27.9.13

Auf Tour mit dem Staatsorchester (05.-13.09.2013)

Das Indien-Gastspiel des Staatsorchesters hat ja weltweit in der Presse und Öffentlichkeit Wellen geschlagen. Auf die politischen Gegebenheiten vor Ort will und kann ich gar nicht weiter eingehen, wer sich weiterbilden mag, hier ein paar Links:

Bayerischer Rundfunk, Beitrag BR-Klassik zu Kaschmir und zu Mumbai

Staatsorchester in den Mughal Gardens, Srinagar
 Es war in jedem Fall eine spannende Reise, und mir hat es mal wieder viel Spaß gemacht, mit "meinem" Orchester unterwegs zu sein. Doch lest selbst, wie's die Musiker so fanden:

http://blog.staatsoper.de/blog/kaschmir-und-wir
http://blog.staatsoper.de/blog/mumbai

Mumbai hat mich wieder einmal mehr begeistert, als mir lieb ist (Leopold Cafe! Trubel!), und ich habe es vor allem sehr genossen, gemeinsam mit meiner Mama und Martina noch 2 Tage dranzuhängen und nach einem sehr durchgetakteten Tour-Leben ein bisserl frei entscheiden zu können.
Zuallererst haben wir uns "downgegradet" und sind in ein etwas günstigeres Hotel umgezogen, denn ab sofort mussten wir unsere Übernachtungskosten selbst übernehmen, und die Zimmerpreise des Taj-Hotels haben uns dann doch nicht überzeugt. Aber im Astoria Hotel war's dennoch ganz nett, wenn auch natürlich nicht mehr so luxuriös wie vorher...
Die Reisegruppe in Mumbai
Die wenige Zeit, die uns blieb, haben wir genutzt, um nun endlich einmal das Indien anzuschauen, das ich bei meinen letzten Reisen erlebt habe. So haben wir eine hochinteressante, geführte Tour durch den Dharavi Slum (bekannt aus "Slumdog Millionaire") gemacht. Die Damen waren etwas skeptisch im Vorfeld, doch nach meinen Erfahrung vom letzten Jahr in Nairobi hoffte ich, ihre Bedenken würden sich zertreuen. Und siehe da: Reality Tours stellte uns einen überaus qualifizierten und informierten Guide zur Seite, der uns vor Augen führte, wie umtriebig das Leben in dieser eigentlich autarken "Stadt in der Stadt" funktioniert, in der die meisten vor allem deshalb wohnen, weil Mumbai mit seinen inzwischen geschätzt 24 Mio. Einwohnern schlicht an akuter Wohnungsnot leidet. In Dharavi blüht die Wirtschaft, jedermann geht einer Beschäftigung nach, einen interessanten und aktuellen Artikel dazu habe ich in der Frankfurter Allgemeinen gefunden.

Wenn schon in Mumbai, dann darf natürlich sowohl ein (oder mehrere Besuche) beim FabIndia nicht fehlen, und auch für einen nachmittäglichen Kinobesuch reichte die Zeit, wo wir uns "Shuddh Desi Romance" angeschaut haben. Leider haben wir mal wieder nicht 100% kapiert, um welche Irrungen und Wirrungen es in dieser Liebeskomödie so ging, aber allein das Raten darum hat uns gut unterhalten. Sobald der Film auf DVD erschienen ist, werden wir dann das Rätsel lösen.
Am letzten Tag stand noch ein Ausflug auf Elephanta Island auf dem Programm, dort war ich ja 2011 schon mal, und dennoch war ich wieder begeistert von den wunderschönen Steinfiguren (weniger nach wie vor von den freilaufenden Affen, die dort hungrig sämtliche Besucher belauern).
Viel zu schnell gingen diese Tage vorbei, und wieder mal wusste ich beim Abflug: das war sicher immer noch nicht das letzte Mal "incredible India!", denn jeder neue Besuch wirft viele neue Fragen auf, und umso mehr will ich auch noch die Landesteile entdecken, die ich noch nicht kenne.

Zum Schluss noch ein Ausschnitt aus dem kleinen "Flashmob" unserer Blechbläser, am Gateway of India in Mumbai:

4.9.13

Ein paar Erzählungen aus dem Ashram

Die Tage im Ashram sind - durch den fixen Tagesablauf - wunderbar gleichförmig und verfliegen nur so. Deshalb picke ich mir hier zum Schluss noch ein paar Besonderheiten heraus, die es wert sind, erzählt zu werden:

  • Wenn ich Indien anhand eines Geräuschs erkennen müsste, wäre es wohl der Klang der Reisigbesen, mit denen Blätter zusammengekehrt werden, auch hier im Ashram ununterbrochen, immer in gebückter Haltung, da kein Stiel vorhanden ist, und mit einer Engelsgeduld.
  • An Tag 2 kommt morgens beim Satsang die Ansage, dass sich alle mittags zusammenfinden sollen; ein Stapel Brennholz muss von der Anlieferung in die Küche transportiert werden. Nach viel Diskussion kriegen wir tatsächlich eine Kette hin und schleppen fast eine Stunde lang gehörig grosse Baumteile über's Gelände. Hinterher sind alle schmutzig, verschwitzt und reich an Karmapunkten!
  • Am dritten Tag im Ashram klappt's endlich mit dem Kopfstand (mit nur einer ganz klitzekleinen Hilfestellung)! Na also, da bleibe ich jetzt dran!
  • Sobald es dämmert, flitzen Streifenhörnchen wie wild durch die Büsche und Bäume und können einen mit ihren wagemutigen Sprüngen manchmal ganz schön erschrecken!
  • Am 28.08. feiert man im Ashram "Krishna Janmasthami" (Krischnas Geburtstag): den ganzen Tag über ist viel Betrieb auf dem Gelände, es wird geputzt, dekoriert, eine Bühne aufgebaut, Elektrik verlegt, eine Band mache Soundcheck... Ab 19:30 Uhr treffen sich alle (Ashram-Gäste sowie Inder aus dem Dorf) im Tempel zur feierlichen Geburtstagszeremonie, dem folgen mehr als 5 Stunden gemeinsames "Chanting", verbunden mit viel Radau durch die Begleitung der eher fragwürdigen Band. Die Party dauert bis ca. 1:00 Uhr und wird beendet mit einem großen Gelage aus zig verschiedenen "Prasads" (Süßigkeiten). Mir wird das schnell zuviel, ich verabschiede mich klammheimlich um 22 Uhr ins Bett...
  • Immer besser lerne ich die Leute aus dem Ashram kennen, und so verbringe ich viel Zeit u.a. mit Nishit aus Mumbai, Antje aus Nürnberg, Mary aus Kanada und Marie aus München (sie ist Schauspielerin am Residenztheater, stellen wir fest, und sind uns deshalb bestimmt schon mal in der Kantine begegnet - die Welt ist klein!)
  • Irgendwann morgens beim Aufwachen stelle ich fest, dass ich in den vier Wochen Urlaub nur 2 Tage lang selbst bestimmen konnte, wann ich aufstehen möchte. Die restliche Zeit war's vorgegeben, und nie später als halb sieben...
  • Nach drei Wochen in Bergstiefeln genieße ich es, nun eine Woche praktisch barfuß (oder höchstens mal in Flipflops) sein dürfen, das ist eine Wohltat!
  • An meinem letzten Abend ist - wie immer samstags - "Talent Show" auf dem Programm, also während des Abend-Satsangs ein bunter Abend geplant. Schnell werden die beiden Israelis Michelle und Adam als "Showmaster" bestimmt und verbringen den Tag damit, Freiwillige für einen Auftritt am Abend zu casten. Ein wenig absurd ist es dann schon, als direkt nach der Meditation die Aufführungen beginnen; auf dem Programm stehen:
    - ein hebräisches Liebeslied aus Israel
    - ein französischer Chanson
    - eine Comedy-Einlage von Rob, einem pensionierten Lehrer aus Kanada
    - eine Anleitung zum "Lachyoga" von Gabriele aus Aachen
    - das deutsche Lied "Unter dem Dach" von Gerhard Schöne
    - und als Highlight: Khan aus Tokio singt "Let it be" von den Beatles - und zwar im Kopfstand, während er mit den Fußsohlen dazu klatscht!
    Währenddessen sitzen die 30 Neuankömmlinge, die heute angereist sind (denn ab morgen beginnt der neue Kurs), ein wenig verstört dazwischen und wissen noch nicht so recht, was sie von allem halten sollen bzw. fürchten, dass das so eine Art "Abschlussprüfung" des Kurses ist...
  • im Ashram gibt es eine Katze und einen Hund, die eine ist zum Vertilgen der handtellergroßen Spinnen da, der andere zur Wache. Und die heißen: Om und Shanti!
  • Wieder einmal mache ich die Erfahrung, dass ein Monsun-Regenguss nicht im mindesten mit einem "europäischen Regen" zu tun hat. Hier stürzen von einer Sekunde auf die andere Wassermassen vom Himmel, und wenn man 10 Sekunden rausmuss, ist man klatschnass, gerade so, als hätte jemand mehrere Eimer Wasser über einem ausgeleert. Zum Glück sind wir Ende August in Südindien schon in der "Nach-Monsun-Zeit", so dass es nur ein einziges Mal nachmittags für ein Stündchen regnet - das reicht aber schon, dass überall mittelgroße Seen auf dem Gelände entstehen...
  • Bei meiner Abreise spät abends verabschieden wir uns alle sehr herzlich voneinander, es werden Mail-Adressen ausgetauscht, Bücher getauscht, außerdem lasse ich mal wieder eine ganze Menge Klamotten als Spende im Ashram, und gehe mit einem warmen Gefühl im Bauch hinaus aus Tor und steige ins Taxi. Eine Nacht verbringe ich in Trivandrum am Flughafen, wo ich tatsächlich einigermaßen schlafen kann - und am nächsten Mittag steige ich in München schon wieder aus dem Flugzeug und freue mich auf einen Abend mit Pizza, Salat und Wein!
--> Fazit: eine tolle Erfahrung, auch wenn mir erst einmal der einwöchige Aufenthalt genügt hat, es war ganz schön "stressig" in dem Sinne, dass ich praktisch nie freie Zeit hatte - ich kam kaum zum Lesen oder ähnlichem! Sicher wäre es beim nächsten Mal - und ich kann mir gut vorstellen, dass es ein nächstes Mal gibt! - sinnvoller, am Anfang des 14-Tage-Programms einzusteigen. Mir hat die Zeit dort gut getan, ich bin energieladen, Geist und Körper sind neu eingerichtet und ich habe einige inspirierende Gedanken bei mir, die mich noch eine Weile beschäftigen werden.
Zum Schluss bleibt wohl noch zu sagen, dass die Yoga-Woche ein echtes Schnäppchen war: die 7 Tage im Doppelzimmer haben mich 65 Euro (inkl. Vollverpflegung und Kursprogramm) gekostet. Und im Ashram selbst kann man natürlich auch (außer im kleinen, hauseigenen Shop, wo es Yoga-Kram, Postkarten etc. gibt) überhaupt kein Geld ausgeben!

