.
Nachdem der kleine Mann wieder wach war und beschäftigt werden wollte, gesellten wir uns zu den 50 anderen Kindern und der Begleitpersonen auf den Spielplatz im Park, der ganz großartig für so kleine Menschen war. Titus schloss auch sofort Freundschaft mit anderen russischen Krabbelkindern und deren Aufpasserinnen. Einige der Kinder waren mit ihren Nannys da, die wohl von den Philippinen o.ä. stammten, und somit erfreulicherweise mal Englisch konnten.


Da der Himmel sich bedrohlich schwarz verfärbt hatte, machten wir uns auf den Heimweg, und kaum waren wir dort angekommen, prasselte auch schon ein heftiger Gewitterregen los, den wir staunend von unseren Fenstern im 8. Stock verfolgten.
Nach einem schnellen Abendsnack im benachbarten Café Mu-Mu stand dann für mich tatsächlich noch ein wenig Kultur auf dem Programm: Normans liebe Kollegin Maria hatte mir netterweise ein Ticket für das berühmte Bolshoi-Theater besorgt, und so durfte ich eine Vorstellung von "Dornröschen" besuchen.


Das Theater an sich ist ein beeindruckender Bau, schön renoviert, mit gut 1.800 Sitzplätzen. Ich saß ganz oben in der Galerie, inmitten vieler anderer Touristen und Familien mit Kindern, vielleicht war deshalb der Lärmpegel im ersten Teil der Aufführung erstaunlich hoch.


Das Bühnengeschehen war schön anzusehen, das einheimische Publikum war begeistert und feierte jede Tanzfigur des großen Ensembles mit lautem Zwischenbeifall. Allerdings stammte die Choreographie und die Ausstattung mitsamt der Kostüme wahrscheinlich noch aus dem Uraufführungsjahr 1890,  und da ich nun mal kein Ballettkenner bin, bleibt nur zu sagen: gute Unterhaltung, und schön, dass ich nun auch dieses Theater mal besuchen durfte!
Als ich gegen 22 Uhr zurück zu unserer Wohnung spazierte, bewegte ich mich unverkennbar durch eine Millionenstadt - überall saßen Menschen beim Abendessen, natürlich alle draußen vor den Restaurants, obwohl es nur max. 16 Grad hatte, aber für Moskauer ist nun wohl Sommer, auf den Straßen wurde gebaut wie wild, alle Geschäfte hatten noch geöffnet, und wenn ich nicht gewusst hätte, dass mich in wenigen Stunden wieder ein kleiner Mensch wecken würde, wäre ich wohl noch auf einen Schlummertrunk irgendwo eingekehrt...

21.5.15

Russische Küche

Der kleine Mann wird gerade bettfein gemacht, da bleibt wieder einmal Zeit für einen kurzen Tagesbericht, bevor Norman und ich uns noch ein Glas Wodka einschenken und recht schnell schlafen gehen - das frühe Aufstehen jeden Tag ist doch anstrengend!
Obwohl wir heute fast schon "ausschlafen" konnten! Titus ist heute morgen gegen halb vier zwar mal polternd von seiner Matratze am Boden gepurzelt, woraufhin wir ihn zu uns ins Bett geholt haben, aber dort hat er immerhin noch bis fast 7 Uhr geschlafen, hurra!
Wieder strahlte die Sonne durchs Fenster, und nach einem gemütlichen Vormittag brachen wir gegen 10 Uhr auf zum Stadtspaziergang, bei mindestens 25 Grad draußen. Gut eine Stunde spazierten wir, vom Bolschoi-Theater ausgehend (beeindruckend groß!) durch das Viertel Kitay Gorod; vorbei am im Jugendstil erbauten Metropol-Hotel, durch die Nikolskaya-Straße mit ihren teuren Geschäften, an wunderschönen orthodoxen Kirchen- und Klösterbauten und Markthallen vorbei, alles wunderbar gepflegt und schön anzuschauen.
Endlich erreichten wir die Moskwa und machten uns auf die Suche nach einer Anlegestelle für eine Bootsrundfahrt; dabei waren wieder einmal vielspurige Straßen zu überqueren. Doch erstaunlicherweise hält man sich hier akribisch an Ampeln und sogar Zebrastreifen.
Die etwa einstündige Bootsfahrt dann war ein großes Vergnügen, zu schön war's, vom praktisch menschenleeren Ausflugsboot die Stadt noch einmal von der Wasserseite aus zu "erfahren", und das noch bei herrlichstem Wetter und einem lauen Lüftchen! 


