4.9.13

Die Yogis auf Ausflug (30.08.2013)

Freitags ist hier "frei", d.h. alle Kurse sind an diesem Tag rein optional, und hin und wieder bietet das Ashram-Team freitags einen Tagesausflug an. So zum Glück auch heute, wir haben die Mindestteilnehmerzahl erreicht und steigen um 6 Uhr morgens zu 15t in den schon wartenden Minivan. Als Reiseleiter sind der Yoga-Opi (der übrigens in zwei Tagen seinen - sicherlich wohlverdienten - Ruhestand antreten wird) und die "Marionette" (einer der Hilfs-Yogalehrer, der so lang und dürr und schlaksig und braun ist, dass er aussieht wie eine Marionette. Dazu hat er ganz hinreißende Segelohren und grinst immerzu verschmitzt) mit von der Partie.
Gackernd und lautstark quasselnd sitzen wir alle im Bus, es ist eine Stimmung wie auf Klassenfahrt.
Unser erster Stopp nach fast drei Stunden Fahrt durch das erwachende Kerala, das grün und bunt und quirlig ist, ist ein Restaurant, in dem wir Frühstück bekommen - und zwar zu meiner Begeisterung "Masala Dosas", eines meiner Lieblingsgerichte!!!
Nach kurzer Weiterfahrt erreichen wir Padmanabhapuram (ja, die Städtenamen hier sind gewöhnungsbedürftig), dort steht eine Besichtigung des ehemaligen Königspalastes an. Viel interessanter ist für uns aber zunächst der Kokosnusshändler vor dem Eingang des Museums, der heute mit uns wohl ein Bombengeschäft macht, denn jeder braucht erst einmal eine frisch aufgeschlagene Kokosnuss. Der Palast ist der größte Holzpalast Asiens und beherbergte von 1550  bis 1750 die Könige Travancores, ist recht gut erhalten, auch wenn leider keine Innenausstattung mehr vorhanden ist. Die sich in einem Blumentopf des Gartens sonnende Agame ist deshalb für uns ein deutlich willkommeneres Fotomotiv.
Nach einer weiteren Runde Kokosnüsse und ein paar Fotos mit indischen Schulklassen flüchten wir in unseren wunderbar klimatisierten Bus, es ist bereits um 10 Uhr morgens heiss!
Nächster Stopp auf unserer Rundfahrt ist der Thanumalayan Tempel; bevor wir hineindürfen, müssen sich die Männer erst einmal entkleiden, "Mann" darf nur obenrum nackig den Tempel betreten. Das gilt zum Glück nicht für uns Mädels. Drin ist - wenn ich das so despektierlich sagen darf - die Hölle los, heute ist wohl in ganz Kerala und Tamil Nadu frei, und die riesige Tempelanlage ist überfüllt mit ganzen Familien auf Ausflug, trommelnden Sadhus, gaffenden Männergruppen, kichernden Schulmädchen, und wir mittendrin. Unser Guide dort gibt sich alle Mühe, kann sich aber in dem herrschenden Radau meist nicht durchsetzen. So bleibt nur der Eindruck eines verschachtelten Tempelkomplexes, in dem man problemlos den nächsten "Indiana Jones"-Teil drehen könnte, und der beeindruckenden, 6 m hohen Hanuman-Statue, der man hier opfern kann. Geschäftstüchtig, wie die Inder sind, kann man direkt daneben an kleinen Buden Rosenwasser, Süßigkeiten (Hanuman ist ein kleines Schleckmaul!), Blumengirlanden und flüssige Butter kaufen, das man dann allesamt der Statue zu Füßen legen/giessen bzw. um den Kopf binden lassen kann. Nachdem wir brav alles mitgemacht haben, und auch pflichtschuldig das Knie der Nandi-Statue (dem Stier Shivas), gestreichelt haben (soll mal wieder gut fürs Karma sein) und uns auch noch lustige bunte Striche auf die Stirn haben verpassen lassen, bestaunen wir von außen noch ein wenig die beeindruckende, 40 m hohe Tempelfassade mit ihren vielen Bildhauer-Arbeiten, bevor wir uns wieder in den Klimaanlagen-Bus flüchten (nicht, ohne vorher an einem Stand noch Zuckerwasser, also kalte Cola, zu inhalieren - wir sind alle ein wenig auf "Zuckerentzug")...
Zum Mittagessen sind wir zu Gast im Vivekananda Ashram in Kanyakumari - dieser Ashram liegt der Lehre von Swami Vivekananda zugrunde, der für Indien auch politisch sehr wichtig war und nach wie vor verehrt wird. Dieses Center ist riesig, mehrere hundert Menschen legen hier fest, dazu kommen noch die (v.a. indischen) Gäste. Deshalb sieht der Speisesaal auch eher aus wie die Kantine eines mittelständischen Unternehmens, und auch hier ist das Mahl erstaunlich lecker!
