31.8.13

Wüstensonne (Doha, 24.08.2013)

Die "paar Stündchen" Schlaf waren wörtlich gemeint, diesmal klingelt der Wecker bereits um 1 Uhr wieder, nach einer eher unergiebigen Dusche (aus der nur ein winziger Wasserstrahl kommt - Entkalken scheint hier nicht üblich zu sein) steht kurz darauf schon ein Taxi bereit. Groß ist die Überraschung, als unser Fahrer, der uns von Skardu hierher chauffiert hat, wieder vor uns steht - der ältere Herr hat wohl auch keinen Erholungsschlaf abbekommen. Schweigend bringt er uns durchs so gar nicht nachtschlafende Islamabad zum Flughafen, dort herrscht tatsächlich um diese Zeit schon ein riesiges Chaos. Kamal hat uns noch gedrängt, mindestens drei Stunden vor Abflug da zu sein, das hielt ich für leicht übertrieben. Nachdem wir aber bereits vor dem Flughafengebäude eine Stunde in einer unübersichtlichen Schlange stehen, deren Unordnung durch kinderreiche muslimische Familien mit ungezählten Gepäckstücken und diversen sich wahllos dazwischen drängelnden, verabschiedenden Verwandten noch vergrößert wird, bin ich froh über unseren Zeitpuffer.
Bereits jetzt ist es sehr heiß, alles schwitzt und ist sichtlich genervt, und der Unmut entlädt sich tatsächlich in einer waschechten Schlägerei zweier bieder aussehender, dickbäuchiger Familienväter, die sich gegenseitig der Drängelei bezichtigen.
Endlich, nach zig Pass- und Sicherheitskontrollen, bei denen ich mein Durchkommen immer sehr mit dem Hinweis auf meinen "husband" beschleunige (der Mann muss hier halt alles richten), stehen wir endlich am Check In-Schalter. Allerdings auch hier: Chaos, denn das Gepäckbeförderungsband funktioniert sichtlich nicht, und so wird nach längerer Diskussion sämtliche Gepäck aller Reisenden kurzerhand in einer Ecke der Halle gestapelt. Na, da bin ich ja gespannt, ob wir schon wieder ohne Gepäck bei der Landung dastehen!
Wir haben nun gerade noch Zeit für einen Abstecher auf der Toilette - bei mir liegt dort das Putzpersonal am Boden, schläft und reagiert auf die Störung recht ungehalten, außerdem sind deutlich erkennbare Schuhabdrücke auf der Klobrille der "western toilet" (die Damen stehen wohl auch hier konsequenterweise lieber, als dass sie sich hinsetzen) - und schon geht's ans Einsteigen. Wir waren also keine Sekunde zu früh da, und fallen erleichtert in die Sitze.
Als wir in Doha (Qatar) landen, verkündet der Pilot bereits jetzt, um kurz vor sechs Uhr morgens, 33 Grad Außentemperatur. Im Bus zwischen den Terminals verabschieden Norman und ich uns in aller Kürze (umarmt und geküsst werden darf hier in der Öffentlichkeit ja eh nicht), für ihn geht gleich der Anschlussflug nach München, ich habe 14 Stunden Aufenthalt bis zu meiner Weiterreise nach Indien und möchte die Zeit für eine kleine Stadtbesichtigung nutzen.
Bei den Scheichs ist man bestens organisiert, schnell habe ich ein Visum und qatarische Rial und sitze in einem Taxi, von dem ich mich zum äußersten Ende der "Corniche" (also der Strandpromenade) bringen lasse. Mein Plan, zu Fuß dann genau diese 8 km lange Promenade zurückzuschlendern und dann Richtung Altstadt und Souk abzubiegen, ist theoretisch gut. Praktisch bin ich nach den knapp 2 Stunden gegrillt, es ist jetzt, um 9 Uhr, unfassbar heiß, weit über 40 Grad, und trotzdem joggen ein paar Wahnsinnige an mir vorbei, während ich alle 500 m im dürftigen Schatten einer liebevoll bewässerten Palme ausruhe. 
Die Skyline ist beeindruckend, doch der Rest der Stadt ist eine einzige große Baustelle, das ist nicht schön, und ich habe Mitleid mit den meist afrikanischen und philippinischen Bauarbeitern, die hier ackern müssen.
Endlich finde ich den Souk und bin fast wieder versöhnt, schön ist der, ähnlich wie der in Istanbul in einer weit verzweigten Halle gelegen, die zum einen schön restauriert und zum anderen recht kühl ist. Erstaunlicherweise lässt man mich hier vollkommen in Ruhe beim Herumstreunern. Schnell finde ich in einer Seitengasse ein wirklich hübsches Café, in dem ich bei Eiskaffee und Klimaanlage viel länger verweile als geplant.
Gegen Mittag trenne ich mich dann doch, will zu einem Internetcafé, das laut Stadtplan höchstens 1 km entfernt sein muss - nach zweimal wegen einer Baustelle einen Umweg gehen und ständiger Suche nach Straßennamen bin ich nach einer Viertelstunde patschnass geschwitzt, außer mir sind auch keine weiteren Fußgänger unterwegs. Also halte ich ein Taxi an, ein junger Kenianer sitzt am Steuer, er freut sich über meinen beschränkten Swahili-Wortschatz, und gemeinsam machen wir uns nun dran, ein Internetcafé ausfindig zu machen. Er fährt mich eine ganze Weile kreuz und quer durch die Stadt, hält zigmal an, um in Geschäften und bei Passanten nachzufragen, sein Ehrgeiz ist gepackt. Endlich ist er erfolgreich, und dann überlässt er es mir, den Fahrpreis zu bestimmen. Als ich mich ziere, nennt er einen lächerlichen Betrag, als dank lege ich noch was drauf und verschwinde für drei Stunden am PC. Die Zeit dort vergeht wie im Flug, auch dort will man nur einen Centbetrag von mir, obwohl Doha sonst ein teures Pflaster ist.
Am späten Nachmittag lasse ich mich zurück zum Flughafen fahren, der geplante Museumsbesuch fällt aus, ich habe keine Lust auf einen erneuten Marsch durch diese mörderische Wüstenhitze. Stattdessen sitze ich im Pulli im tiefgekühlten Terminal, trinke Eiskaffee, lese, schlafe, sprühe mich mit Parfum voll (und bin begeistert, wie gut ich nach wochenlang nur - wenn überhaupt - Wasser und Seife rieche), so vergeht die Zeit bis zum Abflug nach Thiruvanathapuram schnell.
Beim Einsteigen ärgere ich mich kurz mal wieder über die Eigenart der Inder, einem immer viel zu nah auf die Pelle zu rücken, sowas wie einen individuellen Sicherheitsabstand kennen sie nicht, außerdem wird Drängeln ganz großgeschrieben, Höflichkeit ist da eher selten. Aber ich bin ja selbst schuld, habe ich mir diesen Ausflug doch selbst ausgesucht, also schmunzle ich lieber und verschlafe den Flug...

Und er fährt, und fährt, und fährt... (Islamabad, 23.08.2013)

Um 3:45 Uhr (!) hämmert es vehement an unserer Zimmertür - nach den Erlebnissen mit den vielen Bewaffneten am Vorabend schrecken wir auf, aber letztendlich ist es "nur" ein übereifriger Hotelangestellter, der uns eine halbe Stunde zu früh zum Frühstück holen will. Schnell verlassen wir das muffelige Loch, nach Frühstück ist uns Vieren zu dieser nachtschlafenden Zeit eh noch nicht, auch wenn bereits der Muezzin ruft und die ersten Muslime zum Gebet eilen. Vorsichtig steigen wir über die drei auf dem Boden schlafenden Männer an der Rezeption, während unser Fahrer das Gepäck bereits auf dem Dach staubgeschütu verstaut. So haben wir noch mehr Platz im Auto, und den werden wir bei der heutigen Fahrt auch brauchen. Um kurz nach fünf geht's los, wieder im Konvoi mit der koreanischen Reisegruppe, und bereits nach zehn Minuten Fahrt folgt die erste Verzögerung: der Polizist am Kontrollposten nach Chilas, der für die nächste Etappe als unser Beschützer mitfahren soll, ist noch nicht startklar, sondern stopft gerade noch das Hemd in die Hose, während seine Kollegen auf selbstgezimmerten Bettgestellen am Straßenrand weiterschlafen.
Alle ein bis zwei Stunden findet ein "Wachwechsel" statt, jedes Mal verbunden mit längeren Diskussionen: mal will der Bewaffnete im Minivan bei den Koreanern mitfahren, mal steigt einer bei uns ein (während Rob, Olga, Norman und ich wie paralysiert dessen umgehängte Kalaschnikow anstarren), mal fährt ein ganzer Polizeitransporter als Eskorte vorneweg. Bei jeder Übergabe muss unser Fahrer eine Auflistung unserer Daten abgeben, zum Glück hat er ein ganzes Handschuhfach voller Kopien davon.
Das ganze Procedere hält natürlich wahnsinnig auf, zum Gluck ist wenigstens der Verkehr auf dem inzwischen wieder sehr schmalen KKH nicht so schlimm. Hauptsächlich Bedfords mit großen Ladungen von Holzbohlen überholen wir, an den Raststätten (schäbige Hütten am Straßenrand, an denen es Chai und Chapattis gibt, immer mit Bach daneben, an denen sich die Fahrer ungeniert waschen) legen sich deren Fahrer zum Nickerchen dann gerne unter ihren Truck oder auf dessen Kühlergrill. An einer Stelle liegen nur noch Blechteile auf der Strasse, der Rest des Fahrzeugs findet sich 200 m tiefer zertrümmert am Abhang.
In den Dörfern, die wir passieren, ist unheimlich viel Betrieb, Freitag ist Wochenende, das macht sich auch an den Horden von Kindern bemerkbar, die gerne mal unvermittelt über die Strasse rennen, was unseren Fahrer mehrfach seine Bremsen erproben lässt. Aber zum Glück passiert nie etwas, egal, wie willkürlich Kinder, Ziegen, Kühe, Hühner die Strasse überwinden und Autos/ Motorräder überholen, einscheren oder bremsen.
Nach mehr als 8 Stunden sind wir froh, bei einem kleinen Lokal im Grünen anzuhalten, wir sind hungrig, aber schon bedient, als man uns eröffnet, dass es nur Chicken Curry mit Reis gebe, alles andere sei heute aus. Zumindest bekommen wir kalte Softdrinks, und warten ewig aufs Essen, obwohl wir weit und breit die einzigen Gäste sind. Die Dorfkinder sorgen für das Unterhaltungsprogramm und schneiden wilde Grimassen.
Ab hier dürfen wir nun endlich ohne Polizeischutz weiterfahren, der "gefährliche" Teil der Strecke liegt hinter uns, und so düsen wir nun deutlich schneller durch das immer grüner werdende Hügelland. Den Indus, dessen Lauf wir seit Skardu gefolgt sind, lassen wir hinter uns, am Straßenrand wächst büschelweise Hanf, und hin und wieder stehen neben Wasserbüffeln auch Kamele dort herum. Die Strasse selbst wird etwas besser, dafür nimmt der Verkehr merklich zu, die Orte werden größer, ebenso wie die Müllberge, die sich in den Strassengräben sammeln - meist direkt neben den Friedhöfen, die sich dort ohne jegliche Umzäunung befinden, und auf deren Gräbern schon mal eine Kuh grast oder Hühner scharren.
Um 20 Uhr, nach mehr als 14 Stunden Fahrt, ist es endlich geschafft, wir erreichen Islamabad. Es ist schon dunkel, trotzdem ist das Linksfahrgebot ebenso wir die Benutzung der Scheinwerfer eher so eine Art Vorschlag und keine verbindliche Pflicht. Die wahren Helden der Strasse sind für mich die zu zweit, dritt oder gar viert sich wagemutig zwischen Autos und LKW hindurch schlängelnden Motorradfahrer, alle natürlich ohne Helm, mit flatternden Salwars, meist ihre kleinen Kinder vor sich auf dem Sattel sitzend.
Unser Fahrer, der die Strecke tatsächlich mit nur zwei Pausen bewältigt hat, findet unser Hotel nur mit tatkräftiger Unterstützung diverser Einheimischer, die gerne kurzerhand auch einfach mal zusteigen und ein Stück mitfahren. Wir sind ziemlich kaputt, als wir endlich ankommen nach drei Tagen Herumgurkerei mit dem Auto, an Schlaf war wegen der holprigen Strecke nicht zu denken. Zwischendurch haben wir uns schon gefragt, warum wir nicht einfach wieder den Flieger genommen haben. Andererseits gab es so unheimlich viel zu sehen, das war ein schöner Abschluss der Pakistan-Reise.
Im Hotel verabschieden wir uns herzlich von Rob und Olga, mit denen wir tolle drei Wochen verbracht haben, packen noch ein wenig und schlafen ein paar Stündchen, das Abendessen muss aus Faulheit ausfallen.