Zum Flußufer hin haben sich die schönsten Fassaden versammelt, vorbei ging's am Kreml, der Christ-Erlöser-Kathedrale, den Kunstmuseen, dem Gorky Park bis zur Kievsky Brücke westlich des Zentrums. Titus hatte einen Riesenspaß, über das ganze Schiff zu krabbeln bzw. seine Laufkünste zu verfeinern und dabei auf's Wasser zu gucken.



Als wir wieder ausgestiegen waren, war's Zeit für das Mittagessen, und praktischerweise waren wir nicht allzu weit von der Arbat entfernt, die wir ja gestern bereits erkundet hatten und die eine hohe Café- und Restaurantdichte aufweist. Also marschierten wir, wieder über bröckelige Gehsteige und an (für uns) unleserlichen Straßenschildern vorbei bis dorthin und kehrten im Café My-My ein, wo wir uns einfach ein bisschen auf gut Glück durch die Karte probierten und recht begeistert waren. Unser kleiner Reisebegleiter scheint ein großer Freund der russischen Küche zu sein, zumindest verspeiste er begeistert Rote-Bete-Salat, Pelmeni (gefüllte Teigtaschen) und trinkt mit Vorliebe Kwass (so eine Art malziger Brottrunk), nachdem er zum Frühstück heute morgen bereits den landestypischen Buchweizenporridge genießen durfte.
Nach einer U-Bahn-Fahrt, bei der wir endlich mal bewusst einen Blick auf die tatsächlich wunderschönen und riesigen U-Bahnhöfe werfen konnten und einem kurzen Supermarktabstecher war's wieder Zeit für das Nachmittagsnickerchen im Apartment, zu anstrengend ist das Herumgelaufe und ständige Kinderwagen-Geschleppe.
Um 18 Uhr fanden wir uns dann pünktlich und herausgeputzt - denn die Order lautete: no sport shoes! - im Café Pushkin zum Abendessen ein. Die vielen Kellner, deren Habitus aus der Zarenzeit zu stammen scheint, umwuselten uns fast schon diensteifrig, während wir noch die Einrichtung bestaunten, eine Mischung aus Wiener Caféhaus, altenglischem Club und Adelswohnsitz, mit original altem Drahtkorb-Aufzug und vielen antiquarischen Büchern. Die Speisekarte mutete ebenfalls ein wenig "angestaubt" an, aber das Essen war sehr fein (wenn auch nicht besonders Vegetarier-freundlich), und Titus hatte große Freude daran, Norman sämtliche Pelmenis und mir mein Nachtisch-Eis wegzufuttern und danach seine Socken von der Galerie aus ins darunterliegende Stockwerk zu den dort sitzenden Restaurantgästen zu werfen.  Ein Erlebnis!

20.5.15

Treppauf, treppab

Das Fazit des heutigen Tages vorweg: Moskau ist keine sehr kinderwagenfreundliche Stadt - zuviele Treppen sind zu bewältigen, es gibt kaum abgesenkte Bürgersteige, von Aufzügen ganz zu schweigen (der einige, der uns bisher untergekommen ist, ist in dem Haus, in dem sich unser Apartment im 8. Stock befindet, zum Glück!). Gelobe hiermit feierlich, in München nie mehr über die schlechte Rolltreppensituation zu schimpfen!
Zumindest schien uns heute morgen, als Titus bereits gegen 6 Uhr durch unser Bett getobt ist, die Sonne mitten ins Gesicht, und so starteten wir nach einem kleinen Frühstück gegen 9 Uhr unsere Stadterkundung bei herrlichstem Wetter!
Zunächst führte uns unser Spaziergang durch die Arbat, eine Fußgängerzone durch ein ehemaliges Künstlerviertel. Zwar waren zu dieser frühen Stunde die meisten Cafés und Geschäfte noch geschlossen, aber so war auch recht wenig los und das ist mit Kinderwagen ja sogar ganz hilfreich.
Weiter ging's Richtung Moskwa-Ufer, über holprige Bürgersteige, vorbei an Wohnhäusern, Büros und Konsulaten, viele mit Plaketten berühmter Bewohner geschmückt, die wir leider in den seltensten Fällen entziffern konnten, da alles nur auf kyrillisch geschrieben war (wir üben noch)!
Schließlich erreichten wir die Christ-Erlöser-Kathedrale, beeindruckend groß, weiß und mit goldenen Zwiebeltürmen hoch über dem Ufer thronend. Die Verzierungen, Bildnisse und Ikonen im Innern waren beeindruckend, die große Zahl der Gläubigen an einem ganz normalen Mittwoch vormittag ebenfalls, die betend die Ikonen küssten und Kerzen entzündeten. Leider konnten wir nicht wie geplant das Dach bis hin zu einer Aussichtsplattform besteigen - auf meine Nachfrage erzählte mir die Dame am Schalter, das das heute nicht geht (glaube ich zumindest), aber warum genau, konnte ich ihrem Schwall Russisch nicht entnehmen, und sie war dann auch beleidigt, dass ich sie nicht verstehe.
Egal, Titus war eh soeben aus seinem Vormittagsschlaf erwacht, und so machten wir im Sonnenschein sitzend noch ein Päuschen vor der Kirche, jagten die Tauben und genossen die Aussicht.