Die Yogis auf Ausflug (30.08.2013)

Freitags ist hier "frei", d.h. alle Kurse sind an diesem Tag rein optional, und hin und wieder bietet das Ashram-Team freitags einen Tagesausflug an. So zum Glück auch heute, wir haben die Mindestteilnehmerzahl erreicht und steigen um 6 Uhr morgens zu 15t in den schon wartenden Minivan. Als Reiseleiter sind der Yoga-Opi (der übrigens in zwei Tagen seinen - sicherlich wohlverdienten - Ruhestand antreten wird) und die "Marionette" (einer der Hilfs-Yogalehrer, der so lang und dürr und schlaksig und braun ist, dass er aussieht wie eine Marionette. Dazu hat er ganz hinreißende Segelohren und grinst immerzu verschmitzt) mit von der Partie.
Gackernd und lautstark quasselnd sitzen wir alle im Bus, es ist eine Stimmung wie auf Klassenfahrt.
Unser erster Stopp nach fast drei Stunden Fahrt durch das erwachende Kerala, das grün und bunt und quirlig ist, ist ein Restaurant, in dem wir Frühstück bekommen - und zwar zu meiner Begeisterung "Masala Dosas", eines meiner Lieblingsgerichte!!!
Nach kurzer Weiterfahrt erreichen wir Padmanabhapuram (ja, die Städtenamen hier sind gewöhnungsbedürftig), dort steht eine Besichtigung des ehemaligen Königspalastes an. Viel interessanter ist für uns aber zunächst der Kokosnusshändler vor dem Eingang des Museums, der heute mit uns wohl ein Bombengeschäft macht, denn jeder braucht erst einmal eine frisch aufgeschlagene Kokosnuss. Der Palast ist der größte Holzpalast Asiens und beherbergte von 1550  bis 1750 die Könige Travancores, ist recht gut erhalten, auch wenn leider keine Innenausstattung mehr vorhanden ist. Die sich in einem Blumentopf des Gartens sonnende Agame ist deshalb für uns ein deutlich willkommeneres Fotomotiv.
Nach einer weiteren Runde Kokosnüsse und ein paar Fotos mit indischen Schulklassen flüchten wir in unseren wunderbar klimatisierten Bus, es ist bereits um 10 Uhr morgens heiss!
Nächster Stopp auf unserer Rundfahrt ist der Thanumalayan Tempel; bevor wir hineindürfen, müssen sich die Männer erst einmal entkleiden, "Mann" darf nur obenrum nackig den Tempel betreten. Das gilt zum Glück nicht für uns Mädels. Drin ist - wenn ich das so despektierlich sagen darf - die Hölle los, heute ist wohl in ganz Kerala und Tamil Nadu frei, und die riesige Tempelanlage ist überfüllt mit ganzen Familien auf Ausflug, trommelnden Sadhus, gaffenden Männergruppen, kichernden Schulmädchen, und wir mittendrin. Unser Guide dort gibt sich alle Mühe, kann sich aber in dem herrschenden Radau meist nicht durchsetzen. So bleibt nur der Eindruck eines verschachtelten Tempelkomplexes, in dem man problemlos den nächsten "Indiana Jones"-Teil drehen könnte, und der beeindruckenden, 6 m hohen Hanuman-Statue, der man hier opfern kann. Geschäftstüchtig, wie die Inder sind, kann man direkt daneben an kleinen Buden Rosenwasser, Süßigkeiten (Hanuman ist ein kleines Schleckmaul!), Blumengirlanden und flüssige Butter kaufen, das man dann allesamt der Statue zu Füßen legen/giessen bzw. um den Kopf binden lassen kann. Nachdem wir brav alles mitgemacht haben, und auch pflichtschuldig das Knie der Nandi-Statue (dem Stier Shivas), gestreichelt haben (soll mal wieder gut fürs Karma sein) und uns auch noch lustige bunte Striche auf die Stirn haben verpassen lassen, bestaunen wir von außen noch ein wenig die beeindruckende, 40 m hohe Tempelfassade mit ihren vielen Bildhauer-Arbeiten, bevor wir uns wieder in den Klimaanlagen-Bus flüchten (nicht, ohne vorher an einem Stand noch Zuckerwasser, also kalte Cola, zu inhalieren - wir sind alle ein wenig auf "Zuckerentzug")...
Zum Mittagessen sind wir zu Gast im Vivekananda Ashram in Kanyakumari - dieser Ashram liegt der Lehre von Swami Vivekananda zugrunde, der für Indien auch politisch sehr wichtig war und nach wie vor verehrt wird. Dieses Center ist riesig, mehrere hundert Menschen legen hier fest, dazu kommen noch die (v.a. indischen) Gäste. Deshalb sieht der Speisesaal auch eher aus wie die Kantine eines mittelständischen Unternehmens, und auch hier ist das Mahl erstaunlich lecker!
Derart gestärkt, sind wir bereit für den südlichsten Punkt Indiens, und fahren mit der Fähre (auf der es dermaßen chaotisch und laut zugeht, dass es eine Freude ist), zum Vivekananda-Fels, 500 m vor der Küste. Dort steht ein großer Tempel und ein Denkmal für den besagten Herrn, der dort irgendwann einmal zwei Tage lang meditiert haben soll. Von dort aus hat man einen schönen Blick auf's Meer, wo der Golf von Bengalen sowie der Indische Ozean und das Arabische Meer zusammenfließen. Natürlich fallen wir als Reisegruppe auch hier auf, und so kommen wir vor lauter Fotoanfragen gar nicht zur Besichtigung - ständig steht irgendjemand von uns mit zig Indern um sich herum da und spielt Foto-Model. Und wieder fragen wir uns: Warum nur? Was machen die mit diesen Bildern bloß?
Zurück an Land bummeln wir über den etwas ärmlichen Bazar direkt an der Anlegestelle, außer ein paar Gewürzen und kalten Getränken ist hier nicht viel zu sehen, nur Antje lässt sich erweichen und kauft der wohl abgerissensten Familie, die ihre am Boden ausgebreiteten paar Waren feilbieten, ein paar Mala-Ketten ab, zu einem eigentlich unverschämten Preis, aber beim Blick auf die verfilzten Haare von Vater, Mutter und den zwei Kleinkindern und deren hervortretenden Rippen fällt das Feilschen aus.
In ein wenig gedrückterer Stimmung kommen wir kurz darauf am "Sunset Point" an, einem Strandabschnitt, zwischen dessen Felsen eigentlich alles so schön sein könnte: Meer, Sand, warmes Wasser, eine untergehende Sonne - wäre nicht alles total verdreckt, mit toten Fischen, abgenagten Hundeskeletten, Müll, und Ratten. Jeder von uns sucht sich ein nicht allzu ekliges Fleckchen, mit der frischen Meeresbrise um die Nase lässt es sich eigentlich doch ganz gut aushalten - bis ich merke, dass mich jemand beobachtet. Als ich mich umdrehe, steht ein indischer Opi, nur mit Lungi bekleidet, vielleicht 30 cm hinter mir und begutachtet interessiert die Bilder auf meinem Kameradisplay, die ich mir gerade anschaue. Ich bitte ihn, ein bisschen Abstand zu halten, stattdessen rückt er mir noch näher auf die Pelle - wieder mal gibt's hier kein Gefühl für Privatspähre. Ich flüchte und suche mir einen einsamen Felsen. Kurz darauf kommt Antje empört zu mir, sie wollte mal eben "für kleine Mädchen" und suchte sich dafür ein seeeehr abgelegenes Eckchen, gut versteckt zwischen den Felsen aus. Als sie gerade die Hose öffnen wollte, drehte sie sich sicherheitshalber nochmal um, um wer stand direkt hinter ihr? Genau, wieder der besagte Opi...
Deshalb und auch wegen der Müllberge verlassen wir die Bucht dann bereits vor Sonnenuntergang wieder, während ganz Tamil Nadu offenbar den Feierabend hier verbringt, Hunderte Inder pilgern mit Kind und Kegel hierher. Unsere Fahrt geht derweil weiter durch nun dämmrige Örtchen, bis wir um 19 Uhr vor einem Restaurant anhalten. Für's leibliche Wohl wird heute definitiv gut gesorgt!
Auch hier erwartet man uns bereits, und serviert ein südindisches Menü in Perfektion: leckere Parathas, Idlis, Vadas, scharfe Gemüse-Currys, Kokos-Chutneys, zum Abschluss Chai mit geschäumter (!!!) Milch. Wir sind alle selig und bitten um Nachschub.
Das Beste kommt zum Schluss, denn direkt neben dem Restaurant steht ein Süßigkeiten-Geschäft, in das wir gesammelt einfallen und Unmengen leckere Burfis und Gulab Jamuns kaufen und verzehren - die lächerlich wenig kosten und köstlich sind! Ich sag ja: wir sind alle auf Zuckerentzug, ist dieser doch, ebenso wie Kaffee, Alkohol, Zwiebeln, Knoblauch, Eier etc. im Ashram verpönt (die "prasad", die süßen Göttergaben, sind davon offenbar ausgenommen).
Entsprechend aufgedreht sind wir dann bei der Heimfahrt, die bei all dem Gequassel wie im Flug vergeht. Um 22 Uhr, nach einem langen, langen Tag erreichen wir den Ashram, dort ist es wegen eines Stromausfalls stockdunkel, alles schläft bereits, und so tasten wir uns schnell und leise in unsere Zimmer.
 

Dokumentation über K2

Kleiner Zwischenruf:
in dieser Doku über eine K2-Expedition von Hans Kammerlander kann man einen guten Eindruck kriegen, wie es im Norden Pakistans aussieht und zugeht.
Zumindest in den ersten 14 Minuten (bis die Expeditionsgruppe das K2-Basislager erreicht), ist alles ziemlich identisch mit unserer Tour, sogar das Ziegen-Schlachten und das Fest der Träger am Paju-Camp...


 

2.9.13

Tagesablauf im Ashram (25.-31.08.2013)

05:30 Uhr: Wake-up bell
Meist bin ich schon eine halbe Stunde vorher wach, denn aus den umliegenden Tempeln erschallt bereits ab 5 Uhr lauter Gesang, der natürlich über Lautsprecher nach draußen übertragen wird. Wenn dann die Glocke im Ashram geschlagen wird, liege ich schon munter unter meinem Moskitonetz, ein Verschlafen ist also eh nicht möglich. Es dämmert, wenn ich mich schnell anziehe und mit den anderen zur "Sivananada Hall" spaziere.