Roadtrip (Chilas, 22.08.2013)

Weil ich's grade schon so schoen gewohnt bin, wache ich um halb sechs auf und freue mich sehr, dass ich heute ausnahmsweise mal weiterschlafen kann - und prompt verschlafen wir fast! Schnell packen wir um, holen die ueber Nacht tatsaechlich getrockneten Sachen vom Balkon und fruehstuecken gemuetlich, waehrend wir uns auf SZ-Online erstmal wieder auf den aktuellen Stand des Weltgeschehens bringen (aus Pakistan gibts nur schlechte Neuigkeiten).
Anschliessend moechte Kamal mit uns unbedingt noch ein Video drehen, in dem wir erzaehlen sollen, wie toll er das alles organisiert hat, so eine Art Werbevideo fuer kuenftige Interessenten. Da wir seine Arbeit wirklich toll fanden, machen wir das natuerlich gerne.
Um 10 Uhr ist Abfahrt mit einem recht luxurioesen Jeep und einem schweigsamen Fahrer, und gemeinsam mit Rob und Olga, die auch fuer die Idee eines Roadtrips zu begeistern waren, machen wir uns auf Richtung Islamabad (900 km), auch wenn wir heute "nur" bis Chilas wollen (ca. 200 km).
Zuerst geht es fuenf Stunden am Indus entlang, auf einer engen Strasse oberhalb des Ufers, auf der ausser uns vor allem bunte Bedford-Trucks, Militaerlaster und Huehnertransporter unterwegs sind. Ueber den Fluss ziehen sich immer wieder kleine Bruecken aus Yakhaar, also nur zwei Seile seitlich zum Festhalten und ein dickeres in der Mitte zum Draufstehen. Da muss man schwindelfrei sein! Auf der anderen Uferseite entdecken wir im Fels viele in den Stein gehauene Huetten, wohl Unterkuenfte fuer die Minenarbeiter, die dort recht unwirtlich leben und Quarz (?) abbauen.
Es ist heiss und staubig, und wir freuen uns ueber jeden kurze Pause, z.B. um am Strassenrand die dort feilgebotenen Granataepfel und Trauben zu bestaunen. Ein Jammer, dass die hier keinen Alkohol trinken, die haben die tollsten Haenge dafuer! Rob kauft Trauben, die es nur kiloweise gibt, und so verzehren wir die gemeinsam als Mittagessen, ausserdem zaubert Olga noch - steinharte - getrockenete Aprikosen hervor.
Unser Fahrer schafft es, gleichzeitig zu essen und dennoch die Hupe auf Dauerbetrieb zu halten, die ist das wichtigste Utensil, vor jeder der zahlreichen Kurven, die immer durch den Fels uneinsehbar sind, wird sie genutzt.
Um 15 Uhr erreichen wir endlich den Karakorum Highway (KKH), bei der Auffahrt ueber eine letzte Bruecke werden wir freundlich an den wartenden LKW vorbeigewunken. Kaum geniessen wir die schoen alphaltierte Strasse, werden wir von einer Polizeikontrolle gestoppt und angewiesen, ab sofort mit einem Minivan voller koreanischer Touristen im Konvoi zu fahren. Bei den Koreanern steigt dann noch ein bewaffneter Polizist ein, um persoenlich fuer unsere Sicherheit zu sorgen. Vor drei Wochen wurde hier auf diesem Streckenabschnitt ein Polizeiauto beschossen, seitdem ist man nervoes und bangt vor allem um die Sicherheit der Touristen. Einheimische Privatpersonen sind hier sowieso praktisch nicht unterwegs. Ueberall sieht man schwer bewaffnete Soldaten in offenen Jeeps fahren, die Patronenguertel umgeschnallt.
Als wir einen traumhaften Blick auf den Nanga Parbat haben, haelt unser Fahrer netterweise kurz an, damit ich ein Foto schiessen kann, das fuehrt sofort zu Diskussionen mit unserem bewaffneten Begleiter im Auto vor uns. Auf der Gegenspur kommen uns des Öfteren Konvois aus bis zum 10 Reisebussen entgegen, bei denen immer zig Einheimische noch auf dem Dach mitfahren.
So langsam kommen wir in den Bezirk Haramosh, die Maenner tragen hier alle sog. Balti-Muetzen und sind deutlich baertiger als die in Baltistan. Als wir an einer Tankstelle halten, ist gerade Gebetszeit, und die sich gerade dort befindenden Pakistanis packen kurzerhand ihre Gebetsteppiche aus und verneigen sich Richtung Mekka - dies liegt aber offenbar genau hinter dem grossen Werbeschild der Tankstellenkette, so dass es so aussieht, als beteten alle das Shell-Logo an.
Trotz des hochtrabenden Titels "Highway" ist dieser seit 30 Jahren eine Dauerbaustelle durch die staendigen Erdrutsche. Irgendwann kommt ein Schild "Islamabad 650 km", na also, wir naehern uns an! Die Berge hoeren trotzdem noch laengst nicht auf, immer wieder tauchen am Horizont riesige Gletscher auf.
Um 18 Uhr erreichen wir Chilas, wir hatten eine Stadt erwartet, stattdessen ist dieser wichtige Knotenpunkt nur ein winziges Dorf mit einer staubigen Hauptstrasse, ein paar Auto-Werkstaetten, zwei Hotels fuer Durchreisende. Das unsere (Hotel Panorama) ist eher schaebig, mit abblaetterndem Putz, vergilbter Dusche und einem vor Schreck von der Wand fallenden Gecko, dazu faellt dauernd der Strom aus, es ist sehr heiss, und im Garten versammeln sich gerade 30 Pakistanis ins Salwars zum Gebet. Die Suche nach einem Shop fuer Wasser und Kekse gestaltet sich schwierig, denn es ist bereits alles geschlossen und stockfinster, denn gerade ist mal wieder Gebetszeit, hier ist man offenbar deutlich glaeubiger als noch in Skardu.
Im Restaurant des etwas nobleren Hotels gegenueber stehen schwerbewaffnete Polizisten, die unsere Namen sofort mit einer ominoesen Meldeliste abgleichen wollen, und nach dem Essen (das ganz in pakistanischer Manier mal wieder überhaupt nicht vegetarierfreundlich ist) werden wir von einem von ihnen, der eine dicke Maschinenpistole umgehaengt hat, die 50 m bis in unser Hotel und sogar bis vor unsere Zimmertuer begleitet, das ist schon ein wenig beklemmend! Habe ich doch heute morgen in Islamabad noch de Rundmail gelesen, die der deutsche Botschafter an alle Pakistanreisenden, die sich über die Homepage des Auswärtigen Amtes registriert und ihren Aufenthalt gemeldet haben, verfasst hat - mit der Bitte, man möge sich möglichst "low profile", also unauffällig verhalten...