Über eine kleine Moskwa-Brücke spazierten wir dann lange am Flussufer entlang, vorbei an der riesigen Statue Peters des Großen und durch einen wunderschön angelegten Park, mit Wasserspielen, Bänken, Radlwegen, Spielplätzen etc. bis hin zum bombastischen Eingang des Gorky Parks.
Wider Erwarten war dieser nicht "typisch sowietisch", sondern so schön, dass wir den ganzen Mittag/Nachmittag dort verbrachten, lecker zu Mittag aßen, um die verschiedenen Seen und Brunnen herumschlenderten, auf dem Spielplatz tobten, im Gras herumlagen und uns alle ein bisschen die Nase verbrannten.
Hier endlich fanden sich erstmals auch andere Kinder, die haben wir in der Stadt bislang vermisst. 

Da wir den ganzen langen Heimweg nicht nochmal zu Fuß antreten wollten, wagten wir uns in die Moskauer Metro, auch das mit Kinderwagen eher abenteuerlich anmutend, da die Rolltreppen (na, immerhin!) irre steil bestimmt doppelt so tief wie in München hinunterrasten.
Nach diesem Ausflug mussten wir alle drei erst einmal ein laaaanges Nachmittagsnickerchen halten, und kaum daraus erwacht, uns auch schon wieder in Schale werfen, denn wir waren zum Abendessen mit Normans Kollegin Maria verabredet, die Moskau sehr gut kennt und uns im Vorfeld bereits viele, viele tolle Tipps dafür verraten hat! Das gemeinsame Essen im recht schicken Restaurant "Oblomow" war dann auch sehr fein, und so hatten wir einen netten Abend. Als wir uns gegen halb zehn auf den Rückweg machten, ging's in der Metro, auf den Straßen und in den Cafés und Geschäften immer noch recht turbulent zu, aber das ist bei mehr als 10 Mio. Einwohnern wohl auch kein Wunder.
Titus war dementsprechend überdreht, als er endlich ins Bett gehen sollte, überhaupt ist der kleine Mann seit ein paar Tagen extrem anhänglich, aber das ist bei den vielen neuen Eindrücken um ihn herum wahrscheinlich auch kein Wunder...

19.5.15

Moskau für Frühaufsteher

Hm, so war das eigentlich nicht gedacht, schließlich haben wir doch jetzt Urlaub?! Titus saß jedenfalls heute morgen um Punkt 6 Uhr hellwach in unserem Bett, während draußen die Sonne aufging. Ein bisschen konnten wir das Aufstehen noch hinauszögern, und saßen bereits um kurz nach 8 Uhr dann im Café um die Ecke beim Frühstück. 