06:00 Uhr: Satsang
Pflichtprogramm mit Anwesenheitskontrolle. Zuerst 30minütige Meditation mit kurzer Anleitung vorneweg. Es ist nicht anzuraten, ohne Yogamatte hier aufzukreuzen, der Steinboden ist nämlich ziemlich hart, und so eine halbe Stunde ruhiges Sitzen kann dann seeeehr lang sein. Zugegebenermaßen nicke ich in den ersten Tagen hin und wieder ein, aber sonst schaffe ich es manchmal tatsächlich, nur dem Rauschen der Palmen und dem Gesang der Vögel zu lauschen und meine Gedanken zu fokussieren.
Danach wird "gechantet", wir singen aus dem "Gesangbuch" zuerst den Eingangsgesang, das kann man sich ungefähr so vorstellen:
Es folgen weitere gesungene Sanskrit-Texte, dankenswerterweise immer mit Vorsänger. Dazu liegen überall Trommeln, Zimbeln, Schellenkränze etc. herum, die fleissig genutzt werden. Die Melodien sind einfach zu lernen, die Texte dagegen - zumindest anfangs für mich - nur eine Aneinanderreihung von Silben, ohne Übersetzung, die sich aber im Lauf der Zeit dann doch ganz gut einprägen. Nach etwa einer halben Stunde Singen folgt die Lesung eines Textes von Swami Sivananda oder Swami Vishnu-Devananda, durchgeführt von den Leitern des Ashrams, dann die Anbetungszeremonie der Hindu-Götter und Gurus mit erneutem Gesang und anschliessender Verbeugung.
Meist erzählt Ashram-Leiter Natraj danach noch kurz, was an dem jeweiligen Tag auf dem Programm steht - und sagt dankenswerterweise noch den Wochentag dazu, denn in der Gleichförmigkeit der Tagesroutine verliert man da leicht den Überblick...

07:30 Uhr: Tea Time
Wenn alle vom Satsang kommen, steht schon heisser Chai draussen unter den Bäumen bereit, nun ist Zeit für gemütliches Plaudern, und meistens gibts noch eine kleine Süssigkeit (prasad) dazu, die von der Morgenzeremonie übrig ist.

08:00 Uhr: Asana Class
2 Stunden Yoga - die erste halbe Stunde widmet sich hier komplett dem Pranayama, also dem bewussten Atmen, es wird gehechelt, der Atem kontrolliert, durchs linke/rechte Nasenloch geatmet und entspannt. Dem folgen mindestens 10 Durchläufe des Sonnengrußes. In der zweiten Kurshälfte werden dann die Asanasas (Yoga-Übungen) durchexerziert, immer in fester Reihenfolge, während der Lehrer durch die Reihen geht und korrigiert. Haupt-Augenmerk liegt offenbar auf dem Kopfstand, und außerdem werden alle Asanas immer jeweils seeehr lange gehalten.
Anders in den den Yogakursen bei uns liegen wir nicht hintereinander, sondern in zwei langen Reihen gegenüber, denn unsere Füße dürfen keinesfalls Richtung Alter zeigen!
Natürlich werden am Anfang und Ende jeder Stunde mehrfach "Om shanti shanti shanti" und Anfangs- und Schlussgesänge rezitiert. Der Lehrer Ranjesh ist gut, motiviert und leitet an, wenn auch der Einstieg mitten im Programm (das Ganze basiert auf einem 14-Tage-Programm, ich steige an Tag 8 ein) nicht ohne ist!
Am zweiten Tag habe ich ich furchtbaren Muskelkater, bleibe aber konsequent dabei, und am dritten Tag ist er weg und kommt auch nicht wieder..

10:00 Uhr: Vegetarian Meal
Das erste Essen des Tages. Alle versammeln sich vor dem Essenssaal, bis wir hineingerufen werden. Dann erstmal an die Waschbecken und Hände schrubben, dann Verbeugung, und dann setzen wir uns in langen Reihen gegenüber auf Bastmatten, vor denen schon die gefüllten Teller stehen. Währenddessen und bis alle im Schneidersitz Platz genommen haben, wird "Hare rama hare krishna" gesungen, dann gebetet und dann kanns losgehen:
Die Mahlzeit über ist Schweigegebot, das nur durch die umherlaufenden Leute unterbrochen werden darf, die die Teller bei Bedarf nachfüllen. Das Essen ist unglaublich lecker und abwechslungsreich, auch den Tellern finden sich meist vier verschiedene Gerichte, u.a. Rohkost, Obst, Papadams, Idlis, die verschiedensten Gemüsecurrys (oft mit Okras, lecker!), Chutneys,... Dazu gibts Kräutertee, und alles ist streng vegetarisch und nach den Ernährungsvorschriften des Yoga zubereitet (ohne Zwiebeln, Knoblauch, allzu scharfe Gewürze, ohne Eier, Weissmehl, ausserdem ist natürlich Kaffee, Alkohol, Tabak etc. tabu).
Man kriegt von allem so oft Nachschub, wie man möchte; gegessen wird mit den Fingern, und ich mich immer sehr zusammenreissen, konsequent nur die rechte Hand zu benutzen, die linke gilt hier als unrein. Es klappt selbst mit "schwierigen" GErichten wie Erbsencurry erstaunlich gut und schmeckt so fast noch intensiver, wenn man noch die haptische Erfahrung dazu bekommt.
Nach dem Essen spült jeder seinen Teller und Becher selbst mit Seifenpulver ab.

11:00 Uhr: Karma Yoga
Das sog. "Yoga der Tat" ist eine selbstlose Tätigkeit zum Wohle der Gemeinschaft. Jeder der Gäste bekommt hier zu Beginn seines Aufenthalts eine Aufgabe zugeteilt, die der Gemeinschaft dient und demnach gut für's Karma ist. Ich darf eine Woche lang tagälich die Mülleimer auf dem Gelände leeren, gemeinsam mit einem/einer Partner/in, und lerne so nacheinander Rob aus Kananda, Caterina aus Barcelona und Gabriele aus Aachen ein bisschen besser kennen.
Das Ganze ist schnell erledigt, nach 15 Minuten sind wir meistens fertig, und müssen dabei nur aufpassen, nicht von den Ameisen oder Spinnen angefallen zu werden, die sich in den Eimern verbergen, oder von den Geckos, die sich tagsüber dort im Dunkeln verstecken, und die dann immer panisch rausspringen, wenn sie aufgescheucht werden.
Andere Gäste servieren z.B. das Essen, putzen den Essenssaal, richten die Andachtsräume her etc.

MITTAGSPAUSE zur freien Verfügung

13:30 Uhr: Tea Time
siehe "Tea Time" morgens - hier gibt's meistens noch einen kleinen Snack, wie z.B. Obstsalat oder frittierte Bananen, und Ingwertee oder frischen Orangensaft, und alle stehen herum und unterhalten sich nett.

14:00 Uhr: Lecture
Rohini, die Mitarbeiterin des Ashrams, erklärt in vierzehn Schritten alles über die Sivananda Yoga Lehre, von Techniken zur Meditation über Ernährung bis hin zur Kraft positiven Denkens. Ich persönlich hatte mir hier mehr "Wissensgewinn" versprochen, es ist aber eher so eine Art "Stuhlkreis", in dem jeder seine eigenen Meinungen/Erfahrungen teilen kann, und weniger Faktenvermittlung.
Ein besonderes Highlight dieses Kurses war der Gastredner am Sonntag, ein Sadhu auf der Durchreise: ein alter, zahnloser, schwerhöriger Mann mit unverständlichem Englisch, über den wir uns heimlich ein wenig amüsiert haben (ach wenn das möglicherweise Abzüge bei den Karmapunkten gibt)...

15:30 Uhr: Asana Class
Zweiter Teil des "Sport"-Programms, der Ablauf ist identisch mit der Vormittagsstunde, nur wird diese jetzt vom "Yoga-Opi" (wie er von uns genannt wird), gehalten: kaum noch Zähne, weiße Haare, mit Lendenschurz bekleidet, aber beweglich wie ein Gummibind. Ich unterstelle ihm zudem einen leichten Hang zur Grausamkeit, v.a. wenn er uns eine Extrarunde Beinheben aufdrückt.
Mich stört ein wenig, dass erzum einen recht undeutliches Englisch spricht (wahrscheiinlich kann er eh nur die 100 Wörter, die er für den Ablauf einer Yogastunde braucht), und sich zum anderen nur mit den "Super-Yogais" beschäftigt, um denen  bei den Ausführungen des "Skorpions" oder ähnlicher Asanas behilflich zu sein. Wir "Normalos", die bei der Grätsche halt leider nicht den gesamten Oberkörper auf dem Boden ablegen können, begegnet er nur mit Kopfschütteln, und zeigt dann mal so nebenbei, was er noch draufhat, indem er mal eben den "Pfau" macht.
So sagt er zu mir am vierten Tag, als ich gerade stolz bin, weil ich im Vergleich zum ersten Tag einen riesigen Schritt in Sachen Beweglichkeit der Schultern und des unteren Rückens gemacht habe (meine "Problemzonen"), im Vorbeilaufen zu mir: "Ts, so much stiffness!" - vielen Dank auch dafür!
Trotzdem tut die nachmittägliche Bewegung natürlich gut, auch wenn alle wegen der Hitze und des straffens Programms immer ziemlich erledigt sind.

18:00 Uhr: Vegetarian Meal
siehe dass Essen am Vormittag, selbes Procedere, meist etwas weniger üppig

20:00 Uhr: Satsang
siehe Morgen-Satsang - dieser abendliche Programmpunkt dauert meist bis etwa 21:30 Uhr, danach verschwinden alle schleunigst in ihren Betten. Offiziell herrscht ab 22:30 Uhr Nachtruhe, doch da schlafen bereits alle, geschafft vom Tagesprogramm.

Von den ganzen Programmpunkten sind alle obligatorisch und werden per Anwesenheitsliste kontrolliert (wobei keiner so recht weiß, was passiert, wenn man schwänzt, aber ich hab's nicht ausprobiert).
Außer in der Mittagspause ist kaum freie Zeit verfügbar, so dass man Dinge wie Duschen (natürlich kalt) oder Wäsche waschen gut vorausplanen muss. Ganz so klösterlich, wie der Ashram sich in seiner Beschreibung auf der Homepage gibt, ist es dann hier übrigens doch nicht: die Handys durfte man behalten, und mittags und abends gibts tatsächlich für je eine Stunde WLAN in der großen Halle, so dass hier dann meist alle versammeln, mit ihren Smartphones in der Hand...