29.8.13

Rückkehr in die Zivilisation (Skardu, 21.08.2013)

Nachts erschrecke ich sehr, weil irgendjemand (Mensch? Pferd? Kuh?) gegen das Zelt stolpert. Aber egal, es ist eh viel zu früh Zeit zum Aufstehen, die Armbanduhr piepst um halb fünf, und dementsprechend müde sitzen wir alle kurz darauf beim Frühstück. Schwarzer Tee ist aus, im Nutellaglas ist nur noch ein kärglicher Rest, und auch die Pfannkuchen sind heute knapp bemessen. Vor dem Aufbruch versammeln sich nun alle unsere Helfer zur feierlichen Trinkgeldübergabe. Irgendwie geht die ausgeklügelte Rechnung vom Abend vorher doch nicht auf, so dass nun nochmal neu kalkuliert werden muss, bis es passt, dann muss natürlich noch ein Gruppenfoto gemacht werden, das dauert alles seine Zeit, aber am Schluss scheinen alle zufrieden zu sein. Am meisten Freude bereitet den Trägern, dass wir noch ein paar Dinge ausmustern und verschenken (Socken, Schirm, Isomatte, Stirnlampe).
Um kurz nach sechs marschieren wir dann los, noch ist es angenehm kühl, da die Sonne gerade erst aufgeht. Flotten Schrittes marschieren wir auf unserer letzten Etappe, lassen Felsen, Gletscher und den Braldu hinter uns, es wird wieder sandig, als wir endlich vor uns, zwischen blühenden Buchweizenfeldern, Askole erblicken. Nach knapp drei Stunden, die sich ganz schön ziehen, biegen wir endlich in den Zeltplatz von Askole ein, unseren Ausgangspunkt; ein 13tägiger Fußmarsch geht damit zu Ende, die Füße haben nun auch wirklich genug. Und so sitzen wir erleichtert in der Sonne und genießen die Cola, die uns der Zeltplatzbesitzer serviert (und der sofort sehr forsch unbedingt ein Gruppenfoto mit uns machen möchte, verknüpft mit dem Befehl, doch bitte Werbung für seinen Campingplatz zu machen).
Dann sitzen wir fast eineinhalb Stunden dort herum und warten auf die Packpferde, der Rest (Träger, Guide, Autos und Fahrer) ist längst da. Während wir warten, füllen wir noch brav einen Fragebogen des Baltoro-Toruismusbüros aus, dort sollen wir z.B. die Sauberkeit der Toiletten während des Treks und die Qualität der Träger-Unterkünfte bewerten...
Endlich scheucht Akbar uns auf, das Gepäck ist da, und nun soll alles auf einen Transporter verladen werden, inkl. aller Mitreisenden - neugierig beäugt von den Dorfbewohnern. Letzten Endes stehen 10 Leute ums Gepäck gequetscht auf der Ladeflache, Norman und ich falten uns neben den Fahrer, und Akbar und zig andere Pakistanis hängen sich einfach links und rechts außen ans Auto, und los geht's! Und zwar schaukelnd und millimetergenau über Stock und Stein, immer mit einem halben Reifen über dem Abgrund. Dem Fahrer fällt hin und wieder ein Pedal ab, die außen hängenden springen bei besonders engen oder heiklen Stellen lieber mal ab und ich finde es gar nicht lustig, wenn das quietschende Vehikel sich 100 m über dem schäumenden, eiskalten Fluss gefährlich in Schieflage neigt, weil die Hälfte der "Strasse" fehlt. Norman dagegen gefällts, und er bemerkt ungerührt, dass man sich ja hier glücklicherweise wenigstens keine Sorgen machen müsse, dass der Fahrer betrunken sei, denn Alkohol gibt's in Pakistan nicht, deshalb haben auch wir sehr asketische Wochen hinter uns.
Nach einer geführten Ewigkeit stehen wir am Ufer, alle müssen aussteigen und mitsamt Gepäck auf der gegenüberliegenden Seite wieder hochlaufen - durch einen Erdrutsch ist die Staubstrasse verschwunden, oben warten Ersatzautos. Wir kämpfen uns einen fast senkrechten Hang hinauf und werden oben schon von drei Fahrern inkl Jeeps erwartet, und da der dabei ist, der uns vor zwei Wochen hierher kutschiert hat, und der da sehr umsichtig war, steigen wir wieder bei ihm ein. Bevor wir starten können, poliert der junge Mann aber noch seine Motorhaube, soviel Zeit muss sein!
Dann schaukeln wir los, zunächst praktisch im Schritttempo über Felsen und Sand und Serpentinen und Flussbetten, unser Fahrer ist hochkonzentriert, meistert aber alles und hat selbst an den engsten Stellen noch Zeit, mit den Fahrern entgegenkommender Fahrzeuge oder dem Strassenbautrupp (bärtige Männer in Salwars, mit Schaufeln in der Hand) zu plaudern. Nach Stunden erreichen wir endlich den geteerten Abschnitt, der Fahrer verkündet strahlend: "Highway!", auch wenn das für das schmale, von Schlaglöchern übersäte Sträßchen, dass sich stundenlang durch winzige Dörfer windet, wohl etwas übertrieben ist. Egal, jetzt wird aufs Gas gedrückt, der Motor ist so heiß, dass ich vorne auf dem Beifahrersitz praktisch gegrillt werde, und es wird gnadenlos alles weggehupt, was sich in den Weg stellt: Kühe, Ziegen, Hühner, Kinder, Traktoren,...
Es ist Erntezeit in den Dörfern, überall wird Weizen zu Garben gestellt oder gedroschen, und endlich sieht man hier auch mal tiefverschleierte Frauen und Mädchen bei der Arbeit. Die Männer sitzen meist wie die Krähen in für uns äußerst unbequemer Hockhaltung am Boden in Grüppchen zusammen. Ungewohnt ist es, tatsächlich mal Frauen zu sehen, das pakistanische Straßenbild wird von Männern beherrscht, Kontakt zu Frauen hatten wir während der ganzen Zeit hier bislang keinen, nicht mal beim Vorbeifahren kreuzen sich Blicke, während die Männer uns immer recht unbekümmert (aber nie aufdringlich oder sonst irgendwie unangenehm) mustern, winken und lächeln.
Kurz vor Skardu hält unser Fahrer noch kurz bei einer vorsintflutlichen Zapfsäule und tankt für fünf Rupies (3 Euro), der Tankwart kurbelt das Benzin per Handbetrieb in den Tank... Nach anstrengenden sieben Stunden Fahrt erreichen wir um halb sechs endlich Skardu und das Mashabrum-Hotel, wo wir alle sogleich auf unsere Zimmer verschwinden: duschen!!! Schnell noch ein paar Klamotten waschen, "Schönheitspflege" betreiben, ausruhen, und um halb neun treffen wir uns alle an der Rezeption wieder, Kamal will uns zum Abschiedsdinner ausführen. Wir Trekker erkennen und kaum wieder, so frisch gewaschen, gekämmt, in sauberen Klamotten, ausgeruht, braungebrannt.
Bei leckerem pakistanischem Essen (Reis, Dal, Gemüsecurry) und Cola haben wir einen entspannten Abend, alle haben Hunger und hauen rein, und wir haben alle sichtlich Gewicht verloren in den letzten zwei Wochen. 
Um nicht ganz aus der Übung zu kommen, spazieren wir zu Fuß durchs nächtliche Skardu mit seiner staubigen Hauptstraße und den jetzt dunklen Buden zurück ins Hotel und verabschieden uns dort von Julia und Tobias, deren Reise erstmal weiter durch Pakistan führen wird. Und dann: ab ins frische Bett, ist das herrlich, kein harter, kalter Zeltboden mehr!

Zweite Chance für diesen Wegabschnitt (Korphe, 20.08.2013)

Morgens bricht große Begeisterung aus, als Chakpir ein neues Glas Nutella auf den wackligen Frühstückstisch stellt. Offenbar geht es nun, am (vor-)letzten Tag ans Reste-Essen! So gestärkt, starten wir um Punkt sieben, zunächst nach Jhola, unserem ersten Campingplatz, wo wir heute Mittagspause machen wollen. Die Sonne scheint, es ist aber wolkig, und deshalb temperaturmäßig kein Vergleich zum Hinweg. Jeder geht für sich im eigenen Tempo, allerdings muss Akbar, der uns umkreist wie ein Hütehund seine Herde, oft ganz schön rennen, wenn einer mal wieder einen falschen Abzweig nimmt. Manchmal ist nämlich der Weg, der direkt am Wasser entlangführt, überspült, oder der zweite Weg weiter oben verschüttet, so dass man immer mal wieder an den richtigen Stellen wechseln muss. Wegen des niedrigen Wasserstands ist der deutlich bequemere Uferweg diesmal weitgehend passierbar, und so kommen wir deutlich schneller voran als vor zwei Wochen in der Gegenrichtung. Seltsamerweise liegen auf dem ganzen Weg hin und wieder einzelne Socken herum; Norman mutmaßt, dass hier offenbar die aus deutschen Waschmaschinen verschwundenen Exemplare landen, wie auch immer das vonstatten gehen mag. 
Der Weg ist zwar ein ewiges Auf und Ab, in Summe aber deutlich bequemer zu gehen als über das Gletschergeröll. Die Sanddornbüsche und der wilde Thymian, durch die wir uns schlängeln, duften in der Morgenluft, während der Braldu links von uns rauscht und polternd Steine mittransportiert. Irgendwann kommt noch ein weiteres Geräusch hinzu: drei Militärhubschrauber fliegen dicht hintereinander Richtung Kaschmir-Grenze über uns hinweg, auf ihrem wöchentlichen Patrouillenflug, wir passieren auch wieder ein Militärcamp direkt am Flussufer, dass mit seiner Baracke aus groben Steinen, den rostigen Ölfässern daneben und den drei Mann Besatzung eher ärmlich daherkommt.
Schon um kurz nach zehn erreichen wir den vollkommen verlassenen Zeltplatz, und nach dem üblichen Mittagspicknick liegen alle (wir, die Träger, das Küchenteam, Akbar) faul in der Sonne und halten Siesta, so langsam haben alle genug. Derart gestärkt, geht die restliche Strecke für heute problemlos, auch wenn wir auf dem Weg durch einen urplötzlich hereinbrechenden Regenschauer, der 2 Minuten anhält, überrascht werden, sonst bleibts sonnig-wolkig. Den pakistanischen Studenten, die uns entgegenkommen, müssen wir auf deren Nachfrage ehrlich antworten, dass das Wetter die ganzen letzten zehn Tage so unbeständig war, woraufhin sie etwas ernüchtert ihre Wanderung fortsetzen. Ich muss sagen, dass mir diese Etappe diesmal deutlich besser gefällt als am ersten Tag, als ich mich krank und bei 40 Grad den Weg entlanggemüht habe... Hübsch ist es, und immer wieder überraschend, wenn hinter den "normalen" Gipfeln links und rechts deutlich höhere, schneebedeckte Berge auftauchen, das sind sicherlich noch Sechs- und Siebentausender!
Um 14 Uhr, nach knapp 6 Stunden Marsch, erreichen wir Korphe, ein hübsches Plätzchen mitten in einem Wäldchen an einem seitlichen Zufluss des Braldu, in dem wir sogleich mal die heißgelaufenen Füße kühlen. Kaum sind die Zelte aufgebaut und sitzen wir gemütlich mit (Krümel-)Kaffee in der Hand in der Sonne, braut sich schon der nächste Regenguss zusammen. Schnell räumen wir alles in die Zelte, was wir gerade so hübsch zum Lüften und Trocknen auf die umstehenden Bäume verteilt haben, und lesen und spielen eine Runde im Zelt.
Früh werden wir zum Abendessen gerufen, wir hoffen auch hier auf üppiges Resteessen, doch leider gibt's heute nur Pommes und Nudeln, das Gemüse ist offenbar schon aus. Nach dem Essen werden wir ins Kochzelt gerufen, Muhammed will uns endlich in die Kunst des Chapatti-Machens einweisen. Andächtig sitzen wir auf dem Boden im Kreis, während Julia mit dem Teig mischen und kneten beschäftigt ist, alles nach genauer Anweisung des Küchenchefs. Reihum sind wir dann mit Ausrollen und in Form bringen dran, kritisch (und hungrig!) beäugt von sämtlichen Trägern. Leider gelingt es uns nicht, den Teigfladen durch das typische Hin- und Herschleudern (ähnlich wie bei Pizzateig) in die gewünschte Form zu bringen, das sorgt natürlich für Gelächter, und der Chefkoch muss eingreifen, und zeigt uns, wie leichthändig er das hinkriegt. Das Gesamtergebnis sieht jedenfalls am Ende essbar aus.
Als die Porter dann endlich ihr Abendessen kriegen, verabschieden wir uns, und nun kommt die schwierigste Aufgabe: wir müssen das Trinkgeld für unser "Personal" festlegen und genau aufteilen, was recht komplex ist. So muss natürlich der Chefkoch mehr kriegen als der 2. Koch, der Träger, der mit uns zum K2-Basislager gelaufen ist, bekommt mehr als die anderen Träger, außerdem müssen wir noch klären, wieviel Akbar als unser "Guide" bekommen soll u.s.w. Das diskutieren wir sechs Trekker dann eine ganze Weile, irgendwann holt jeder sein Geld und Norman sammelt den jeweiligen Anteil ein und stückelt auf... Mal schauen, wie die Reaktionen morgen früh bei der Übergabe sind, ob wir gerecht verteilt haben?
Danach gehen wir uns Bett, während bei der koreanischen Reisegruppe neben an noch ganz schön Radau ist, haben die doch tatsächlich sogar einen Generator mit auf den Berg geschleppt - ganz schön feudal!