Anschließend spazierten wir die Tverskaya-Straße, ein achtspurige Ausfallstraße mitten in der Innenstadt, hinunter, um uns wuselten die Menschen in Richtung Arbeit. Während Titus bereits sein erstes Vormittagsnickerchen hielt, erreichten wir den Roten Platz und den Kreml. Dank der frühen Uhrzeit war es kein Problem, eine Eintrittskarte für letzteren zu bekommen, und pünktlich zur Öffnung um 10 Uhr betraten wir den Palast-Komplex.
Eisig kalt blies der Wind bei max. 10 Grad über die Innenhöfe und Plätze, und so eilten wir recht zügig in die "Armoury Chamber". Nachdem wir den Kinderwagen dort über diverse Treppenhäuser gewuchtet hatten (Barrierefreiheit gibt's hier offenbar nicht), besichtigen wir eine gute Stunde lang diese Sammlung von Goldschmiede-Kunstwerken, Rüstungen, Waffen, Thronen, Kutschen und Kleidern der Zaren und Zarinnen. Besonders beeindruckend war zum einen die schmale Taille der Zarin Anna, zum anderen die wirklich bemerkenswerten Fabergé-Eier und zum dritten die abweisende Miene der Aufseherinnen.
Nachdem wir den Kinderwagen wieder mühsam über zig Stufen nach draußen gewuchtet hatten, spazierten wir inmitten Horden von chinesischen Reisegruppen, die wahrscheinlich alle zum Lenin-Mausoleum unterwegs waren, einmal quer über den gigantisch großen Roten Platz bis zur bekannten Basilius-Kathedrale, die wir in der Kälte zügig umrundeten, um Punkt 12 Uhr den Wachwechsel beobachteten und dann noch zügiger das uns empfohlene "Café Avocado" ansteuerten.

Die rein vegetarische/vegane Speisekarte dort war beeindruckend, und so mampfte sich unser Kind durch Karottensalat, Borschtsch, Nudeln mit Gemüsesauce, Süßkartoffelpommes,...
Nach der kurzen Nacht wollten wir danach alle erst einmal ins Bett, machten uns aber noch auf die Suche nach einem Supermarkt. Nachdem wir den Kinderwagen wieder über hunderte Stufen getragen hatten (die großen Straßen sind alle nur per Unterführung zu überwinden, natürlich stets ohne Aufzüge oder Rolltreppen), fragten wir eine junge Mutter nach dem nächsten Supermarkt - zwar konnte ich ihre Antwort nicht verstehen, aber zumindest konnten wir die Richtung erahnen und uns dann schnell mit dem nötigsten für die nächsten Tage eindecken.
Nach einem ausgiebigen Nachmittagsnickerchen, bei dem wir den einsetzenden Regen vorbildlich verschliefen, spazierten wir (natürlich wieder mit einem kleinen Treppen-Work Out) zunächst zum "Café Pushkin", der "queen mother of haute-russe dining", wie der Lonely Planet-Reiseführer zu berichten weiß, um dort für den Donnerstag abend einen Tisch zu reservieren. Anschließend bestaunten wir das Interieur und das Warenangebot im Jugendstil-Kaufhaus Eliseevsky , das sich direkt gegenüber unseres Apartments befindet.
Dort kochten wir dann ein leckeres Abendessen, spielten noch ausgiebig und ließen den Tag bei einem Gläschen Wodka-Lemon ausklingen - denn wir müssen wohl künftig früher ins Bett gehen, wenn wir mit dem kleinen Mann mithalten wollen!