Ausgeschlafen verbiegt sich's besser (26.08.2013)

Gestern fühlte ich mich vollkommen unzulänglich, war müde und dementsprechend unkonzentriert, und es gab im gestrigen Tagesablauf einige Momente, in denen ich mich gefragt habe, was ich hier eigentlich tue. Doch sie da, was Schlaf alleine alles bewirken kann - denn immerhin habe ich drei Nächte in Folge nicht mehr als jeweils drei Stunden geschlafen! Heute läuft's also, ich bin wach und aufnahmebereit; auch wenn ich in der "lecture" lieber die anderen über die Macht positiver Gedanken diskutieren lasse (O-Ton: "Aber Hitler war sicher überzeugt davon, dass seine Gedanken zur Judenvernichtung richtig und damit positiv sind - was ist also der Maßstab dafür, was positiv und negativ ist?" Kein Kommentar dazu!). Das Essen ist wahnsinnig lecker, auch wenn's sicher nicht jedermanns Ache sein mag, auf dem Boden sitzend alles mit den Fingern zu essen.
Ich übe weiter fleissig den Kopfstand (Shirshasana, "king of asanas") und komme in der Asana Class schn deutlich weiter, auch mir inzwischen alle Muskeln schermzen und ich manchmal denke, dass ich keine Sekunde länger mit gekreuzten Beinen dasitzen kann (v.a. denke ich leider genau das immer während der halbstündigen Meditationen, das ist natürlich sehr ablenkend, aber der Geist ist eben ein Käfig voller wildgewordener Affen - meiner zumindest).
Es ergeben sich viele nette Gespräche mit den andere Yogis, alle sind hier sehr offen, und das fast alleine so wie ich alleine unterwegs sind, findet sich immer jemand zum unterhalten. Allerdings ist dafür tatsächlich gar nicht viel Zeit, der Tagesablauf ist recht straff durchorganisiert, und die zwei Stunden Mittagspause nutzt jeder für eine Dusche, zum Wäsche waschen, lesen, für ein Nickerchen oder für zusätzliche Yoga-Übungen.
Beim Zähnenputzen entdecke ich abends einen Falter an der Wand, dessen Körper fast so gross ist wie meine Zahnbürste, brrrr! Er flattert noch ein paar mal wild um die Lampe über mir, während ich in Deckung gehen, dann fällt er tot zu Boden.
Überhaupt ist hier alles recht "krabbeltierlastig" - das eher tropische Klima, die vielen Pflanzen, die offenen Gebäude führen dazu, dass hier überall winzige Ameisen herumspazieren, überall brummt und summt es, riesige Spinnen verstecken sich abends in den Zimmerecken, Raupen krabbeln auf dem Boden, doch bis auf die allgegenwärtigen Moskitos (die gerne genau während den Meditationszeiten zum Angriff starten), nehmen das alle erstaunlich locker, das ist hier im Süden Indiens eben so...

Bei Sadhus und Löwen (Neyyar Dam, 25.08.2013)

Als wir um 4 Uhr zur Landung in Thiruvananthapuram (kurz: Trivandrum) ansetzen, hat es angenehme 23 Grad. und eigentlich läuft ab sofort erstaunlicherweise alles wie am Schnürchen. Nur an der Passkontrolle werde ich von verschiedenen Sicherheitsmenschen über meinen Pakistan-Aufenthalt befragt, das passt ihnen offenbar nicht so ganz, doch sie sind eher neugierig als unangenehm. Nachdem ich mehrfach betont habe, dass ich jetzt ja in einen Yoga-Ashram gehen würde (in der Hoffnung, dass mich das als potenzielle Terroristin disqualifiziert), ist alles geklärt, und schon ist mein Gepäck da, diesmal habe ich offenbar Glück damit.
Direkt neben dem Gepäckband ist der Prepaid-Schalter, man winkt mich direkt heran, ich bestelle ein Taxi, hole noch schnell indische Rupien und sitze nur 30 Minuten nach der Landung schon im Auto. Kurz wundere ich mich darüber, dass beim Rauskommen aus dem Flughafen keiner einziger Inder der dort wartenden Horden irgendeinen Mucks gemacht hat oder gar irgendwas von mir wollte, dann geniesse ich die einstündige Fahrt durchs noch schlafende Kerala mit einem Fahrer, der es schafft, uns trotz praktisch ausgestorbenen Straßen dreimal fast vor einen entgegenkommenden Bus zu setzen und fast ungebremst in jedes Schlagloch hineinzufahren. Egal, Hauptsache, er kennt den Weg, und so setzt er mich um 5:30 Uhr am Sivananda Yoga Ashram ab, im gleichen Moment bimmelt dort die Weck-Glocke.
Man nimmt mich in Empfang, weist mir mein Doppelzimmer zu (das ich zum Glück für mich alleine habe), und dann nehme ich eine dringend nötige Dusche, denn von der Morgen-Andacht bin ich heute ausnahmsweise noch ausgenommen. Danach streife ich über das herrlich gelegene und wunderbar gepflegte Gelände, überall blüht und grünt es, Mangobäume, Kokospalmen, Hibiskus, Frangipani, und dazwischen stehen Tempel, Versammlungshallen, Schlafsäle, Götterstatuen, alles oberhalb eines in der aufgehenden Sonne glitzernden See, inmitten der grünen Hügel Keralas. Das einzig irritierende in dieser Idylle ist das lautstarke Löwengebrüll aus nächster Nähe! Später erfahre ich, dass es unweit eine Art Zoo gibt, in dem u.a. fünf Löwen die Hauptattraktion sind.
Bald kommen die anderen Gäste zur morgendlichen Teestunde unter den Bäumen zusammen, ich werde freundlich begrüßt und ausgefragt, es sind außer mir etwa 30-40 andere Yogaschüler da, die ein buntes Völkergemisch bilden, wobei v.a. Europa stark vertreten ist. Dazwischen tummeln sich noch ein paar Sadhus im tpyischen orangefarbenen Gewand, die hier kostenlos wohnen dürfen, wenn sie auf der Durchreise sind.
Dann geht es auch schon los mit der ersten Yoga-Stunde, und ab dann ist der Tag durchgetaktet, bis ich abends nach dem letzten Satsang ins Bett falle. Die drei Nächte wenig Schlaf machen sich bemerkbar - mehr Details zum Ashram-Leben folgen!

31.8.13

Wüstensonne (Doha, 24.08.2013)

Die "paar Stündchen" Schlaf waren wörtlich gemeint, diesmal klingelt der Wecker bereits um 1 Uhr wieder, nach einer eher unergiebigen Dusche (aus der nur ein winziger Wasserstrahl kommt - Entkalken scheint hier nicht üblich zu sein) steht kurz darauf schon ein Taxi bereit. Groß ist die Überraschung, als unser Fahrer, der uns von Skardu hierher chauffiert hat, wieder vor uns steht - der ältere Herr hat wohl auch keinen Erholungsschlaf abbekommen. Schweigend bringt er uns durchs so gar nicht nachtschlafende Islamabad zum Flughafen, dort herrscht tatsächlich um diese Zeit schon ein riesiges Chaos. Kamal hat uns noch gedrängt, mindestens drei Stunden vor Abflug da zu sein, das hielt ich für leicht übertrieben. Nachdem wir aber bereits vor dem Flughafengebäude eine Stunde in einer unübersichtlichen Schlange stehen, deren Unordnung durch kinderreiche muslimische Familien mit ungezählten Gepäckstücken und diversen sich wahllos dazwischen drängelnden, verabschiedenden Verwandten noch vergrößert wird, bin ich froh über unseren Zeitpuffer.
Bereits jetzt ist es sehr heiß, alles schwitzt und ist sichtlich genervt, und der Unmut entlädt sich tatsächlich in einer waschechten Schlägerei zweier bieder aussehender, dickbäuchiger Familienväter, die sich gegenseitig der Drängelei bezichtigen.
Endlich, nach zig Pass- und Sicherheitskontrollen, bei denen ich mein Durchkommen immer sehr mit dem Hinweis auf meinen "husband" beschleunige (der Mann muss hier halt alles richten), stehen wir endlich am Check In-Schalter. Allerdings auch hier: Chaos, denn das Gepäckbeförderungsband funktioniert sichtlich nicht, und so wird nach längerer Diskussion sämtliche Gepäck aller Reisenden kurzerhand in einer Ecke der Halle gestapelt. Na, da bin ich ja gespannt, ob wir schon wieder ohne Gepäck bei der Landung dastehen!
Wir haben nun gerade noch Zeit für einen Abstecher auf der Toilette - bei mir liegt dort das Putzpersonal am Boden, schläft und reagiert auf die Störung recht ungehalten, außerdem sind deutlich erkennbare Schuhabdrücke auf der Klobrille der "western toilet" (die Damen stehen wohl auch hier konsequenterweise lieber, als dass sie sich hinsetzen) - und schon geht's ans Einsteigen. Wir waren also keine Sekunde zu früh da, und fallen erleichtert in die Sitze.
Als wir in Doha (Qatar) landen, verkündet der Pilot bereits jetzt, um kurz vor sechs Uhr morgens, 33 Grad Außentemperatur. Im Bus zwischen den Terminals verabschieden Norman und ich uns in aller Kürze (umarmt und geküsst werden darf hier in der Öffentlichkeit ja eh nicht), für ihn geht gleich der Anschlussflug nach München, ich habe 14 Stunden Aufenthalt bis zu meiner Weiterreise nach Indien und möchte die Zeit für eine kleine Stadtbesichtigung nutzen.
Bei den Scheichs ist man bestens organisiert, schnell habe ich ein Visum und qatarische Rial und sitze in einem Taxi, von dem ich mich zum äußersten Ende der "Corniche" (also der Strandpromenade) bringen lasse. Mein Plan, zu Fuß dann genau diese 8 km lange Promenade zurückzuschlendern und dann Richtung Altstadt und Souk abzubiegen, ist theoretisch gut. Praktisch bin ich nach den knapp 2 Stunden gegrillt, es ist jetzt, um 9 Uhr, unfassbar heiß, weit über 40 Grad, und trotzdem joggen ein paar Wahnsinnige an mir vorbei, während ich alle 500 m im dürftigen Schatten einer liebevoll bewässerten Palme ausruhe. 
Die Skyline ist beeindruckend, doch der Rest der Stadt ist eine einzige große Baustelle, das ist nicht schön, und ich habe Mitleid mit den meist afrikanischen und philippinischen Bauarbeitern, die hier ackern müssen.
Endlich finde ich den Souk und bin fast wieder versöhnt, schön ist der, ähnlich wie der in Istanbul in einer weit verzweigten Halle gelegen, die zum einen schön restauriert und zum anderen recht kühl ist. Erstaunlicherweise lässt man mich hier vollkommen in Ruhe beim Herumstreunern. Schnell finde ich in einer Seitengasse ein wirklich hübsches Café, in dem ich bei Eiskaffee und Klimaanlage viel länger verweile als geplant.
Gegen Mittag trenne ich mich dann doch, will zu einem Internetcafé, das laut Stadtplan höchstens 1 km entfernt sein muss - nach zweimal wegen einer Baustelle einen Umweg gehen und ständiger Suche nach Straßennamen bin ich nach einer Viertelstunde patschnass geschwitzt, außer mir sind auch keine weiteren Fußgänger unterwegs. Also halte ich ein Taxi an, ein junger Kenianer sitzt am Steuer, er freut sich über meinen beschränkten Swahili-Wortschatz, und gemeinsam machen wir uns nun dran, ein Internetcafé ausfindig zu machen. Er fährt mich eine ganze Weile kreuz und quer durch die Stadt, hält zigmal an, um in Geschäften und bei Passanten nachzufragen, sein Ehrgeiz ist gepackt. Endlich ist er erfolgreich, und dann überlässt er es mir, den Fahrpreis zu bestimmen. Als ich mich ziere, nennt er einen lächerlichen Betrag, als dank lege ich noch was drauf und verschwinde für drei Stunden am PC. Die Zeit dort vergeht wie im Flug, auch dort will man nur einen Centbetrag von mir, obwohl Doha sonst ein teures Pflaster ist.
Am späten Nachmittag lasse ich mich zurück zum Flughafen fahren, der geplante Museumsbesuch fällt aus, ich habe keine Lust auf einen erneuten Marsch durch diese mörderische Wüstenhitze. Stattdessen sitze ich im Pulli im tiefgekühlten Terminal, trinke Eiskaffee, lese, schlafe, sprühe mich mit Parfum voll (und bin begeistert, wie gut ich nach wochenlang nur - wenn überhaupt - Wasser und Seife rieche), so vergeht die Zeit bis zum Abflug nach Thiruvanathapuram schnell.
Beim Einsteigen ärgere ich mich kurz mal wieder über die Eigenart der Inder, einem immer viel zu nah auf die Pelle zu rücken, sowas wie einen individuellen Sicherheitsabstand kennen sie nicht, außerdem wird Drängeln ganz großgeschrieben, Höflichkeit ist da eher selten. Aber ich bin ja selbst schuld, habe ich mir diesen Ausflug doch selbst ausgesucht, also schmunzle ich lieber und verschlafe den Flug...