Rezept Chapattis:
Aus Mehl, Salz und wenig Wasser einen Teig machen, min. 10 Minuten kneten, und dabei immer wieder falten. Dann Kugeln formen und diese so dünn wie möglich kreisrund ausrollen, immer wieder wenden und mit Mehr bestäuben. Wenn möglich, durch Hin- und Herschleudern nochmals ausdünnen. Dann den Fladen auf der heißen Herdplatte backen, häufig wenden.

Wieder in Rübezahls Hütte (Skam Sokh, 19.08.2013)

Oh, ich hab so gut geschlafen, und bin putzmunter, als ich um 6 Uhr aus dem Zelt krabble und in den halbwegs blauen Himmel schaue. Bevor es losgeht, müssen erst noch die Maultiere verarztet werden, die haben offene Stellen am Rücken, und man fragt uns nach Hilfe - Julia kramt daraufhin Bepanthen und Zinksalbe aus ihrer Reiseapotheke. Um 7 Uhr marschieren wir los, geradewegs hinein in den dichten Nebel, der sich in den folgenden Stunden auch nicht auflöst. Aber das ist eigentlich gar nicht so schlecht, so bleibt es angenehm kühl, hin und wieder spitzelt links ein 7.000er raus, und dank einer schönen Playlist im Ohr geht es sich recht automatisch.
Fast fünf Stunden brauchen wir, bis wir den Baltoro-Gletscher endlich hinter uns gelassen haben, der Weg über die aufgetürmten Geröllhügel zieht sich, es ist eine dauernde Rutschpartie, beim Gehen über die großen Gesteinsbrocken braucht's volle Konzentration. Riesige Eishöhlen gähnen links und rechts des Wegs, der Gletscher rumort, überall purzeln Steine.
Endlich stehen wir am Ende des Gletschers, unter uns schießt der Braldu-Fluss braun und schäumend hervor, dem wir nun weiter folgen.
Um 12 Uhr erreichen wir endlich Payu, den hübsch gelegenen Campingplatz, wo unser Küchenteam schon ungeduldig mit dem Mittagspicknick auf uns wartet. Endlich können wir danach im eigenen Tempo weitergehen, über den Gletscher war der Weg oft nicht eindeutig erkennbar bzw. kurz zuvor abgerutscht, so dass Akbar als "Leitwolf" immer vorausgehen musste. Nun ist der Pfad entlang des Flusses kaum mehr zu verfehlen, und so verteilen wir uns schnell durch das individuelle Gehtempo.
Erst am schon bekannte Schmelzwasserfluss, den wir vor neun Tagen bereits überqueren mussten, treffen wir uns wieder. Durch das kühle Wetter der letzten Tage ist er um die Hälfte zusammengeschrumpft, und so geht das Überqueren dank großer Steine und der tatkräftigen Hilfe unserer Pakistanis deutlich leichter, zumindest wir Trekker bekommen diesmal keine nassen Füße.
Wir wandern weiter, Norman und ich nehmen einen falschen Abzweig, und müssen ein ganzes Stück über große Felsen direkt über dem eiskalten Braldu entlang hangeln, bis uns Zweitkoch Chakpir wieder einsammelt. Dank nun flotterem Gehtempo erreichen wir Skam Sokh um halb vier; als wir vor neun Tagen hier zur Mittagspause waren, hatte es 40 Grad und kein bisschen Schatten. Heute stürmt es, dass die Luft voller Sand ist, der zwischen den Zähnen knirscht, und am Himmel ballen sich bedrohliche Wolken über den schneebedeckten Bergen zusammen.
Wir sitzen herum und beobachten das Treiben ums Pferde-Abladen (die sich daraufhin sogleich im Sand wälzen und danach hinauf ins Gebirge verschwinden, um dort irgendwo zu grasen), Zelte-Aufbauen (bei dem Wind gar nicht so leicht), "Küche" einrichten... Freundlich werden wir vom Besitzer des Platzes, einem jungen Pakistani, sowie von dem bärtigen Alten, der hier während der Jagdsaison mehrere Monate haust und der uns beim letzten Mal so gastfreundlich in seiner rußgeschwärzten Steinhütte untergebracht hat, begrüßt. Der Alte sieht aus wie eine Mischung aus Räuber Hotzenplotz und Rübezahl, freut sich aber offenbar über Gesellschaft, außer unserer Gruppe ist kein Mensch weit und breit zu sehen.
Als wir bei Tee und Keksen sitzen, kommt Chefkoch Muhammed und bittet wieder um medizinische Hilfe: Küchenassistent Hussein hat Schmerzen in der Schulter, wohl eine Zerrung von der schweren Transportkiste. Schnell eilen Olga und ich los, um Schmerztabletten und Voltaren zu holen, und versorgen den hübschen Burschen, der recht kläglich dreinschaut. Bei dem Gepäck, dass die Kerle sich hier täglich aufladen, ist das kein Wunder; zwei der Träger sind gar ältere Männer (auch wenn das Alter bei den Gesellen, zahnlos, grau und faltig, wie sie sind, schwer zu schätzen ist), die sich genauso wie die Jüngeren jeden Tag riesige Kisten und Tonnen voller Zelte, Kartoffeln, Geschirr etc aufladen.
Spätnachmittags bricht dann der Regen los, irgendwie haben wir wirklich ein schlechtes Wetterkarma, aber zumindest erwischt es uns immer erst nachmittags, und außerdem haben wir so auch immer ein Gesprächsthema, während wir beim Abendessen (heute: Dal aus gelben Linsen und Pasta) sitzen. Doch die fast neun Stunden Fußmarsch heute machen sich bemerkbar, und wir schleichen früh müde ins Zelt.

27.8.13

Atemlos (Khoburche, 18.08.2013)

Ich wache davon auf, dass eines der Packpferde direkt neben unseren Zelt steht und laut wiehert. Es ist eh schon halb sechs, also Aufstehzeit, und als ich den Kopf rausstrecke (in zig Kleidungsschichten eingepackt, in die ich mich noch im Zelt gezwängt habe), hängen die Wolken tief und alles ist grau und nass. Leider auch der Beutel meines Schlafsacks, der über Nacht an der Zeltwand lag und den ich nun zum Trocknen im Küchenzelt abgebe. Langsam trudeln auch die anderen zum Frühstück ein, verfroren sind alle und schimpfen übers Wetter, während ich die tiefgefrorene Nutella unter meiner Daunenjacke auftaue.
Um kurz nach 7 Uhr marschieren wir los, der Himmel lichtet sich, und zwei Stunden später haben wir, als wir uns Umdrehen, einen großartigen Blick auf Gasherbrum I und IV, während sich direkt neben uns langsam der Masherbrum aus den Wolken schält. Mit zig Fotopausen vertrödeln wir den Vormittag, während wir uns mühsam über den Gletscher fortbewegen, immer im Zickzack-Kurs über Eis und Geröll.
Das Wetter schlägt Kapriolen, mal nieselt es, dann kommt Wind auf, dann knallt die Sonne runter, immer schön abwechselnd, so dass wir uns alle 20 Minuten entweder an- oder ausziehen müssen.
Um halb zwölf erreichen wir den Zeltplatz Urdukas, den wir heute nur für eine kurze Mittagspause nutzen, und dessen Toiletten immer noch so schmutzig sind, dass wir froh sind, nicht hier nochmals eine Nacht verbringen zu müssen.
So ziehen wir nach dem üblichen Picknick weiter talabwärts, drei weitere Stunden hangeln wir uns über Gletscher, schrecken bei Steinschlag zusammen und passieren so ganz nebenbei wieder die "Cathedral" und die Trango Towers. Das Wetter bleibt wechselhaft, selbst als wir gegen 15 Uhr endlich den Khoburche-Zeltplatz erreichen. Rob kommt heute deutlich später an, er hat auf dem rutschigen Gletscher Probleme mit seinen Knien und hat nach sieben Stunden Marsch genug für heute.
Die Sonne scheint, wir stürmen zum Gepäck und zerren die seit sechs Tagen feuchten Sachen hervor, breiten alles auf den umliegenden Steinen aus und sitzen gerade mit einer Tasse Kaffee und frischem Popcorn draußen, schon zieht die nächste dunkle Wolke heran und es regnet für 10 Minuten heftig... So geht das einenWeile hin und her, endlich zeichnet sich eine Trockenphase ab, die Norman und ich nutzen, um ein Stückchen unterhalb an einer durch Steine versteckten Stelle am Schmelzwasserbach eine kalte Dusche zu nehmen, und nach fünf Tagen endlich wieder sauber zu sein und frische Klamotten anzuziehen, ist herrlich!
Auch unser "Personal" hält am Wasserschlauch neben dem Küchenzelt heute Waschtag an, richtig ordentlich sehen wir alle wieder aus, als wir uns beim Abendessen treffen. Wieder gibt's leckeres Dal und frisch frittierte Pommes, die jedes Mal der Renner sind. Olga verleibt sich derweil die ganze Schüssel Glibber-Pudding (da nur mit Wasser angerührt, Milch haben wir nicht) ein.
Als wir uns zum Zähneputzen verabschiede wollen, tönt ein wohlbehalten Klang aufs Dach des Essenszeltes: Regen! Selbst Akbar gibt zu, dass er solch ein Wetter noch nie erlebt hat, aber: " Inschallah!" Also schnell ins Zelt, alles wasserdicht einpacken und ab in den Schlafsack. Zumindest ist es hier deutlich wärmer als in den letzten Nächten, und ich hoffe, dass ich endlich wieder ein paar Stunden am Stück schlafen kann. Die letzten Nächte war's nämlich so, dass ich, jedes Mal wenn ich mich umgedreht habe (was wegen des harten, steinigen und kalten Untergrunds und der optimal zu verteilenden Wärmflasche recht oft vorkam und immer eine größere Aktion war), wegen der Höhe erst einmal so außer Atem war, dass der Schlaf solange auf sich warten ließ, bis sich mein Atem wieder beruhigt hatte. Nun sind wir auf knapp 4.000 m, so langsam normalisiert sich alles wieder.