18.5.15

Liebesgrüße aus Moskau

So schnell kann es gehen: jetzt ist es bereits halb elf Ortszeit in Moskau, wir sitzen mit einem ersten Wodka Lemon in unserem Apartment, während der kleine Mann im Zimmer nebenan schläft.
Vor nicht einmal 8 Stunden sind wir in München abgeflogen; zum Glück in einem praktisch leeren Flugzeug, so dass wir alle genug Platz hatten und es so einigermaßen entspannend war. In Moskau am Flughafen Domodedovo angekommen, konnten wir erste Bekanntschaft mit dem russischen Servicegedanken machen: die Passbeamtin zeigte keine Gefühlsregung, als sie ewig lang unsere Pässe und Visa kontrollierte. Erst bei Titus' Babycharme konnte sie nicht mehr widerstehen und zeigte die Andeutung eines Lächelns...
Wie mit unserem Vermieter vereinbart, stand draußen auch schon ein deutlich netterer Taxifahrer für uns bereit (der sogar einen Kindersitz im Auto hatte), der uns gut eine Stunde lang von Moskaus Außenbezirken (Plattenbau neben Plattenbau) bis ins Zentrum zu unserer Unterkunft fuhr; zum Glück, ohne mit den berüchtigten Moskauer Staus in Berührung zu kommen.
Das gemietete Apartment stellte sich als wunderschön, toll ausgestattet und sehr zentral gelegen heraus, und so packten wir schnell aus, während Norman sich auf die Suche nach den ersten lebensnotwendigen Dingen (Abendessen, Wasser und Wodka) machte. Titus erkundetete begeistert die Wohnung und aß dann noch begeisterter mit uns die erste Tiefkühl-Pizza seines Lebens.
Wahrscheinlich entkommt man mit Kind bei einer solchen Reise doch nie ganz dem Alltag - schließlich muss nun täglich gekocht werden, die Abende verbringen wir sicherlich auch "zuhause", Moskaus Spielplätze wollen besucht werden, und als erster Programmpunkt morgen steht ein Ausflug in den Supermarkt an, um für Essen und Windeln zu sorgen. Aber so erfährt man eine Stadt vielleicht auch etwas mehr mit den Augen eines Einheimischen.
Gespannt bin ich auch, wie das mit der Verständigung klappt; der Taxifahrer und auch die Vermieterin waren keines englischen Wortes mächtig, und unsere Russischkenntnisse beschränken sich auf ca. 5 Wörter, auch wenn wir gerade fleißig das kyrillische Alphabet lernen. Mit der Vermieterin konnten wir dank eines Übersetzungsprogramms auf ihrem Handy wenigstens die wichtigsten Details klären, aber das wird wohl nicht überall klappen!

Es geht los!


Nun sind wir tatsächlich gestartet - unsere liebe Freundin Mara hat uns netterweise zum Flughafen chauffiert, das war angesichts der Gepäckmengen (2 große Rucksäcke, ein Reisetrolley, 2 Tagesrucksäcke und ein Buggy - insgesamt haben wir gut 45kg Gepäck aufgegeben) doch sehr praktisch.
Beim Einchecken konnte Titus schon einmal seinen Charme bei der russischen Angestellten von Ural Airlines spielen lassen, und zeigte sich später dann besorgt, als sein Puh-Bär durchleuchtet wurde.
Wir sind froh, dass es jetzt endlich losgeht, genug der Packlisten und Herumorganisierereien! Wir melden uns wieder aus Moskau!

13.5.15

Es geht wieder los - diesmal zu dritt!

Lang ist der letzte Blogeintrag her, gut 1 1/2 Jahre sind seitdem vergangen... Unsere Reiselust ist aber ungebrochen, und so nutzen wir die 2monatige Elternzeit von Norman, um mit unserem kleinen Weltenbummler auf große Fahrt zu gehen.
Am kommenden Montag werden wir den Flieger nach Moskau besteigen, und von dort aus geht es in mehreren Etappen (genaueres dazu könnt Ihr der Karte rechts entnehmen) etwa 8 Wochen lang ca. 8.000 km weit ostwärts bis nach Peking.
Bis dahin gibt es noch viel zu tun, das Reisen mit einem knapp 1jährigen Kind stellt uns vor ganz neue Herausforderungen. Unsere Packlisten sind seit einigen Jahren perfektioniert und erprobt, doch was braucht denn so ein kleiner Mann?
Erst einmal mussten wir für ihn eine "Reisegrundausstattung" zusammenstellen (Schlafsack, Reiseapotheke, Outdoor-Kleidung,...), nun besprechen wir uns täglich zum Thema "Wie viele Windeln / Obst-Quetschies / Schnuller / Bodies / ..." brauchen wir? Zum Glück sind wir immer relativ nah an der Zivilisation und damit an Supermärkten, wo man hoffentlich auch in der Mongolei das Nötigste für ein Baby erstehen kann.
Momentan tragen wir also alles an Ausrüstung zusammen und werden dann die kommenden Tage nutzen, um hoffentlich alles in den vorhandenen Rucksäcke unterzubringen - ich halte Euch gerne auf dem Laufenden, mit wie viel Gepäck wir uns dann schlussendlich am Montag auf den Weg machen werden!
So schlecht wie Titus momentan schläft, scheint er bereits unter Reisefieber zu leiden, und mir schwirrt auch ein wenig der Kopf mit allen offenen "To-Do's". Die Vorbereitungen haben doch wieder einmal mehr Zeit in Anspruch genommen als gedacht.. Nun ja, ein paar Tage haben wir noch!