Und er fährt, und fährt, und fährt... (Islamabad, 23.08.2013)

Um 3:45 Uhr (!) hämmert es vehement an unserer Zimmertür - nach den Erlebnissen mit den vielen Bewaffneten am Vorabend schrecken wir auf, aber letztendlich ist es "nur" ein übereifriger Hotelangestellter, der uns eine halbe Stunde zu früh zum Frühstück holen will. Schnell verlassen wir das muffelige Loch, nach Frühstück ist uns Vieren zu dieser nachtschlafenden Zeit eh noch nicht, auch wenn bereits der Muezzin ruft und die ersten Muslime zum Gebet eilen. Vorsichtig steigen wir über die drei auf dem Boden schlafenden Männer an der Rezeption, während unser Fahrer das Gepäck bereits auf dem Dach staubgeschütu verstaut. So haben wir noch mehr Platz im Auto, und den werden wir bei der heutigen Fahrt auch brauchen. Um kurz nach fünf geht's los, wieder im Konvoi mit der koreanischen Reisegruppe, und bereits nach zehn Minuten Fahrt folgt die erste Verzögerung: der Polizist am Kontrollposten nach Chilas, der für die nächste Etappe als unser Beschützer mitfahren soll, ist noch nicht startklar, sondern stopft gerade noch das Hemd in die Hose, während seine Kollegen auf selbstgezimmerten Bettgestellen am Straßenrand weiterschlafen.
Alle ein bis zwei Stunden findet ein "Wachwechsel" statt, jedes Mal verbunden mit längeren Diskussionen: mal will der Bewaffnete im Minivan bei den Koreanern mitfahren, mal steigt einer bei uns ein (während Rob, Olga, Norman und ich wie paralysiert dessen umgehängte Kalaschnikow anstarren), mal fährt ein ganzer Polizeitransporter als Eskorte vorneweg. Bei jeder Übergabe muss unser Fahrer eine Auflistung unserer Daten abgeben, zum Glück hat er ein ganzes Handschuhfach voller Kopien davon.
Das ganze Procedere hält natürlich wahnsinnig auf, zum Gluck ist wenigstens der Verkehr auf dem inzwischen wieder sehr schmalen KKH nicht so schlimm. Hauptsächlich Bedfords mit großen Ladungen von Holzbohlen überholen wir, an den Raststätten (schäbige Hütten am Straßenrand, an denen es Chai und Chapattis gibt, immer mit Bach daneben, an denen sich die Fahrer ungeniert waschen) legen sich deren Fahrer zum Nickerchen dann gerne unter ihren Truck oder auf dessen Kühlergrill. An einer Stelle liegen nur noch Blechteile auf der Strasse, der Rest des Fahrzeugs findet sich 200 m tiefer zertrümmert am Abhang.
In den Dörfern, die wir passieren, ist unheimlich viel Betrieb, Freitag ist Wochenende, das macht sich auch an den Horden von Kindern bemerkbar, die gerne mal unvermittelt über die Strasse rennen, was unseren Fahrer mehrfach seine Bremsen erproben lässt. Aber zum Glück passiert nie etwas, egal, wie willkürlich Kinder, Ziegen, Kühe, Hühner die Strasse überwinden und Autos/ Motorräder überholen, einscheren oder bremsen.
Nach mehr als 8 Stunden sind wir froh, bei einem kleinen Lokal im Grünen anzuhalten, wir sind hungrig, aber schon bedient, als man uns eröffnet, dass es nur Chicken Curry mit Reis gebe, alles andere sei heute aus. Zumindest bekommen wir kalte Softdrinks, und warten ewig aufs Essen, obwohl wir weit und breit die einzigen Gäste sind. Die Dorfkinder sorgen für das Unterhaltungsprogramm und schneiden wilde Grimassen.
Ab hier dürfen wir nun endlich ohne Polizeischutz weiterfahren, der "gefährliche" Teil der Strecke liegt hinter uns, und so düsen wir nun deutlich schneller durch das immer grüner werdende Hügelland. Den Indus, dessen Lauf wir seit Skardu gefolgt sind, lassen wir hinter uns, am Straßenrand wächst büschelweise Hanf, und hin und wieder stehen neben Wasserbüffeln auch Kamele dort herum. Die Strasse selbst wird etwas besser, dafür nimmt der Verkehr merklich zu, die Orte werden größer, ebenso wie die Müllberge, die sich in den Strassengräben sammeln - meist direkt neben den Friedhöfen, die sich dort ohne jegliche Umzäunung befinden, und auf deren Gräbern schon mal eine Kuh grast oder Hühner scharren.
Um 20 Uhr, nach mehr als 14 Stunden Fahrt, ist es endlich geschafft, wir erreichen Islamabad. Es ist schon dunkel, trotzdem ist das Linksfahrgebot ebenso wir die Benutzung der Scheinwerfer eher so eine Art Vorschlag und keine verbindliche Pflicht. Die wahren Helden der Strasse sind für mich die zu zweit, dritt oder gar viert sich wagemutig zwischen Autos und LKW hindurch schlängelnden Motorradfahrer, alle natürlich ohne Helm, mit flatternden Salwars, meist ihre kleinen Kinder vor sich auf dem Sattel sitzend.
Unser Fahrer, der die Strecke tatsächlich mit nur zwei Pausen bewältigt hat, findet unser Hotel nur mit tatkräftiger Unterstützung diverser Einheimischer, die gerne kurzerhand auch einfach mal zusteigen und ein Stück mitfahren. Wir sind ziemlich kaputt, als wir endlich ankommen nach drei Tagen Herumgurkerei mit dem Auto, an Schlaf war wegen der holprigen Strecke nicht zu denken. Zwischendurch haben wir uns schon gefragt, warum wir nicht einfach wieder den Flieger genommen haben. Andererseits gab es so unheimlich viel zu sehen, das war ein schöner Abschluss der Pakistan-Reise.
Im Hotel verabschieden wir uns herzlich von Rob und Olga, mit denen wir tolle drei Wochen verbracht haben, packen noch ein wenig und schlafen ein paar Stündchen, das Abendessen muss aus Faulheit ausfallen.

Roadtrip (Chilas, 22.08.2013)

Weil ich's grade schon so schoen gewohnt bin, wache ich um halb sechs auf und freue mich sehr, dass ich heute ausnahmsweise mal weiterschlafen kann - und prompt verschlafen wir fast! Schnell packen wir um, holen die ueber Nacht tatsaechlich getrockneten Sachen vom Balkon und fruehstuecken gemuetlich, waehrend wir uns auf SZ-Online erstmal wieder auf den aktuellen Stand des Weltgeschehens bringen (aus Pakistan gibts nur schlechte Neuigkeiten).
Anschliessend moechte Kamal mit uns unbedingt noch ein Video drehen, in dem wir erzaehlen sollen, wie toll er das alles organisiert hat, so eine Art Werbevideo fuer kuenftige Interessenten. Da wir seine Arbeit wirklich toll fanden, machen wir das natuerlich gerne.
Um 10 Uhr ist Abfahrt mit einem recht luxurioesen Jeep und einem schweigsamen Fahrer, und gemeinsam mit Rob und Olga, die auch fuer die Idee eines Roadtrips zu begeistern waren, machen wir uns auf Richtung Islamabad (900 km), auch wenn wir heute "nur" bis Chilas wollen (ca. 200 km).
Zuerst geht es fuenf Stunden am Indus entlang, auf einer engen Strasse oberhalb des Ufers, auf der ausser uns vor allem bunte Bedford-Trucks, Militaerlaster und Huehnertransporter unterwegs sind. Ueber den Fluss ziehen sich immer wieder kleine Bruecken aus Yakhaar, also nur zwei Seile seitlich zum Festhalten und ein dickeres in der Mitte zum Draufstehen. Da muss man schwindelfrei sein! Auf der anderen Uferseite entdecken wir im Fels viele in den Stein gehauene Huetten, wohl Unterkuenfte fuer die Minenarbeiter, die dort recht unwirtlich leben und Quarz (?) abbauen.
Es ist heiss und staubig, und wir freuen uns ueber jeden kurze Pause, z.B. um am Strassenrand die dort feilgebotenen Granataepfel und Trauben zu bestaunen. Ein Jammer, dass die hier keinen Alkohol trinken, die haben die tollsten Haenge dafuer! Rob kauft Trauben, die es nur kiloweise gibt, und so verzehren wir die gemeinsam als Mittagessen, ausserdem zaubert Olga noch - steinharte - getrockenete Aprikosen hervor.
Unser Fahrer schafft es, gleichzeitig zu essen und dennoch die Hupe auf Dauerbetrieb zu halten, die ist das wichtigste Utensil, vor jeder der zahlreichen Kurven, die immer durch den Fels uneinsehbar sind, wird sie genutzt.
Um 15 Uhr erreichen wir endlich den Karakorum Highway (KKH), bei der Auffahrt ueber eine letzte Bruecke werden wir freundlich an den wartenden LKW vorbeigewunken. Kaum geniessen wir die schoen alphaltierte Strasse, werden wir von einer Polizeikontrolle gestoppt und angewiesen, ab sofort mit einem Minivan voller koreanischer Touristen im Konvoi zu fahren. Bei den Koreanern steigt dann noch ein bewaffneter Polizist ein, um persoenlich fuer unsere Sicherheit zu sorgen. Vor drei Wochen wurde hier auf diesem Streckenabschnitt ein Polizeiauto beschossen, seitdem ist man nervoes und bangt vor allem um die Sicherheit der Touristen. Einheimische Privatpersonen sind hier sowieso praktisch nicht unterwegs. Ueberall sieht man schwer bewaffnete Soldaten in offenen Jeeps fahren, die Patronenguertel umgeschnallt.
Als wir einen traumhaften Blick auf den Nanga Parbat haben, haelt unser Fahrer netterweise kurz an, damit ich ein Foto schiessen kann, das fuehrt sofort zu Diskussionen mit unserem bewaffneten Begleiter im Auto vor uns. Auf der Gegenspur kommen uns des Öfteren Konvois aus bis zum 10 Reisebussen entgegen, bei denen immer zig Einheimische noch auf dem Dach mitfahren.
So langsam kommen wir in den Bezirk Haramosh, die Maenner tragen hier alle sog. Balti-Muetzen und sind deutlich baertiger als die in Baltistan. Als wir an einer Tankstelle halten, ist gerade Gebetszeit, und die sich gerade dort befindenden Pakistanis packen kurzerhand ihre Gebetsteppiche aus und verneigen sich Richtung Mekka - dies liegt aber offenbar genau hinter dem grossen Werbeschild der Tankstellenkette, so dass es so aussieht, als beteten alle das Shell-Logo an.
Trotz des hochtrabenden Titels "Highway" ist dieser seit 30 Jahren eine Dauerbaustelle durch die staendigen Erdrutsche. Irgendwann kommt ein Schild "Islamabad 650 km", na also, wir naehern uns an! Die Berge hoeren trotzdem noch laengst nicht auf, immer wieder tauchen am Horizont riesige Gletscher auf.
Um 18 Uhr erreichen wir Chilas, wir hatten eine Stadt erwartet, stattdessen ist dieser wichtige Knotenpunkt nur ein winziges Dorf mit einer staubigen Hauptstrasse, ein paar Auto-Werkstaetten, zwei Hotels fuer Durchreisende. Das unsere (Hotel Panorama) ist eher schaebig, mit abblaetterndem Putz, vergilbter Dusche und einem vor Schreck von der Wand fallenden Gecko, dazu faellt dauernd der Strom aus, es ist sehr heiss, und im Garten versammeln sich gerade 30 Pakistanis ins Salwars zum Gebet. Die Suche nach einem Shop fuer Wasser und Kekse gestaltet sich schwierig, denn es ist bereits alles geschlossen und stockfinster, denn gerade ist mal wieder Gebetszeit, hier ist man offenbar deutlich glaeubiger als noch in Skardu.
Im Restaurant des etwas nobleren Hotels gegenueber stehen schwerbewaffnete Polizisten, die unsere Namen sofort mit einer ominoesen Meldeliste abgleichen wollen, und nach dem Essen (das ganz in pakistanischer Manier mal wieder überhaupt nicht vegetarierfreundlich ist) werden wir von einem von ihnen, der eine dicke Maschinenpistole umgehaengt hat, die 50 m bis in unser Hotel und sogar bis vor unsere Zimmertuer begleitet, das ist schon ein wenig beklemmend! Habe ich doch heute morgen in Islamabad noch de Rundmail gelesen, die der deutsche Botschafter an alle Pakistanreisenden, die sich über die Homepage des Auswärtigen Amtes registriert und ihren Aufenthalt gemeldet haben, verfasst hat - mit der Bitte, man möge sich möglichst "low profile", also unauffällig verhalten...

29.8.13

Rückkehr in die Zivilisation (Skardu, 21.08.2013)

Nachts erschrecke ich sehr, weil irgendjemand (Mensch? Pferd? Kuh?) gegen das Zelt stolpert. Aber egal, es ist eh viel zu früh Zeit zum Aufstehen, die Armbanduhr piepst um halb fünf, und dementsprechend müde sitzen wir alle kurz darauf beim Frühstück. Schwarzer Tee ist aus, im Nutellaglas ist nur noch ein kärglicher Rest, und auch die Pfannkuchen sind heute knapp bemessen. Vor dem Aufbruch versammeln sich nun alle unsere Helfer zur feierlichen Trinkgeldübergabe. Irgendwie geht die ausgeklügelte Rechnung vom Abend vorher doch nicht auf, so dass nun nochmal neu kalkuliert werden muss, bis es passt, dann muss natürlich noch ein Gruppenfoto gemacht werden, das dauert alles seine Zeit, aber am Schluss scheinen alle zufrieden zu sein. Am meisten Freude bereitet den Trägern, dass wir noch ein paar Dinge ausmustern und verschenken (Socken, Schirm, Isomatte, Stirnlampe).
Um kurz nach sechs marschieren wir dann los, noch ist es angenehm kühl, da die Sonne gerade erst aufgeht. Flotten Schrittes marschieren wir auf unserer letzten Etappe, lassen Felsen, Gletscher und den Braldu hinter uns, es wird wieder sandig, als wir endlich vor uns, zwischen blühenden Buchweizenfeldern, Askole erblicken. Nach knapp drei Stunden, die sich ganz schön ziehen, biegen wir endlich in den Zeltplatz von Askole ein, unseren Ausgangspunkt; ein 13tägiger Fußmarsch geht damit zu Ende, die Füße haben nun auch wirklich genug. Und so sitzen wir erleichtert in der Sonne und genießen die Cola, die uns der Zeltplatzbesitzer serviert (und der sofort sehr forsch unbedingt ein Gruppenfoto mit uns machen möchte, verknüpft mit dem Befehl, doch bitte Werbung für seinen Campingplatz zu machen).
Dann sitzen wir fast eineinhalb Stunden dort herum und warten auf die Packpferde, der Rest (Träger, Guide, Autos und Fahrer) ist längst da. Während wir warten, füllen wir noch brav einen Fragebogen des Baltoro-Toruismusbüros aus, dort sollen wir z.B. die Sauberkeit der Toiletten während des Treks und die Qualität der Träger-Unterkünfte bewerten...
Endlich scheucht Akbar uns auf, das Gepäck ist da, und nun soll alles auf einen Transporter verladen werden, inkl. aller Mitreisenden - neugierig beäugt von den Dorfbewohnern. Letzten Endes stehen 10 Leute ums Gepäck gequetscht auf der Ladeflache, Norman und ich falten uns neben den Fahrer, und Akbar und zig andere Pakistanis hängen sich einfach links und rechts außen ans Auto, und los geht's! Und zwar schaukelnd und millimetergenau über Stock und Stein, immer mit einem halben Reifen über dem Abgrund. Dem Fahrer fällt hin und wieder ein Pedal ab, die außen hängenden springen bei besonders engen oder heiklen Stellen lieber mal ab und ich finde es gar nicht lustig, wenn das quietschende Vehikel sich 100 m über dem schäumenden, eiskalten Fluss gefährlich in Schieflage neigt, weil die Hälfte der "Strasse" fehlt. Norman dagegen gefällts, und er bemerkt ungerührt, dass man sich ja hier glücklicherweise wenigstens keine Sorgen machen müsse, dass der Fahrer betrunken sei, denn Alkohol gibt's in Pakistan nicht, deshalb haben auch wir sehr asketische Wochen hinter uns.
Nach einer geführten Ewigkeit stehen wir am Ufer, alle müssen aussteigen und mitsamt Gepäck auf der gegenüberliegenden Seite wieder hochlaufen - durch einen Erdrutsch ist die Staubstrasse verschwunden, oben warten Ersatzautos. Wir kämpfen uns einen fast senkrechten Hang hinauf und werden oben schon von drei Fahrern inkl Jeeps erwartet, und da der dabei ist, der uns vor zwei Wochen hierher kutschiert hat, und der da sehr umsichtig war, steigen wir wieder bei ihm ein. Bevor wir starten können, poliert der junge Mann aber noch seine Motorhaube, soviel Zeit muss sein!
Dann schaukeln wir los, zunächst praktisch im Schritttempo über Felsen und Sand und Serpentinen und Flussbetten, unser Fahrer ist hochkonzentriert, meistert aber alles und hat selbst an den engsten Stellen noch Zeit, mit den Fahrern entgegenkommender Fahrzeuge oder dem Strassenbautrupp (bärtige Männer in Salwars, mit Schaufeln in der Hand) zu plaudern. Nach Stunden erreichen wir endlich den geteerten Abschnitt, der Fahrer verkündet strahlend: "Highway!", auch wenn das für das schmale, von Schlaglöchern übersäte Sträßchen, dass sich stundenlang durch winzige Dörfer windet, wohl etwas übertrieben ist. Egal, jetzt wird aufs Gas gedrückt, der Motor ist so heiß, dass ich vorne auf dem Beifahrersitz praktisch gegrillt werde, und es wird gnadenlos alles weggehupt, was sich in den Weg stellt: Kühe, Ziegen, Hühner, Kinder, Traktoren,...
Es ist Erntezeit in den Dörfern, überall wird Weizen zu Garben gestellt oder gedroschen, und endlich sieht man hier auch mal tiefverschleierte Frauen und Mädchen bei der Arbeit. Die Männer sitzen meist wie die Krähen in für uns äußerst unbequemer Hockhaltung am Boden in Grüppchen zusammen. Ungewohnt ist es, tatsächlich mal Frauen zu sehen, das pakistanische Straßenbild wird von Männern beherrscht, Kontakt zu Frauen hatten wir während der ganzen Zeit hier bislang keinen, nicht mal beim Vorbeifahren kreuzen sich Blicke, während die Männer uns immer recht unbekümmert (aber nie aufdringlich oder sonst irgendwie unangenehm) mustern, winken und lächeln.
Kurz vor Skardu hält unser Fahrer noch kurz bei einer vorsintflutlichen Zapfsäule und tankt für fünf Rupies (3 Euro), der Tankwart kurbelt das Benzin per Handbetrieb in den Tank... Nach anstrengenden sieben Stunden Fahrt erreichen wir um halb sechs endlich Skardu und das Mashabrum-Hotel, wo wir alle sogleich auf unsere Zimmer verschwinden: duschen!!! Schnell noch ein paar Klamotten waschen, "Schönheitspflege" betreiben, ausruhen, und um halb neun treffen wir uns alle an der Rezeption wieder, Kamal will uns zum Abschiedsdinner ausführen. Wir Trekker erkennen und kaum wieder, so frisch gewaschen, gekämmt, in sauberen Klamotten, ausgeruht, braungebrannt.
Bei leckerem pakistanischem Essen (Reis, Dal, Gemüsecurry) und Cola haben wir einen entspannten Abend, alle haben Hunger und hauen rein, und wir haben alle sichtlich Gewicht verloren in den letzten zwei Wochen. 
Um nicht ganz aus der Übung zu kommen, spazieren wir zu Fuß durchs nächtliche Skardu mit seiner staubigen Hauptstraße und den jetzt dunklen Buden zurück ins Hotel und verabschieden uns dort von Julia und Tobias, deren Reise erstmal weiter durch Pakistan führen wird. Und dann: ab ins frische Bett, ist das herrlich, kein harter, kalter Zeltboden mehr!