Panda-Look (Goro I, 17.08.2013)

Heute morgen sitzen gleich zwei "Pandas" beim Frühstück, nicht nur Olga, die schon seit vier Tagen sonnenverbrannt ist, sondern auch ich bin rot mit Sonnenbrillen-Abdruck. Das bisschen Sonne gestern Vormittag, reflektiert vom Gletscher auf 5.000 m - da half selbst die Sonnencreme LSF 30 nicht mehr. So werde ich während des Frühstücks von allen Anwesenden aufgezogen, während Chakpir heißen Porridge, frische Pfannkuchen und Omelett serviert. Die Eier dafür tragen die Porter in ihren blauen Tonnen, die an selbstgeschweissten Gestellen befestigt werden, auf dem Rücken; gestern konnte ich im Küchenzelt noch etwa 100 rohe Exemplare entdecken. Der Inhalt des Nutella-Glases (unser Heiligtum) ist nach den nächtlichen Temperaturen von -4 Grad (im Zeltinneren!) leider gefroren.
Bis die Sonne über die Gipfel kriecht, ist es eiskalt, alle stöhnen über kalte Füße, und das Zähneputzen mit dem abgekühlten Wasser unserer "Wärmflaschen" muss schnell gehen. Das Zusammenpacken ist nun, nach mehr als einer Woche, gut eingespielt; Akbar erzählt, dass nun wieder einer der Träger fertig sei - wir also seinen Transportanteil fleißig aufgegessen haben - und heimgeschickt wird.
Um 8 Uhr brechen wir, gut eingepackt in Mütze, Handschuhe, Daunenjacken auf und machen uns an den fünftägigen Rückweg nach Askole. Beim Gehen wird's schnell warm, auch spitzelt die Sonne hervor, und Jacken etc wandern in die Rucksäcke. Tobias und Norman sind heute beide etwas angeschlagen und kämpfen mit dem Magen, uns anderen steckt der gestrige Gewaltmarsch in den Knochen und Füßen, so dass wir im eher gemäßigten Tempo über den Gletscher gehen, meist schweigend, nur unterbrochen von diversen Stopps zum An- und wieder Ausziehen, denn Regenschauer wechseln sich quasi halbstündlich mit Sonnenschein ab, Rob bezeichnet das gar als "typical English weather"!
Wir treffen auf drei junge Männer, Angehörige des Militärs, die unbedingt Fotos von uns mit ihren Handys machen wollen, bevor sie für drei Monate im auf 6.000 m gelegenen Camp am Siachen-Gletscher verschwinden, um die Grenze zu Kaschmir zu bewachen.
Unser Mittagspicknick halten wir auf dem (nicht als solcher zu erkennenden, wäre da nicht ein einsames Klozelt mitten im Eis) Campingplatz Goro II, während von den Hängegletschern Lawinen abgehen. Die Speisenfolge Nudelsuppe - Chapattis - Happy-Cow-Käse - hartgekochte Eier - Dosenfrüchte - Kekse - pakistanisches Studentenfutter (getrocknete Maulbeeren, Mandeln) und natürlich Tee ist jeden Tag fix, das belustigt uns, aber trotzdem essen wir alles auf, und weiter geht's.
Kurze Zeit später treffen wir auf eine Karawane, bestehend aus 40-50 Maultieren, die alle voll beladen sind mit den Überresten eines aufgelösten Militärcamps und nun gemeinsam mit den verwegen aussehenden Begleitern talwärts stapfen. Der sich über Spalten und Gräben schlängelnde Pfad, der durch das abschmelzende Eis eh schon glitschig ist, wird durch die vielen Tiere vor uns auch nicht schöner, und alle sind froh, als wir gegen 14 Uhr unser heutiges Etappenziel, Goro I Camp, erreichen.
Gerade rechtzeitig ist der Zeltaufbau noch bei Sonnenschein beendet, schon geht der nächste Schauer runter, und wir verkriechen uns in die Schlafsäcke. Ich lese, döse, genieße die nachmittägliche Pause und versorge meinen Sonnenbrand und die schmerzenden Füße, mein linker großer Zeh ist seit Tagen völlig taub und gefühllos.
Nach wir vor ist es schade, dass die umliegenden Gipfel meist hinter der Wolken versteckt sind, selbst heute morgen bei verhältnismäßig gutem Wetter konnten wir den K2 nicht in voller Pracht sehen. Ein wenig ernüchternd ist es natürlich auch, wieder genau denselben Weg zurückgehen zu müssen, da die Passüberschreitung aufgrund einer eher unverständlichen politischen Entscheidung für diese Saison unmöglich geworden ist.
Die Landschaft ringsum ist - bis auf die beeindruckenden Fels- und Schneehänge - sehr eintönig, nur Stein und Eis, oberhalb von 3.400 m wächst hier auch nichts mehr, und außer den Mulis und ein paar Dohlen ist hier nicht viel Leben.
Der viele Regen überrascht alle, immer noch tragen wir feuchte und inzwischen müffelnde Klamotten in den Rucksäcken mit uns herum, ohne Gelegenheit zu haben, diese zu trocknen oder mal die Schlafsäcke auszulüften. Die Körperpflege muss, seitdem wir auf dem Gletscher unterwegs sind, ausfallen, es ist viel zu kalt, um auch nur mal kurz aus den diversen Klamottenschichten zu schlüpfen.
Zum Abendessen kocht Muhammed tolles Dal (Linseneintopf), unseren Magenkranken wird davon allerdings abgeraten, die müssen sich an Suppe und Gemüse halten, prima, dann bleibt mehr für uns!
Die Nacht wird nochmal kalt und ungemütlich, die Uhr, die auf dem Zeltboden liegt, zeigt, da ja direkt unter uns das Gletschereis ist, -4 Grad an, und es regnet ununterbrochen. Am meisten tun mir in solchen Nächten die Träger leid. Während das Küchenteam und Akbar im - durch den Kocher - relativ warmen Küchenzelt schlafen, verkriechen die sich in die "Porter-Unterkünfte": kniehoch mit einer Steinmauer eingefasste, vielleicht 4 Quadratmeter große Flächen, über die sie eine Plastikplane als Regenschutz legen und darin eingekuschelt zu fünft oder sechst, nur mit einer dünnen Isomatte darunter, schlafen.

24.8.13

Am Fuße des K2 (16.08.2013)

Der für 5 Uhr erwartete Weckruf von Akbar bleibt aus, stattdessen: "Raindrops keep falling on my tent"... Dass alle aber trotzdem schon wach sind, ist unüberhörbar, so singen Julia und Tobias im Nachbarzelt schon seit geraumer Zeit "Morning has broken". Wir bleiben alle in den halbwegs warmen Schlafsäcken liegen, bis wir um 7 Uhr zum Frühstück gerufen werden, es hat sich tatsächlich ausgeregnet, und so brechen wir (ohne Rob, der seinem Knie einen Ruhetag gönnt und sich aufs Ausschlafen freut) Richtung K2-Basislager auf.
Der Weg führt zunächst auf einen Hügel aus Schnee und Eis, den es auf der anderen, steilen Seite etwa 50m hinunterzuklettern gilt. Als kleine Hilfestellung ist auch hier das übrigens den ganzen Weg seit Skardu am Weg allgegenwärtige Telefonkabel (noch aus Zeiten des Kaschmir-Kriegs) wie ein Fixseil zu benutzen.
Nach ein paar weiteren Rutschpartien können wir den Weg Richtung K2 fortsetzen, dabei passieren wir den Broad Peak mit seinem Basislager. Ein wenig lichten sich jetzt die Wolken, so dass der K2 kurzzeitig fast vollständig sichtbar vor uns auftaucht, in der Gegenrichtung zeigt sich der Chogolisa in voller Pracht, beeindruckend sind auch die zig Gletscher, die alle am Concordia-Platz zusammenfließen.
Einem davon, der mit frischem Schnee bedeckt ist, folgen wir nun eine Weile, bis wir um 13 Uhr (nach einem kleinen Picknick unterwegs, das Akbar und einer der Träger mitgebracht haben) am K2-Basislager ankommen, das auf einem von Spalten durchzogenen Gelände direkt am Fuß dieses beeindruckenden Achttausenders liegt. Akbar erzählt hier begeistert von Gerlinde Kaltenbrunner, die hier überaus bekannt ist - er ist schwer beeindruckt von dieser "strong woman", die dazu auch noch so nett sei!
Leider ist das Camp vollkommen verlassen, die Saison ist seit ein paar Tagen vorüber, und alle Expeditionsteams sind längst abgezogen. So kreisen nur ein paar Dohlen über uns, während vom Berg ständig Lawinen abgehen.
Ein Stück oberhalb am Hang ist das Denkmal für die dort umgekommenen Bergsteiger zu sehen, wir können uns aber nicht aufraffen, dorthin noch aufzusteigen, im Camp auf 5.100 m ist man schon genug aus der Puste.
Nach den obligatorischen Fotos (groß ist die Enttäuschung, dass es kein Schild dort gibt, so kritzelt Julia schnell auf einen Stein "K2 b.c." fürs Beweisfoto) steigen wir wieder Richtung Concordia-Platz ab. Der Rückweg zieht sich, auch wenn's abwärts deutlich leichter geht.
Akbar drängt zur Eile, er will noch bei Tageslicht zurückkommen, und so pflügen wir so schnell wie möglich über Eis und Geröll.
Leider haben sich die Wolken wieder verdichtet, schade. Die Geröllfelder wirken so ziemlich karg, und die Gegend noch verlassener, als sie eh ist - mindestens vier Tage Fußmarsch vom nächsten Dorf entfernt.
Die Kletterei am Kabel hinauf sowie ein mutiger Sprung über einen Schmelzwasserbach (der morgens wegen der Kälte der Nacht natürlich noch nicht da war), und nach gut zehn Stunden erreichen wir kurz nach 18 Uhr den Zeltplatz wieder.
Wir sind ziemlich erledigt, werden begeistert von unserem Küchenteam begrüßt und sofort mit Abendessen, Tee und "Wärmflaschen" versorgt.
Ein wenig ratschen Olga und ich noch und überlegen uns die nächsten Reiseziele (Vorgabe: warm und trocken!), doch gegen 20 Uhr ist's genug, und wir kriechen in die Zelte. Unser Reißverschluss außen lässt sich nun gar nicht mehr schließen, das wird wieder eine kalte Nacht. Eigentlich empfiehlt sich nach so einer Tour ein Ruhetag, doch der ist nicht drin, morgen früh geht's wieder auf den Rückweg....

Eisfüße (Concordia, 15.08.2013)

"Allahu akbar", "Allah ist groß", sind sich alle am nächsten Morgen einig. Die ersten Sonnenstrahlen spitzeln um 6.30 Uhr zwischen den Wolken durch, und endlich gibt's einen tollen Blick auf Chogolisa und die anderen Gipfel. Durch die tiefe Schneefallgrenze ist alles frisch gepudert.
Schnell breiten wir alle klammen Sachen auf den Steinen aus, die Höhensonne trocknet sie schnell, und so zögern wir den Aufbruch hinaus.
Akbar schickt einen der jüngsten Träger heute nach Hause, seine Arbeit ist getan, so bekommt er schon jetzt sein Trinkgeld, und Norman kramt aus seiner Tasche noch ein Shirt und ein paar warme Socken als Geschenk, weil der kleine Kerl gar so abgerissen aussieht.
Frohgemut marschieren wir um halb neun los, vorbei an Eispyramiden, deren Anblick nun doch für den gestrigen Tag entschädigt. Immer weiter geht's auf dem Baltoro-Gletscher, nach wie vor führt der Weg im Zickzackkurs über Gräben, aufgeschüttete Hügel, immer steinig und vereist ist es. 
Um 11 Uhr machen wir unser Mittagspicknick, schnell ist Nudelsuppe und Teewasser bereit, an Wasser mangelt es hier ja nicht. Während wir essen, holen uns die Wolken leider wieder ein, und der Regen beginnt von Neuem.
Wir eilen los, bloß nicht wieder so durchnässen wie gestern! Dabei passieren wir einen Stützpunkt des pakistanischen Militärs, ringsum sieht's aus wie auf einer Müllhalde, und dazwischen sitzen die Soldaten mitten in der Berglandschaft und bewachen die kaschmirische Grenze.
Um halb zwei erreichen wir endlich, nach wie vor im Nieselregen, das "Ziel" unserer Tour, den Concordia-Platz auf 4.600 m. Leider ist überhaupt nichts zu sehen von den spektakulären Gipfeln ringsum, alles ist wolkenverhangen und grau, und so ist es momentan nur eine Steinwüste mit viel Eis darunter und ein paar Schmelzwasserseen und Spalten dazwischen.
Die Zelte stehen schnell, doch ich bleibe im Küchenzelt sitzen, da ist es dank des Kochers wenigstens warm. Schnell halte ich eine Tasse heißen Kaffee in der Hand, und Muhammed zeigt mir, wie er die leckeren Pakoras zubereitet, die es heute mal wieder gibt. Natürlich darf ich schon fleißig probieren, während ich mit Akbar über seine Familie plaudere. Der taut zunehmend auf, und versichert Norman, dass er mich getrost in dieser Männerrunde alleine lassen dürfe, da ich kurzerhand als "sister" deklariert werde und damit quasi Familienmitglied bin. Ansonsten werden hier konsequent immer nur die Herren von unseren Pakistanis angesprochen, und zwar höflich als "Mister Norman", "Mister Rob" und "Mister Tobias".
Ausgerüstet mit einer vollen Flasche heißen Wassers spaziere ich irgendwann ins Zelt und kuschle mich in den Schlafsack, alle dösen, lesen und versuchen, das blanke Eis und die harten Steine unter unseren Zelten zu ignorieren.
Mit der Höhe kommen wir Trekker erstaunlich gut zurecht, beim schnellen Aufstehen merkt man sie, Julia kämpft ein bisschen mit niedrigem Blutdruck, Rob und Olga nehmen regelmäßig Diamox und sind damit quasi gedopt.
Um halb acht werden wir zum Abendessen gerufen, das in Windeseile erfolgt, da alles so schnell kalt wird. Wir sitzen in Daunenjacken, Skiunterwäsche und Mütze da, umklammern heiße Teetassen und plaudern noch ein wenig über die Verrückten, die hier bei -32 Grad Winterbesteigungen an den Gasherbrum-Gipfeln, am K2 oder am Broad Peak versuchen. Uns reichen die knapp 0 Grad schon, v.a. die Füße werden auf dem Eis so schnell kalt.
Deshalb kriegen Norman und ich heute gleich zwei "Wärmflaschen" für die Nacht, und so ausgerüstet kriechen wir uns Zelt, dessen Reißverschluss uns diesmal echt zu schaffen macht, da er sich nur nach gutem Zureden einigermaßen schließen lässt.
Kalte Luft zieht von draußen rein, aber zumindest ist es seit zwei Stunden trocken, und so steht der Plan, morgen zum K2-Basislager zu gehen, eine gut zehnstündige Tour ist das, die sich aber nur bei gutem Wetter lohnt.

Nasskalt (Goro II, 14.08.2013)

Alles Hoffen war vergebens, nachts faengt der Regen wieder an, und so ist die Stimmung beim Fruehstueck nch einer kalten, ungemuetlichen Nacht, eher mau. Wir beschliessen dennoch einstimmig, zur naechsten Etappe aufzubrechen, keiner hat Lust, noch laenger in den undichten Zelten herumzusitzen, beim Gehen wird's wenigstens warm. Also brechen wir, gut verpackt in Regenkleidung, um 8 Uhr auf. Schweigend marschieren wir hintereinander, Akbar vorneweg, ueber den Gletscher, ein Weg ist nicht zu erkennen, hin und her geht es ueber hoch aufgetuermte Huegel, wir huepfen ueber Eisbaeche, springen ueber kleine Spalten und rutschen auf der duennen Geroellschicht, die das blanke Eis bedeckt. Es regnet dabei ununterbrochen, und ebenso stoisch laufen wir knapp 6 Stunden ueber diesen immer gleich aussehenden Gletscher, der nicht aufzuhoeren scheint.
Die Wolken haengen so tief, dass von den umliegenden Gipfeln (Masherbrum!) nichts zu sehen ist. Fuer laengere Pausen ist es viel zu ungemuetlich, irgendwann sind Handschuhe, Hose, Schuhe etc. durchweicht, als wir endlich um kurz nach 13 Uhr das Camp Goro II (4.300 m), wo wir praktisch alleine sind, erreichen.
Gemeinsam mit uns kommen Packpferde und Traeger an, das Kuechenzelt steht schnell, und kurz darauf schmeissen die Koeche den Benzinkocher mit den zwei Platten an, um ein wenig einzuheizen. Alle draengen sich daraufhin darum, pitschnass und zitternd, vor allem die Pakistanis in ihren unzureichenden Klamotten. Allen voran die beiden Teenager-Jungs, die wohl gerade "angelernt" werden, tun uns leid, wie sie da schlotternd und tropfend sitzen und klaeglich dreinschauen.
Schnell ist Teewasser und Nudelsuppe fertig, wir teilen mit unsere Begleitern, die dringend Waerme brauchen koennen.
Den restlichen Nachmittag verbringen wir damit, Kleidungsstuecke und Schlafsaecke ueber dem Kocher zu trocknen, ganz, ganz langsam entweicht die Feuchtigkeit, und wir stellen regelrechte Produktvergleiche an, welche Jackenmarke denn nun am nassesten bzw. trockensten ist.
Als unsere kleinen Zelte aufgebaut sind, stellt man eine Gaslampe zum Austrocknen und Aufwaermen rein, das funktioniert ein bisschen, doch die Pfuetzen und feuchten Isomatten bleiben. Es hat etwa 5 Grad draussen, und der gemuetlichste Ort bleibt nach wie vor das Kuechenzelt, also setzen wir uns dort auf die Matten, schauen beim Kochen zu und trinken heissen Tee. Endlich kommen wir so mit den Begleitern naeher in Kontakt, es werden Geschichten erzaehlt und gelacht. "Chakir hats schwer", erzaehlt Akbar, waehrend er sich eine Zigarette am Benzinkocher anzuendet. "Seine erste Frau in Karachi bekam Zwillinge - zwei Maedchen! Daraufhin nahm er sich eine Zweitfrau, die ihm auch eine Tochter schenkte, inschallah! Jetzt hat er keine Lust auf Kinder" - denn allein die Verheiratung der drei Maedchen wird ein Vermoegen kosten, sind doch bei Hochzeiten bis zu 1.000 Gaeste zu erwarten und zu verkoestigen. "Wie ist das bei Euch?" - mit solchen Gespraechen vergeht der Nachmittag schnell.
Das Abendessen ist lecker, aber wir haben nicht viel Sitzfleisch, da die Stuehle nach wie vor nass und kalt sind, doch wenigstens gibt es heute heisses Wasser in die Trinkflaschen, die kommen in den Schlafsack und machen schoen warme Fuesse. Der Regen haelt an, das nervt, weil auch die Rucksaecke und deren Inhalt langsam feucht werden.
Ich fuerchte mich vor einer noch lange nicht letzten kalten, nassen und harten Nacht, so ein Urlaub in der Sonne waere auch schoen, denke ich, denn Camping bei Kaelte und Naesse behagt mir gar nicht. Und nun entschaedigt nicht einmal die Umgebung fuer diese Strapazen, denn die Wolken haengen so tief, dass man die hohen Berge nur durch das Grollen der Hin und Wieder abgehenden Lawinen erahnen kann...

Inschallah! (Urdukas, 13.08.2013)

Nun sitzen wir seit mittags um 12 Uhr im Zelt dem - sehr rudimentaeren - Campingplatz Urdukas, und es regnet ununterbrochen. An den Zeltwaenden laeuft das Wasser runter und ins Zelt rein, doch zumindest im Schlafsack ist es ungemein warm und kuschelig, und so verdoesen wir den Nachmittag, lesen, speieln, bis wir um 19 Uhr zum Abendessen gerufen werden. Keiner hat so recht Lust, das Zelt zu verlassen, doch tatsaechlich hoert der Regen just auf und es klart nochmal kurz auf, so dass wir einen fantastischen Blick Richtung Concordia-Platz haben.
Heute morgen ging es recht gemuetlich los, die erste Tasse Kaffee gab es in aller Ruhe draussen um 7 Uhr, waehrenddessen konnte ich das gut organisierte Zusammenpacken beobachten. Um 8 Uhr marschierten wir, noch bei Sonnenschein, los Richtung Urdukas, dabei mussten wir zweimal einen seitlich hereinfliessenden Gletscher ueberqueren, die Kraxelei ueber das Blankeis, das nur von einer ganz duenne Steinschicht ueberzogen war, war ein bisschen nervig. Irgendwann begann ein leichter Nieselregn, nicht allzu schlimm, und wir kamen so gut voran, dass wir gegen 11 Uhr bereits das heutige Etappenziel auf 4.100 m erreichten. Inzwischen regnete es heftiger, und so gestaltete sich das Aufbauen der Zelte und das Abladen des Gepaecks von unseren vier Mulis als eine echte Schlammschlacht.
Die Traeger in ihren Plastikschuhen und ohne Regenjacken spannten sich kurzerhand Plastikplanen ueber ein paar Steine und verbrachten darunter den regnerischen Tag mit lautstarkem Singen, eng zusammengekuschelt. Wir erfreuten uns zwar an den leckeren Pakoras zum Lunch, aber da auch die Stuehle recht nass geworden sind, fluechteten wir recht schnell.
An einem Felsen oberhalb der Zelte haengt eine Gedenktafel, hier sind 2011 drei Traeger von einem herabstuerzenden Felsen erschlagen worden. Da stellt sich ein ungutes Gefuehl ein, als nachmittags unuberhoerbar Steinschlaege von den umliegenden Gletschern donnern, aber Akbar behauptet, man waere hier inzwischen sicher, inschallah!
Genauso "inschallah" ist die Wetterprognose fuer morgen, hoffentlich haelt's einigermassen, damit die klammen Sachen trocknen koennen.

Wueste (Khoburche, 12.08.2013)

Morgens ist wieder grosser Radau am Camp, bis alles (inkl. der gut am Baum abgehangenen Ziege) verpackt ist. Kurz nach halb sieben sind wir aber abmarschbereit, die erste Stunde gehen wir schweigend im Gaensemarsch entlang des Braldus, bis wir am Fuss der Moraene des Baltoro-Gletschers ankommen: ein riesiges Geroellfeld, 62 km lang, ein bisschen sieht das Ganze aus wie eine Wueste, kaum hat man eine (Stein-)Duene erklettert, tuermt sich dahinter schon die naechste, noch hoehere, auf. So kraxeln wir bergauf, es ist aber immer noch Zeit, um die Trango Towers  bzw. den Nameless Tower zu bestaunen.
Die Wolken, die den Morgen ueber noch den Himmel bedecken, verziehen sich zunehmends, waehrend wir weitere Taeler und Gletscher, die von links und rechts einfallen, passieren. Das Eis unter uns ist dauernd in Bewegung durch die steigende Temperatur, staendig rumpeln Steine hinunter, das Echo klingt oft bedrohlich nah.
Um halb elf erreichen wir, gemeinsam mit den Koechen, den heutigen Lunch-Platz, dort huschen Pikas (auf Deutsch: Ladakh-Pfeifhase!) umher, Bienen summen und Voegel flattern, obwohl es hier ausser Steinen nicht viel gibt. Gerade, als Nudelsuppe und Teewasser bereitstehen, setzt sich die Sonne vollends durch, und wir sitzen ohne Schatten und Schutz im prallen Sonnenschein bei 40 Grad.
Der sich fortsetzende Weg wird dadurch etwas muehsam, seltsam mutet vor allem eine laengere Etappe durch feinsten Sand an, das ist eher Sahara- als Gletscher-Feeling, v.a. als auch noch ein verendetes Packpferd am Wegrand liegt...
Gegen halb zwei erreichen wir unser heutiges Ziel, den Khoburche-Campingplatz auf 3.950 m - viel frueher als erwartet, heute sind alle fit, und so sitzen wir sogar noch Weilchen zusammen in der Sonne bei Tee und Popcorn und verratschen den Nachmittag. Der Platz ist nun recht einfach, Toiletten sind nicht existent, da muessen die Felsen ringsum herhalten. Aber die Aussicht auf die vor uns liegende "Thunmo-Cathedral" ist einzigartig!
Die Sonnencreme-Sand-Schweiss-Schicht wird am Wasserfall 200 m oberhalb des Camps abgewaschen, und kaum sind wir zurueck im Zelt, schlaegt ploetzlich das Wetter um, zunaechst troepfelt es ein wenig, spaeter kommt Wind auf, und als wir mit dem Abendessen fertig sind, beginnt es richtig zu regnen.
Unsere Zelte sind leider nicht die besten, muessen wir schnell feststellen, schon sind die Zeltwaende nass. Aber Normans und Tobias' Hoehenmesser-Uhren prognostizieren beide gutes Wetter fuer morgen, wir sind also optimistisch.

Die Bergfexe

Zum weiteren besseren Verstaendnis meiner Erzaehlung gibts jetzt einen kleinen Exkurs, und ich stelle Euch die Mitreisenden vor:
 
Akbar
Pakistanischer Trekkingguide, Alter nicht bekannt. Hat sich fuenf Finger und diverse Zehen bei einer Rakaposhi-Expedition vor 15 Jahren abgefroren, ist also ein "harter Hund", aber gleichzeitig auch so schuechtern, dass er wegen seiner verkrueppelten Finger gemeinsame Mahlzeiten mit uns scheut. Hat drei Kinder, raucht bei jeder Gelegenheit (und in jeder Hoehe) und ist erstaunlich firm, wenn es um europaeische Politik geht. Huepft in seinen Turnschuhen schneller ueber jeden Fluss und auf jeden Fels, als wir gucken koennen.
 
Rob
Drahtiger kleiner Englaender, 67 Jahre alt, gluehender Fussballfan, reist bei jeder Weltmeisterschaft seinem Team hinterher. Ehemals Marathonlaeufer, Kilimandscharo-Besteiger, geht's, seit er ein kuenstliches Knie und eine kuenstliche Huefte hat, etwas ruhiger an (also nur noch Everest Base Camp- und Karakorum-Trekkingtouren). Weit gereist, eigentlich laengst pensioniert, aber inzwischen wieder arbeitend, da ihm das Rentner-Dasein zu langweilig war. Ist in zweiter Ehe mit Olgas Mutter verheiratet.
 
Olga
Russin, 27 Jahre alt, in Moskau lebend und als Wirtschaftsprueferin taetig. Hat in London studiert und spricht ausnehmend britisches Englisch. Ist tagsueber sehr still, marschiert wie ein kleiner Roboter meist vorneweg. Klein, schmal, sportlich, clever und stolz auf das russische Steuersystem. Begleitet ihren Stiefvater meist bei seinen Fussball-Reisen, ist deshalb auch ganz schoen rumgekommen.
 
Tobias
36jaehriger Solaringenieur aus Karlsruhe, lebt in Freiburg. Arbeitsvertrag ausgelaufen, nun 9 Monate Abenteuerurlaub mit Julia (Reiseroute: siehe Blog). Bergsteiger, Kletterer, Ski- und Hochtourengeher, viel gereist und bestiegen (Anden, Himalaya), begeisterter Esser und immer fuer eine Geschichte gut.
 
Julia
33jaehrige Allgaeuerin, lebt in Freiburg und arbeitet irgendwas im sozialen Bereich, bevor sie mit Tobias auf grosse Reise ging. Hat u.a. ein Jahr in Indien gelebt und gearbeitet. Ist sportlich, unkompliziert, aber ein wenig still, wenn es um Privates geht.
 
Ausserdem ist noch das Kuechenteam um Muhammed, Chakir und Hussein, sowie 7 weitere Traeger bzw. Pferdefuehrer dabei.

Ruhetag (Payu, 11.08.2013)

Es ist herrlich, morgens um halb sechs geht draussen der Radau der aufbrechenden Gruppen los, und wir duerfen heute ausschlafen! Gegen 6 Uhr beginnt es, leicht zu regnen, umso schoener ist's im kuscheligen Schlafsack. Fruehstueck gibt es heute erst um 9 Uhr, alle sind sehr entspannt, keine Aufbruchstimmung, kein Zusammenpacken. Den Vormittag ueber sitze ich im Zelt, stricke, lese und lausche dem Nieselregen, es hat angenehme 20 Grad. Norman ist derweil mutig und geht mit Koch und Hilfskoch runter zum Fluss, dort wird die Ziege geschlachtet, die uns beim Fruehstueck noch mit ihren Blicken bezirzen wollte.
Fuer das Mittagessen hat unser Koch heute - neben dem Ziegenfleisch, Reis und Gemuese - wieder Pommes gemacht, wie auch immer er es schafft, auf zwei Benzinkochplatten mindestens vier verschiedene Gerichte zu zaubern, ist mir ein Raetsel.
Wir nutzen anschliessend das sich bessernde Wetter und waschen ein paar Klamotten mit dem Wasser, das mitten auf dem Platz aus einem Schlauch direkt vom Berg kommt. Da gerade niemand in der Naehe ist, nutze ich die Gunst der Stunde fuer eine schnelle "Dusche", nach fuenf Tagen eine Wohltat, und Norman ist sowohl als "Sichtschutz" als auch beim anschliessenden Haarewaschen eine grosse Hilfe. Danach assistiere ich ihm, und wir fuehlen uns frisch und duftig, als wir den Nachmittag vor unserem Zelt sitzend verbringen, lesend, die Aussicht geniessend, die neu ankommenden beobachtend, mit einer Kaffeetasse in der Hand. Eine Expeditionsgruppe kommt zurueck vom Gasherbrum, und die Hauser-Trekker haben uns eingeholt, insgesamt sind also vielleicht 100 Leute im Camp.
Viel zu schnell geht der faule Tag vorbei, es kommt Wind auf und wird kuehl, als wir ins Essenszelt gerufen werden. Dort entspinnt sich nach dem Dinner eine angeregte Diskussion ueber Terrorismus, Whistleblowing, Korruption, Steuersysteme etc., mit Beitraegen aus Russland, Grossbritannien, Deutschland und Pakistan.
Beim Zaehneputzen draussen werde ich von riesigen Faltern attackiert, die an meine Stirnlampe und damit in mein Gesicht schwirren, und beim Gang Richtung Klo den Abhang hinunter steht mehr als ein Pferd/Esel/Maultier im Weg, ein richtiger Zoo ist das hier.