Derart gestärkt, sind wir bereit für den südlichsten Punkt Indiens, und fahren mit der Fähre (auf der es dermaßen chaotisch und laut zugeht, dass es eine Freude ist), zum Vivekananda-Fels, 500 m vor der Küste. Dort steht ein großer Tempel und ein Denkmal für den besagten Herrn, der dort irgendwann einmal zwei Tage lang meditiert haben soll. Von dort aus hat man einen schönen Blick auf's Meer, wo der Golf von Bengalen sowie der Indische Ozean und das Arabische Meer zusammenfließen. Natürlich fallen wir als Reisegruppe auch hier auf, und so kommen wir vor lauter Fotoanfragen gar nicht zur Besichtigung - ständig steht irgendjemand von uns mit zig Indern um sich herum da und spielt Foto-Model. Und wieder fragen wir uns: Warum nur? Was machen die mit diesen Bildern bloß?
Zurück an Land bummeln wir über den etwas ärmlichen Bazar direkt an der Anlegestelle, außer ein paar Gewürzen und kalten Getränken ist hier nicht viel zu sehen, nur Antje lässt sich erweichen und kauft der wohl abgerissensten Familie, die ihre am Boden ausgebreiteten paar Waren feilbieten, ein paar Mala-Ketten ab, zu einem eigentlich unverschämten Preis, aber beim Blick auf die verfilzten Haare von Vater, Mutter und den zwei Kleinkindern und deren hervortretenden Rippen fällt das Feilschen aus.
In ein wenig gedrückterer Stimmung kommen wir kurz darauf am "Sunset Point" an, einem Strandabschnitt, zwischen dessen Felsen eigentlich alles so schön sein könnte: Meer, Sand, warmes Wasser, eine untergehende Sonne - wäre nicht alles total verdreckt, mit toten Fischen, abgenagten Hundeskeletten, Müll, und Ratten. Jeder von uns sucht sich ein nicht allzu ekliges Fleckchen, mit der frischen Meeresbrise um die Nase lässt es sich eigentlich doch ganz gut aushalten - bis ich merke, dass mich jemand beobachtet. Als ich mich umdrehe, steht ein indischer Opi, nur mit Lungi bekleidet, vielleicht 30 cm hinter mir und begutachtet interessiert die Bilder auf meinem Kameradisplay, die ich mir gerade anschaue. Ich bitte ihn, ein bisschen Abstand zu halten, stattdessen rückt er mir noch näher auf die Pelle - wieder mal gibt's hier kein Gefühl für Privatspähre. Ich flüchte und suche mir einen einsamen Felsen. Kurz darauf kommt Antje empört zu mir, sie wollte mal eben "für kleine Mädchen" und suchte sich dafür ein seeeehr abgelegenes Eckchen, gut versteckt zwischen den Felsen aus. Als sie gerade die Hose öffnen wollte, drehte sie sich sicherheitshalber nochmal um, um wer stand direkt hinter ihr? Genau, wieder der besagte Opi...
Deshalb und auch wegen der Müllberge verlassen wir die Bucht dann bereits vor Sonnenuntergang wieder, während ganz Tamil Nadu offenbar den Feierabend hier verbringt, Hunderte Inder pilgern mit Kind und Kegel hierher. Unsere Fahrt geht derweil weiter durch nun dämmrige Örtchen, bis wir um 19 Uhr vor einem Restaurant anhalten. Für's leibliche Wohl wird heute definitiv gut gesorgt!
Auch hier erwartet man uns bereits, und serviert ein südindisches Menü in Perfektion: leckere Parathas, Idlis, Vadas, scharfe Gemüse-Currys, Kokos-Chutneys, zum Abschluss Chai mit geschäumter (!!!) Milch. Wir sind alle selig und bitten um Nachschub.
Das Beste kommt zum Schluss, denn direkt neben dem Restaurant steht ein Süßigkeiten-Geschäft, in das wir gesammelt einfallen und Unmengen leckere Burfis und Gulab Jamuns kaufen und verzehren - die lächerlich wenig kosten und köstlich sind! Ich sag ja: wir sind alle auf Zuckerentzug, ist dieser doch, ebenso wie Kaffee, Alkohol, Zwiebeln, Knoblauch, Eier etc. im Ashram verpönt (die "prasad", die süßen Göttergaben, sind davon offenbar ausgenommen).
Entsprechend aufgedreht sind wir dann bei der Heimfahrt, die bei all dem Gequassel wie im Flug vergeht. Um 22 Uhr, nach einem langen, langen Tag erreichen wir den Ashram, dort ist es wegen eines Stromausfalls stockdunkel, alles schläft bereits, und so tasten wir uns schnell und leise in unsere Zimmer.
 

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