Zweite Chance für diesen Wegabschnitt (Korphe, 20.08.2013)

Morgens bricht große Begeisterung aus, als Chakpir ein neues Glas Nutella auf den wackligen Frühstückstisch stellt. Offenbar geht es nun, am (vor-)letzten Tag ans Reste-Essen! So gestärkt, starten wir um Punkt sieben, zunächst nach Jhola, unserem ersten Campingplatz, wo wir heute Mittagspause machen wollen. Die Sonne scheint, es ist aber wolkig, und deshalb temperaturmäßig kein Vergleich zum Hinweg. Jeder geht für sich im eigenen Tempo, allerdings muss Akbar, der uns umkreist wie ein Hütehund seine Herde, oft ganz schön rennen, wenn einer mal wieder einen falschen Abzweig nimmt. Manchmal ist nämlich der Weg, der direkt am Wasser entlangführt, überspült, oder der zweite Weg weiter oben verschüttet, so dass man immer mal wieder an den richtigen Stellen wechseln muss. Wegen des niedrigen Wasserstands ist der deutlich bequemere Uferweg diesmal weitgehend passierbar, und so kommen wir deutlich schneller voran als vor zwei Wochen in der Gegenrichtung. Seltsamerweise liegen auf dem ganzen Weg hin und wieder einzelne Socken herum; Norman mutmaßt, dass hier offenbar die aus deutschen Waschmaschinen verschwundenen Exemplare landen, wie auch immer das vonstatten gehen mag. 
Der Weg ist zwar ein ewiges Auf und Ab, in Summe aber deutlich bequemer zu gehen als über das Gletschergeröll. Die Sanddornbüsche und der wilde Thymian, durch die wir uns schlängeln, duften in der Morgenluft, während der Braldu links von uns rauscht und polternd Steine mittransportiert. Irgendwann kommt noch ein weiteres Geräusch hinzu: drei Militärhubschrauber fliegen dicht hintereinander Richtung Kaschmir-Grenze über uns hinweg, auf ihrem wöchentlichen Patrouillenflug, wir passieren auch wieder ein Militärcamp direkt am Flussufer, dass mit seiner Baracke aus groben Steinen, den rostigen Ölfässern daneben und den drei Mann Besatzung eher ärmlich daherkommt.
Schon um kurz nach zehn erreichen wir den vollkommen verlassenen Zeltplatz, und nach dem üblichen Mittagspicknick liegen alle (wir, die Träger, das Küchenteam, Akbar) faul in der Sonne und halten Siesta, so langsam haben alle genug. Derart gestärkt, geht die restliche Strecke für heute problemlos, auch wenn wir auf dem Weg durch einen urplötzlich hereinbrechenden Regenschauer, der 2 Minuten anhält, überrascht werden, sonst bleibts sonnig-wolkig. Den pakistanischen Studenten, die uns entgegenkommen, müssen wir auf deren Nachfrage ehrlich antworten, dass das Wetter die ganzen letzten zehn Tage so unbeständig war, woraufhin sie etwas ernüchtert ihre Wanderung fortsetzen. Ich muss sagen, dass mir diese Etappe diesmal deutlich besser gefällt als am ersten Tag, als ich mich krank und bei 40 Grad den Weg entlanggemüht habe... Hübsch ist es, und immer wieder überraschend, wenn hinter den "normalen" Gipfeln links und rechts deutlich höhere, schneebedeckte Berge auftauchen, das sind sicherlich noch Sechs- und Siebentausender!
Um 14 Uhr, nach knapp 6 Stunden Marsch, erreichen wir Korphe, ein hübsches Plätzchen mitten in einem Wäldchen an einem seitlichen Zufluss des Braldu, in dem wir sogleich mal die heißgelaufenen Füße kühlen. Kaum sind die Zelte aufgebaut und sitzen wir gemütlich mit (Krümel-)Kaffee in der Hand in der Sonne, braut sich schon der nächste Regenguss zusammen. Schnell räumen wir alles in die Zelte, was wir gerade so hübsch zum Lüften und Trocknen auf die umstehenden Bäume verteilt haben, und lesen und spielen eine Runde im Zelt.
Früh werden wir zum Abendessen gerufen, wir hoffen auch hier auf üppiges Resteessen, doch leider gibt's heute nur Pommes und Nudeln, das Gemüse ist offenbar schon aus. Nach dem Essen werden wir ins Kochzelt gerufen, Muhammed will uns endlich in die Kunst des Chapatti-Machens einweisen. Andächtig sitzen wir auf dem Boden im Kreis, während Julia mit dem Teig mischen und kneten beschäftigt ist, alles nach genauer Anweisung des Küchenchefs. Reihum sind wir dann mit Ausrollen und in Form bringen dran, kritisch (und hungrig!) beäugt von sämtlichen Trägern. Leider gelingt es uns nicht, den Teigfladen durch das typische Hin- und Herschleudern (ähnlich wie bei Pizzateig) in die gewünschte Form zu bringen, das sorgt natürlich für Gelächter, und der Chefkoch muss eingreifen, und zeigt uns, wie leichthändig er das hinkriegt. Das Gesamtergebnis sieht jedenfalls am Ende essbar aus.
Als die Porter dann endlich ihr Abendessen kriegen, verabschieden wir uns, und nun kommt die schwierigste Aufgabe: wir müssen das Trinkgeld für unser "Personal" festlegen und genau aufteilen, was recht komplex ist. So muss natürlich der Chefkoch mehr kriegen als der 2. Koch, der Träger, der mit uns zum K2-Basislager gelaufen ist, bekommt mehr als die anderen Träger, außerdem müssen wir noch klären, wieviel Akbar als unser "Guide" bekommen soll u.s.w. Das diskutieren wir sechs Trekker dann eine ganze Weile, irgendwann holt jeder sein Geld und Norman sammelt den jeweiligen Anteil ein und stückelt auf... Mal schauen, wie die Reaktionen morgen früh bei der Übergabe sind, ob wir gerecht verteilt haben?
Danach gehen wir uns Bett, während bei der koreanischen Reisegruppe neben an noch ganz schön Radau ist, haben die doch tatsächlich sogar einen Generator mit auf den Berg geschleppt - ganz schön feudal!

Rezept Chapattis:
Aus Mehl, Salz und wenig Wasser einen Teig machen, min. 10 Minuten kneten, und dabei immer wieder falten. Dann Kugeln formen und diese so dünn wie möglich kreisrund ausrollen, immer wieder wenden und mit Mehr bestäuben. Wenn möglich, durch Hin- und Herschleudern nochmals ausdünnen. Dann den Fladen auf der heißen Herdplatte backen, häufig wenden.

Wieder in Rübezahls Hütte (Skam Sokh, 19.08.2013)

Oh, ich hab so gut geschlafen, und bin putzmunter, als ich um 6 Uhr aus dem Zelt krabble und in den halbwegs blauen Himmel schaue. Bevor es losgeht, müssen erst noch die Maultiere verarztet werden, die haben offene Stellen am Rücken, und man fragt uns nach Hilfe - Julia kramt daraufhin Bepanthen und Zinksalbe aus ihrer Reiseapotheke. Um 7 Uhr marschieren wir los, geradewegs hinein in den dichten Nebel, der sich in den folgenden Stunden auch nicht auflöst. Aber das ist eigentlich gar nicht so schlecht, so bleibt es angenehm kühl, hin und wieder spitzelt links ein 7.000er raus, und dank einer schönen Playlist im Ohr geht es sich recht automatisch.
Fast fünf Stunden brauchen wir, bis wir den Baltoro-Gletscher endlich hinter uns gelassen haben, der Weg über die aufgetürmten Geröllhügel zieht sich, es ist eine dauernde Rutschpartie, beim Gehen über die großen Gesteinsbrocken braucht's volle Konzentration. Riesige Eishöhlen gähnen links und rechts des Wegs, der Gletscher rumort, überall purzeln Steine.
Endlich stehen wir am Ende des Gletschers, unter uns schießt der Braldu-Fluss braun und schäumend hervor, dem wir nun weiter folgen.
Um 12 Uhr erreichen wir endlich Payu, den hübsch gelegenen Campingplatz, wo unser Küchenteam schon ungeduldig mit dem Mittagspicknick auf uns wartet. Endlich können wir danach im eigenen Tempo weitergehen, über den Gletscher war der Weg oft nicht eindeutig erkennbar bzw. kurz zuvor abgerutscht, so dass Akbar als "Leitwolf" immer vorausgehen musste. Nun ist der Pfad entlang des Flusses kaum mehr zu verfehlen, und so verteilen wir uns schnell durch das individuelle Gehtempo.
Erst am schon bekannte Schmelzwasserfluss, den wir vor neun Tagen bereits überqueren mussten, treffen wir uns wieder. Durch das kühle Wetter der letzten Tage ist er um die Hälfte zusammengeschrumpft, und so geht das Überqueren dank großer Steine und der tatkräftigen Hilfe unserer Pakistanis deutlich leichter, zumindest wir Trekker bekommen diesmal keine nassen Füße.
Wir wandern weiter, Norman und ich nehmen einen falschen Abzweig, und müssen ein ganzes Stück über große Felsen direkt über dem eiskalten Braldu entlang hangeln, bis uns Zweitkoch Chakpir wieder einsammelt. Dank nun flotterem Gehtempo erreichen wir Skam Sokh um halb vier; als wir vor neun Tagen hier zur Mittagspause waren, hatte es 40 Grad und kein bisschen Schatten. Heute stürmt es, dass die Luft voller Sand ist, der zwischen den Zähnen knirscht, und am Himmel ballen sich bedrohliche Wolken über den schneebedeckten Bergen zusammen.
Wir sitzen herum und beobachten das Treiben ums Pferde-Abladen (die sich daraufhin sogleich im Sand wälzen und danach hinauf ins Gebirge verschwinden, um dort irgendwo zu grasen), Zelte-Aufbauen (bei dem Wind gar nicht so leicht), "Küche" einrichten... Freundlich werden wir vom Besitzer des Platzes, einem jungen Pakistani, sowie von dem bärtigen Alten, der hier während der Jagdsaison mehrere Monate haust und der uns beim letzten Mal so gastfreundlich in seiner rußgeschwärzten Steinhütte untergebracht hat, begrüßt. Der Alte sieht aus wie eine Mischung aus Räuber Hotzenplotz und Rübezahl, freut sich aber offenbar über Gesellschaft, außer unserer Gruppe ist kein Mensch weit und breit zu sehen.
Als wir bei Tee und Keksen sitzen, kommt Chefkoch Muhammed und bittet wieder um medizinische Hilfe: Küchenassistent Hussein hat Schmerzen in der Schulter, wohl eine Zerrung von der schweren Transportkiste. Schnell eilen Olga und ich los, um Schmerztabletten und Voltaren zu holen, und versorgen den hübschen Burschen, der recht kläglich dreinschaut. Bei dem Gepäck, dass die Kerle sich hier täglich aufladen, ist das kein Wunder; zwei der Träger sind gar ältere Männer (auch wenn das Alter bei den Gesellen, zahnlos, grau und faltig, wie sie sind, schwer zu schätzen ist), die sich genauso wie die Jüngeren jeden Tag riesige Kisten und Tonnen voller Zelte, Kartoffeln, Geschirr etc aufladen.
Spätnachmittags bricht dann der Regen los, irgendwie haben wir wirklich ein schlechtes Wetterkarma, aber zumindest erwischt es uns immer erst nachmittags, und außerdem haben wir so auch immer ein Gesprächsthema, während wir beim Abendessen (heute: Dal aus gelben Linsen und Pasta) sitzen. Doch die fast neun Stunden Fußmarsch heute machen sich bemerkbar, und wir schleichen früh müde ins Zelt.

