28.8.16

Auf knapp 3.000 m ist's ganz schön kalt - San Gerardo de Dota (27.08.2016)

Unfassbarerweise schläft Titus fast 12 Stunden mehr oder weniger ohne größere Unterbrechungen. Norman und ich sind längst wach und freuen uns über den Blick auf die Berge und den momentan fast wolkenlosen, blauen Himmel und die Sonnenstrahlen, während Titus um kurz vor 8 Uhr immer noch ratzt. Wir wecken ihn, denn Frühstück gibt es nur bis 9 Uhr und wir müssen langsam los.

Das Kind ist ausgeschlafen und bestens gelaunt und läuft den ganzen Weg ins Restaurant alleine, nicht ohne mir beim Laufen noch zu erklären, dass es "in Costa Rica nicht so viele Kurven" gebe. Aha?! Im Frühstücksraum bekommen wir halbwegs trinkbaren Kaffee, Marmelade aus eigener Herstellung und frischgepressten Obstsaft. Auch den langen Rückweg zu unserem Häuschen läuft Titus alleine, dort packen wir Kraxe und Wandersachen ein und marschieren zum Parkplatz. Direkt daneben ist ein großer Kinderspielplatz, der erste überhaupt, den wir in Costa Rica sehen, und da das Wetter abgesehen von ganz leichten Nieselepisoden durch die wieder tiefhängenden Wolken immer noch einigermaßen gut ist, vergnügen wir uns eine halbe Stunde auf Trampolin, Schaukel und Klettergerüst.

Mit dem Auto geht es dann steil hinunter weiter ins Tal, vorbei an dicht bewachsenen Berghängen und rauschenden Bächen. Am Wegrand stehen immer wieder hübsche Holzhäuser mit netten Cafés und Unterkünften, jedermann winkt freundlich, wenn wir vorbeifahren, eine echte Idylle. Ich zitiere aus dem Reiseführer, in dem vom "ländlichen Charme" dieser Gegend geschwärmt wird, und ganz im Sprachduktus der Lonely-Planet-Autoren verleihen wir der Gegend den Titel "Südtirol Costa Ricas".

Am Ende der Straße parken wir das Auto und machen uns auf, dem gut beschilderten Wanderweg Richtung Wasserfall zu folgen. Es geht in den Nebelwald hinein, immer am Flusslauf entlang. Die Bäume und Steine sind allesamt dicht mit Moosen und Farnen bewachsen, die Luft ist klar und kühl und immer wieder regnet es ein wenig. Fast herbstlich ist die Stimmung. Viele Leute kommen uns entgegen, auch bei den Ticos ist Wochenende und damit Familienausflug angesagt. Tiere sehen wir leider nicht, diese Gegend ist vor allem bekannt bei Vogelfreunden, und dazu gehören wir eher nicht... Fast eine halbe Stunde führt uns der Pfad über Brücken hinab, bis er in einer Art Klamm endet. Dort muss Norman, mit der Kraxe auf dem Rücken steil über glitschige Steine abwärts klettern, bis wir unter einem Felsüberhang am Ende des Weges und dem Wasserfall ankommen. Die Gegend hier ist bekannt für ihr Forellenvorkommen, und so stehen hier,  wie auch den ganzen Weg über, wieder zwei einheimische Angler. Uns wird sogleich ihr bisheriger Fang präsentiert, und kurz darauf zuckt die Angel wieder und eine Forelle wird aus dem Wasser geholt. Titus ist sehr fasziniert davon und so bleiben wir eine Weile hier - da es sowieso gerade ziemlich regnet und wir einen trockenen Unterstand haben, haben wir keine Eile.

Als der Regen nachlässt, machen wir uns auf den Rückweg zum Auto und kehren nach kurzer Fahrt in ein hübsches Café am Wegrand ein. Dieses ist wunderschön gelegen, mit großer Terrasse und Blick auf den Fluss, und von kundiger Hand toll bepflanzt. Ringsum wuchern riesige Hortensienbüsche und Hibiskusbäume, Callas-Blumen säumen den Parkplatz, Rhododenron rankt die Streben hinauf und die meisten Pflanzen kenne ich noch nicht mal. Es ist kühl, wir sitzen mit Jacke auf der Terrasse und bestellen erst einmal Tee und heiße Schokolade, für Titus eine Kürbissuppe aus eigenem Anbau und Norman kommt nicht umhin, die Forellen-Ceviche zu probieren. Wir sind sehr angetan, Titus sitzt sofort wieder in der Hängematte und schaukelt selig, und vor allem Norman kann seine Begeisterung für diese Gegend kaum zügeln. Am meisten gefällt ihm wohl, dass es endlich nicht mehr so heiß ist. Ich bin erleichtert, denn bei der Reiseplanung war er zunächst sehr skeptisch, ob sich ein Abstecher hier überhaupt lohnt und ob wir diesen Teil der Reise nicht überspringen wollen...

Inzwischen haben die Wolken wieder das gesamte Tal eingenommen, es regnet ohne Pause und so verbringen wir den restlichen Nachmittag wieder im Häuschen, mit brennendem Kamin, und machen mit Titus furchtbar viel Quatsch. Wir lachen und tollen im großen Bett herum, bis wir alle fix und fertig und vor allem hungrig sind.
Diesmal marschieren wir an der Straße entlang ein paar hundert Meter bergauf, Titus beleuchtet uns professionell mit der Taschenlampe den Weg. An der nächsten Kehre erspähen wir ein Schild, das auf eine Pizzeria hinweist, dort kehren wir ein. Die "Pizzeria" ist eine kleine Stube mit zwei handgezimmerten, etwas wackeligen Holztischen und echtem Familienanschluss. Der Koch und gleichzeitig Chef ist vielleicht Mitte Zwanzig, spricht ganz passabel Englisch und freut sich über unseren Besuch, so dass er sogleich die kartenspielenden Dorfälteren hinausscheucht, damit wir Platz nehmen können. Am zweiten Tisch sitzt die Dame des Hauses und stickt, unter ihrem Tisch schläft ein großer Schäferhund und auf der Couch schläft ein Schäferhundwelpe.

Nach unserer Bestellung verschwindet Titus mit dem Koch quasi in der Küche, dieser erklärt ihm jeden einzelnen Schritt der Zubereitung und lässt ihn alles probieren und an jedem Kraut schnuppern. Titus ist so hungrig, dass er es kaum aushält, sehr zur Belustigung der Anwesenden. Die Pizza, die bald vor uns steht, ist wirklich lecker, Titus sagt mit vollen Backen: "Das hat der Mann aber super gemacht!" und verputzt fast eine ganze Pizza alleine. Dazu gibt es frischen Blaubeer- und Guavensaft.

Wir unterhalten uns nett mit dem jungen Koch, der offenbar eine große Leidenschaft für Kochen und Lebensmittel hat und begeistert vom tollen deutschen Brot schwärmt. Titus bekommt von ihm noch eine kleine Koch-Figur aus Keramik geschenkt, da es ihm so gut gefallen hat, wie sehr sich Titus für den Kochvorgang interessiert hat. Wie nett! Er packt uns noch die wenigen verbliebenen Pizzareste ein und verabschiedet uns dann sehr herzlich.

Den unbeleuchteten Weg zurück finden wir dank unserer Lampen problemlos und werfen in unserer Unterkunft gleich wieder den Kamin an. Titus ist so geschafft und gesättigt, dass er darauf besteht, sofort seinen Schlafanzug angezogen zu bekommen, und schnarcht kaum 20 Minuten später schon unter der dicken Decke. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen