31.8.13

Und er fährt, und fährt, und fährt... (Islamabad, 23.08.2013)

Um 3:45 Uhr (!) hämmert es vehement an unserer Zimmertür - nach den Erlebnissen mit den vielen Bewaffneten am Vorabend schrecken wir auf, aber letztendlich ist es "nur" ein übereifriger Hotelangestellter, der uns eine halbe Stunde zu früh zum Frühstück holen will. Schnell verlassen wir das muffelige Loch, nach Frühstück ist uns Vieren zu dieser nachtschlafenden Zeit eh noch nicht, auch wenn bereits der Muezzin ruft und die ersten Muslime zum Gebet eilen. Vorsichtig steigen wir über die drei auf dem Boden schlafenden Männer an der Rezeption, während unser Fahrer das Gepäck bereits auf dem Dach staubgeschütu verstaut. So haben wir noch mehr Platz im Auto, und den werden wir bei der heutigen Fahrt auch brauchen. Um kurz nach fünf geht's los, wieder im Konvoi mit der koreanischen Reisegruppe, und bereits nach zehn Minuten Fahrt folgt die erste Verzögerung: der Polizist am Kontrollposten nach Chilas, der für die nächste Etappe als unser Beschützer mitfahren soll, ist noch nicht startklar, sondern stopft gerade noch das Hemd in die Hose, während seine Kollegen auf selbstgezimmerten Bettgestellen am Straßenrand weiterschlafen.
Alle ein bis zwei Stunden findet ein "Wachwechsel" statt, jedes Mal verbunden mit längeren Diskussionen: mal will der Bewaffnete im Minivan bei den Koreanern mitfahren, mal steigt einer bei uns ein (während Rob, Olga, Norman und ich wie paralysiert dessen umgehängte Kalaschnikow anstarren), mal fährt ein ganzer Polizeitransporter als Eskorte vorneweg. Bei jeder Übergabe muss unser Fahrer eine Auflistung unserer Daten abgeben, zum Glück hat er ein ganzes Handschuhfach voller Kopien davon.
Das ganze Procedere hält natürlich wahnsinnig auf, zum Gluck ist wenigstens der Verkehr auf dem inzwischen wieder sehr schmalen KKH nicht so schlimm. Hauptsächlich Bedfords mit großen Ladungen von Holzbohlen überholen wir, an den Raststätten (schäbige Hütten am Straßenrand, an denen es Chai und Chapattis gibt, immer mit Bach daneben, an denen sich die Fahrer ungeniert waschen) legen sich deren Fahrer zum Nickerchen dann gerne unter ihren Truck oder auf dessen Kühlergrill. An einer Stelle liegen nur noch Blechteile auf der Strasse, der Rest des Fahrzeugs findet sich 200 m tiefer zertrümmert am Abhang.
In den Dörfern, die wir passieren, ist unheimlich viel Betrieb, Freitag ist Wochenende, das macht sich auch an den Horden von Kindern bemerkbar, die gerne mal unvermittelt über die Strasse rennen, was unseren Fahrer mehrfach seine Bremsen erproben lässt. Aber zum Glück passiert nie etwas, egal, wie willkürlich Kinder, Ziegen, Kühe, Hühner die Strasse überwinden und Autos/ Motorräder überholen, einscheren oder bremsen.
Nach mehr als 8 Stunden sind wir froh, bei einem kleinen Lokal im Grünen anzuhalten, wir sind hungrig, aber schon bedient, als man uns eröffnet, dass es nur Chicken Curry mit Reis gebe, alles andere sei heute aus. Zumindest bekommen wir kalte Softdrinks, und warten ewig aufs Essen, obwohl wir weit und breit die einzigen Gäste sind. Die Dorfkinder sorgen für das Unterhaltungsprogramm und schneiden wilde Grimassen.
Ab hier dürfen wir nun endlich ohne Polizeischutz weiterfahren, der "gefährliche" Teil der Strecke liegt hinter uns, und so düsen wir nun deutlich schneller durch das immer grüner werdende Hügelland. Den Indus, dessen Lauf wir seit Skardu gefolgt sind, lassen wir hinter uns, am Straßenrand wächst büschelweise Hanf, und hin und wieder stehen neben Wasserbüffeln auch Kamele dort herum. Die Strasse selbst wird etwas besser, dafür nimmt der Verkehr merklich zu, die Orte werden größer, ebenso wie die Müllberge, die sich in den Strassengräben sammeln - meist direkt neben den Friedhöfen, die sich dort ohne jegliche Umzäunung befinden, und auf deren Gräbern schon mal eine Kuh grast oder Hühner scharren.
Um 20 Uhr, nach mehr als 14 Stunden Fahrt, ist es endlich geschafft, wir erreichen Islamabad. Es ist schon dunkel, trotzdem ist das Linksfahrgebot ebenso wir die Benutzung der Scheinwerfer eher so eine Art Vorschlag und keine verbindliche Pflicht. Die wahren Helden der Strasse sind für mich die zu zweit, dritt oder gar viert sich wagemutig zwischen Autos und LKW hindurch schlängelnden Motorradfahrer, alle natürlich ohne Helm, mit flatternden Salwars, meist ihre kleinen Kinder vor sich auf dem Sattel sitzend.
Unser Fahrer, der die Strecke tatsächlich mit nur zwei Pausen bewältigt hat, findet unser Hotel nur mit tatkräftiger Unterstützung diverser Einheimischer, die gerne kurzerhand auch einfach mal zusteigen und ein Stück mitfahren. Wir sind ziemlich kaputt, als wir endlich ankommen nach drei Tagen Herumgurkerei mit dem Auto, an Schlaf war wegen der holprigen Strecke nicht zu denken. Zwischendurch haben wir uns schon gefragt, warum wir nicht einfach wieder den Flieger genommen haben. Andererseits gab es so unheimlich viel zu sehen, das war ein schöner Abschluss der Pakistan-Reise.
Im Hotel verabschieden wir uns herzlich von Rob und Olga, mit denen wir tolle drei Wochen verbracht haben, packen noch ein wenig und schlafen ein paar Stündchen, das Abendessen muss aus Faulheit ausfallen.

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