27.8.13

Atemlos (Khoburche, 18.08.2013)

Ich wache davon auf, dass eines der Packpferde direkt neben unseren Zelt steht und laut wiehert. Es ist eh schon halb sechs, also Aufstehzeit, und als ich den Kopf rausstrecke (in zig Kleidungsschichten eingepackt, in die ich mich noch im Zelt gezwängt habe), hängen die Wolken tief und alles ist grau und nass. Leider auch der Beutel meines Schlafsacks, der über Nacht an der Zeltwand lag und den ich nun zum Trocknen im Küchenzelt abgebe. Langsam trudeln auch die anderen zum Frühstück ein, verfroren sind alle und schimpfen übers Wetter, während ich die tiefgefrorene Nutella unter meiner Daunenjacke auftaue.
Um kurz nach 7 Uhr marschieren wir los, der Himmel lichtet sich, und zwei Stunden später haben wir, als wir uns Umdrehen, einen großartigen Blick auf Gasherbrum I und IV, während sich direkt neben uns langsam der Masherbrum aus den Wolken schält. Mit zig Fotopausen vertrödeln wir den Vormittag, während wir uns mühsam über den Gletscher fortbewegen, immer im Zickzack-Kurs über Eis und Geröll.
Das Wetter schlägt Kapriolen, mal nieselt es, dann kommt Wind auf, dann knallt die Sonne runter, immer schön abwechselnd, so dass wir uns alle 20 Minuten entweder an- oder ausziehen müssen.
Um halb zwölf erreichen wir den Zeltplatz Urdukas, den wir heute nur für eine kurze Mittagspause nutzen, und dessen Toiletten immer noch so schmutzig sind, dass wir froh sind, nicht hier nochmals eine Nacht verbringen zu müssen.
So ziehen wir nach dem üblichen Picknick weiter talabwärts, drei weitere Stunden hangeln wir uns über Gletscher, schrecken bei Steinschlag zusammen und passieren so ganz nebenbei wieder die "Cathedral" und die Trango Towers. Das Wetter bleibt wechselhaft, selbst als wir gegen 15 Uhr endlich den Khoburche-Zeltplatz erreichen. Rob kommt heute deutlich später an, er hat auf dem rutschigen Gletscher Probleme mit seinen Knien und hat nach sieben Stunden Marsch genug für heute.
Die Sonne scheint, wir stürmen zum Gepäck und zerren die seit sechs Tagen feuchten Sachen hervor, breiten alles auf den umliegenden Steinen aus und sitzen gerade mit einer Tasse Kaffee und frischem Popcorn draußen, schon zieht die nächste dunkle Wolke heran und es regnet für 10 Minuten heftig... So geht das einenWeile hin und her, endlich zeichnet sich eine Trockenphase ab, die Norman und ich nutzen, um ein Stückchen unterhalb an einer durch Steine versteckten Stelle am Schmelzwasserbach eine kalte Dusche zu nehmen, und nach fünf Tagen endlich wieder sauber zu sein und frische Klamotten anzuziehen, ist herrlich!
Auch unser "Personal" hält am Wasserschlauch neben dem Küchenzelt heute Waschtag an, richtig ordentlich sehen wir alle wieder aus, als wir uns beim Abendessen treffen. Wieder gibt's leckeres Dal und frisch frittierte Pommes, die jedes Mal der Renner sind. Olga verleibt sich derweil die ganze Schüssel Glibber-Pudding (da nur mit Wasser angerührt, Milch haben wir nicht) ein.
Als wir uns zum Zähneputzen verabschiede wollen, tönt ein wohlbehalten Klang aufs Dach des Essenszeltes: Regen! Selbst Akbar gibt zu, dass er solch ein Wetter noch nie erlebt hat, aber: " Inschallah!" Also schnell ins Zelt, alles wasserdicht einpacken und ab in den Schlafsack. Zumindest ist es hier deutlich wärmer als in den letzten Nächten, und ich hoffe, dass ich endlich wieder ein paar Stunden am Stück schlafen kann. Die letzten Nächte war's nämlich so, dass ich, jedes Mal wenn ich mich umgedreht habe (was wegen des harten, steinigen und kalten Untergrunds und der optimal zu verteilenden Wärmflasche recht oft vorkam und immer eine größere Aktion war), wegen der Höhe erst einmal so außer Atem war, dass der Schlaf solange auf sich warten ließ, bis sich mein Atem wieder beruhigt hatte. Nun sind wir auf knapp 4.000 m, so langsam normalisiert sich alles wieder.

Panda-Look (Goro I, 17.08.2013)

Heute morgen sitzen gleich zwei "Pandas" beim Frühstück, nicht nur Olga, die schon seit vier Tagen sonnenverbrannt ist, sondern auch ich bin rot mit Sonnenbrillen-Abdruck. Das bisschen Sonne gestern Vormittag, reflektiert vom Gletscher auf 5.000 m - da half selbst die Sonnencreme LSF 30 nicht mehr. So werde ich während des Frühstücks von allen Anwesenden aufgezogen, während Chakpir heißen Porridge, frische Pfannkuchen und Omelett serviert. Die Eier dafür tragen die Porter in ihren blauen Tonnen, die an selbstgeschweissten Gestellen befestigt werden, auf dem Rücken; gestern konnte ich im Küchenzelt noch etwa 100 rohe Exemplare entdecken. Der Inhalt des Nutella-Glases (unser Heiligtum) ist nach den nächtlichen Temperaturen von -4 Grad (im Zeltinneren!) leider gefroren.
Bis die Sonne über die Gipfel kriecht, ist es eiskalt, alle stöhnen über kalte Füße, und das Zähneputzen mit dem abgekühlten Wasser unserer "Wärmflaschen" muss schnell gehen. Das Zusammenpacken ist nun, nach mehr als einer Woche, gut eingespielt; Akbar erzählt, dass nun wieder einer der Träger fertig sei - wir also seinen Transportanteil fleißig aufgegessen haben - und heimgeschickt wird.
Um 8 Uhr brechen wir, gut eingepackt in Mütze, Handschuhe, Daunenjacken auf und machen uns an den fünftägigen Rückweg nach Askole. Beim Gehen wird's schnell warm, auch spitzelt die Sonne hervor, und Jacken etc wandern in die Rucksäcke. Tobias und Norman sind heute beide etwas angeschlagen und kämpfen mit dem Magen, uns anderen steckt der gestrige Gewaltmarsch in den Knochen und Füßen, so dass wir im eher gemäßigten Tempo über den Gletscher gehen, meist schweigend, nur unterbrochen von diversen Stopps zum An- und wieder Ausziehen, denn Regenschauer wechseln sich quasi halbstündlich mit Sonnenschein ab, Rob bezeichnet das gar als "typical English weather"!
Wir treffen auf drei junge Männer, Angehörige des Militärs, die unbedingt Fotos von uns mit ihren Handys machen wollen, bevor sie für drei Monate im auf 6.000 m gelegenen Camp am Siachen-Gletscher verschwinden, um die Grenze zu Kaschmir zu bewachen.
Unser Mittagspicknick halten wir auf dem (nicht als solcher zu erkennenden, wäre da nicht ein einsames Klozelt mitten im Eis) Campingplatz Goro II, während von den Hängegletschern Lawinen abgehen. Die Speisenfolge Nudelsuppe - Chapattis - Happy-Cow-Käse - hartgekochte Eier - Dosenfrüchte - Kekse - pakistanisches Studentenfutter (getrocknete Maulbeeren, Mandeln) und natürlich Tee ist jeden Tag fix, das belustigt uns, aber trotzdem essen wir alles auf, und weiter geht's.
Kurze Zeit später treffen wir auf eine Karawane, bestehend aus 40-50 Maultieren, die alle voll beladen sind mit den Überresten eines aufgelösten Militärcamps und nun gemeinsam mit den verwegen aussehenden Begleitern talwärts stapfen. Der sich über Spalten und Gräben schlängelnde Pfad, der durch das abschmelzende Eis eh schon glitschig ist, wird durch die vielen Tiere vor uns auch nicht schöner, und alle sind froh, als wir gegen 14 Uhr unser heutiges Etappenziel, Goro I Camp, erreichen.
Gerade rechtzeitig ist der Zeltaufbau noch bei Sonnenschein beendet, schon geht der nächste Schauer runter, und wir verkriechen uns in die Schlafsäcke. Ich lese, döse, genieße die nachmittägliche Pause und versorge meinen Sonnenbrand und die schmerzenden Füße, mein linker großer Zeh ist seit Tagen völlig taub und gefühllos.
Nach wir vor ist es schade, dass die umliegenden Gipfel meist hinter der Wolken versteckt sind, selbst heute morgen bei verhältnismäßig gutem Wetter konnten wir den K2 nicht in voller Pracht sehen. Ein wenig ernüchternd ist es natürlich auch, wieder genau denselben Weg zurückgehen zu müssen, da die Passüberschreitung aufgrund einer eher unverständlichen politischen Entscheidung für diese Saison unmöglich geworden ist.
Die Landschaft ringsum ist - bis auf die beeindruckenden Fels- und Schneehänge - sehr eintönig, nur Stein und Eis, oberhalb von 3.400 m wächst hier auch nichts mehr, und außer den Mulis und ein paar Dohlen ist hier nicht viel Leben.
Der viele Regen überrascht alle, immer noch tragen wir feuchte und inzwischen müffelnde Klamotten in den Rucksäcken mit uns herum, ohne Gelegenheit zu haben, diese zu trocknen oder mal die Schlafsäcke auszulüften. Die Körperpflege muss, seitdem wir auf dem Gletscher unterwegs sind, ausfallen, es ist viel zu kalt, um auch nur mal kurz aus den diversen Klamottenschichten zu schlüpfen.
Zum Abendessen kocht Muhammed tolles Dal (Linseneintopf), unseren Magenkranken wird davon allerdings abgeraten, die müssen sich an Suppe und Gemüse halten, prima, dann bleibt mehr für uns!
Die Nacht wird nochmal kalt und ungemütlich, die Uhr, die auf dem Zeltboden liegt, zeigt, da ja direkt unter uns das Gletschereis ist, -4 Grad an, und es regnet ununterbrochen. Am meisten tun mir in solchen Nächten die Träger leid. Während das Küchenteam und Akbar im - durch den Kocher - relativ warmen Küchenzelt schlafen, verkriechen die sich in die "Porter-Unterkünfte": kniehoch mit einer Steinmauer eingefasste, vielleicht 4 Quadratmeter große Flächen, über die sie eine Plastikplane als Regenschutz legen und darin eingekuschelt zu fünft oder sechst, nur mit einer dünnen Isomatte darunter, schlafen.