Wasserspiele (Payu, 10.08.2013)

Dank Elektrolyte-Droehnung gehts mir heute schon deutlich besser, nach einem schnellen Fruehstueck brechen wir bereits um kurz nach 6 Uhr auf und geniessen die noch sehr angenehmen Temperaturen. Wir marschieren knapp vier Stunden lang entlang des Braldu-Flusses, immer auf und ab am Ufer, mit viel Sand, auf dem es sich sehr anstrengend geht. Irgendwann schafft es dich Sonne ueber die Gipfel im Osten, und schon ist es wieder heiss. Die Luft ist durch Sand und Staub in der Luft so trocken, dass man kaum schwitzt, dafuer muss staendig irgendwer niesen.
Um kurz nach 10 Uhr erreichen wir den heutigen "Lunch"-Stop, einen Campingplatz mitten in einer schattenlosen Ebene. Nur ein einfaches Steinhaeuschen steht mittendrin, dort wohnt zu Jagdzeiten (Steinboecke!) winters und sommers ein zahnloser, baertiger Alter, der uns inzwischen fast gar gekochte Touris zu sich in die Behausung bittet, zum Essen duerfen wir gar auf seinem Lager Platz nehmen. Duster ist es hier drinnen, und nicht sehr komfortabel, aber deutlich kuehler als draussen.
Nach Suppe, Keksen und Tee marschieren wir weiter, und muessen in dert trockenen Luft regelmaessige Trinkpausen einlegen. Es sieht aus wie im Death Valley: karge Steinformationen, ausser ein paar aermlichen Grasbuescheln weit und breit kein Gewaechs und kein Schatten und ueber 40 Grad - wenn da nicht die Fuenf- und Sechstausender mit ihren schneebedeckten Gipfeln waeren!
Kurz nachdem die Sonne ihren Zenith ueberschritten hat, stehen wir einem etwa 20 m breiten Fluss, den es zu ueberqueren gilt. Unsere Traeger stehen schon verteilt mittendrin und haben ein Seil von einem Ufer zum anderen gespannt. Also: Schuhe ausziehen (Akbar empfiehlt, die Socken anzubehalten), alles wasserdicht verpacken, und dann wage ich mich hinein. Die Stroemung ist immens, aber dank des Seils, der dagegenhaltenden Traeger und der erstaunlich rutschfesten Socken habe ich einigermassen Halt. Das Wasser ist etwa oberschenkeltief und fast eiskalt. Etwa aber der Haelfte habe ich kein Gefuehl mehr in den Fuessen, und die armen Pakistanis muessen da solange drin stehen, bis wir alle durch sind. Drueben angekommen, bohre ich die tiefgekuehlten Fuesse in den heissen Sand, und mit frischen, trockenen Socken gehts auf zur letzten Etappe.
Am Fuss des Baltoro-Gletschers finden wir uns gegen 15 Uhr beim schoen ein ganzes Stueck oberhalb des Ufers gelegenen Campingplatz Payu ein. Die Traeger sind total erledigt, der Weg war weit und es war heiss, also eine sehr anstrengende Etappe, auch wenn wir "nur" auf 3.400 m gelaufen sind. Einer fragt uns sogar kurz vor dem Ziel, ob wir ihm zu trinken geben koennen, da druecke ich ihm gleich noch einen Traubenzucker zur Staerkung in die Hand. Kurz erwaegen wir ein Bad im Fluss, als wir aber feststellen, dass darin Eisbloecke schwimmen, wird die Idee wieder verworfen.
Bei der Ankunft hat unser Kuechenteam bereits Teewasser aufgesetzt, und so koennen wir in Ruhe die Ankunft der Traeger, der Maultiere, der Ziegen und Huehner beobachten, letztere sind als Proviant dabei. Es gehen Geruechte um, dass es hier eine Dusche geben soll, in Wahrheit ist es ein Schlauch mit Gletscherwasser mitten am Hang, also wieder nur Katzenwaesche, neugierig beaeugt von den Maultieren, dafuer aber grandiosen Ausblick auf die umliegenden Gletscher.
Beim Abendessen hoeren wir schon laute Gesaenge draussen, Akbar erklaert uns, dass die Einheimischen an diesem Camp abends immer feiern, denn morgen ist Ruhetag, also frei. Wir setzen uns dazu in den Kreis der singenden, klatschenden und auf Packkisten trommelnden Pakistanis, die irgendwann auch noch anfangen, in der Mitte zu tanzen, und jeden Trekker dazuholen, der sich nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen kann. Mir ist nicht nach tanzen, aber die rhythmischen, endlosen Gesaenge gehen schon unter die Haut, dazu all die froehlichen Gesichter, der Sternenhimmel - schoen ist das! Jeder zweite der Traeger erzaehlt, wenn er hoert, dass wir aus Deutschland sind, dass der die "Huberbuam" kennt, die 2011 hier die Trango Towers erklettert haben (die man von hier aus sieht) und offenbar einen bleibenden Eindruck hinterlassen haben.
Um 22 Uhr ist die Party zu Ende, wir hangeln uns zu den Klohaeuschen, die recht abschuessig am Hang stehen, und kriechen ins Zelt - morgen ist Ausschlafen angesagt!

Nicht mein Tag (Jhola, 09.08.2013)

Heute ist nicht mein Tag - schon nachts grummelt der Bauch, ich schlafe entsprechend schlecht, was nicht nur am Steinschlag von den Bergen ringsum oder dem Muezzinruf gegen halb drei herruehrt. Beim Fruehstueck um 6 Uhr ist es zumindest schon angenehm warm, aber mehr als ein paar Loeffel Porridge sind nicht drin. Die folgenden 8 Stunden Fussmarsch sind eine Qual, es wird immer heisser, wir laufen durch Steinwuesten ohne den winzigsten Schatten, und am Himmel ist keine Wolke zu sehen.
Fuer die hochaufragenden Gletscher habe ich keinen Blick, ich bin froh, wenn ich Schritt halten kann. Gegen 10 Uhr machen wir in einem kleinen Waeldchen Rast, der Koch zaubert Mittagessen, doch ich verzichte und schlafe stattdessen auf einer Isomatte im Schatten ein Stuendchen. Der Weg fuehrt nun auf sandigem Untergrund, der das Gehen schwer macht, immer entlang des reissenden Flusses, der unueberhoerbar laut grosse Steine mit sich transportiert. Immer wieder werden wir von Pferde-Karawanen und Traegern, alle schwer beladen (einer der Traeger hat unsere beiden Huehner unter dem Arm, noch sind sie quicklebendig und flattern hin und wieder), ueberholt.
Gegen 13 Uhr wird die Hitze wirklich unangenehm, kaum ein Lufthauch ruehrt sich, und so bin ich sehr froh, als ich nach unzaehligen Pausen und gutem Zureden endlich den Zeltplatz in Jhola (3.100 m) erreiche. Unser Trinkwasser ist laengst leer, schnell wird neues abgekocht, dass aber trotzdem trueb bleibt, der Fluss ist sehr sandig.
Ich doese den restlichen Nachmittag im Schatten, erfreue mich der Reiseapotheke und bin nicht boese, als die Sonne gegen 17 Uhr endlich hinter den Gipfeln verschwindet. Dann ist Zeit fuer eine schnelle Katzenwaesche am Bach, kalt ist das Wasser, aber es belebt. Der Zeltplatz ist huebsch oberhalb des Flussufers gelegen, mit Blick auf die hohen Berge. Bei den Klohaeuschen hat man die Wahl zwischen "normal schmutzig", "besonders stinkig" und "mit extra Kakerlaken", aber das ist egal. Ausser uns sind vielleicht noch vier weitere Gruppen auf dem Platz, so dass ueberall Packesel und Proviant-Ziegen herumstehen.
Beim Abendessen sehen alle ein wenig erledigt aus, und wir freuen uns, dass der Koch heute tatsaechlich Pommes gezaubert hat! Ich halte mich dennoch an Suppe und Melone und hoffe, dass ich den fuer morgen angekuendigten Fussmarsch von gut 7 Stunden irgendwie ueberstehe. Zumindest ist es auch nachts (noch) nicht kalt, und der Sternenhimmel ist unbeschreiblich.

Aufbruch! (Askole, 08.08.2013)

153 Kilometer in 9 Stunden - mit dem Auto, wohlgemerkt! Das ist das Ergebnis unserer heutigen Fahrt nach Askole...
Denn um kurz vor 10 Uhr heute morgen betraten ein strahlender Akbar und ein deutlich zufrieden aussehender Kamal das Hotel, riefen: "The bag has arrived - we can leave!", und kaum 10 Minuten spaeter waren wir 6 Trekker, auf zwei Jeeps verteilt, unterwegs. Die Autos mit allem Equipment waren schon am Tag vorher aufgebrochen.
Die ersten 20 km waren recht gemuetlich auf geteerter Strasse, auch wenn anscheinend der Ramadan fast vorbei ist, und die meisten sich auf grosse Familien-Feierlichkeiten vorbereiten. In Skardu war dementsprechend wildes Getuemmel auf den Strassen, an den Staenden etc., und wo man hinschaut: nur Maenner.
Als wir den Indus ueberqueren und hinter uns lassen, ist buchstaeblich "Ende der Ausbaustrecke". Nun folgen fuer die naechsten 8 Stunden Schotterpisten, Sandduenen, Bachlaeufe, alles entlang des Shigar-Flusses, und zum Teil ganz schoen ausgesetzt. Wir rumpeln so gemuetlich, oft im Schritttempo, dahin, werden ordentlich durchgeschuettelt, es ist heiss und staubig, nur unterbrochen von einem Reifenwechsel (der in Rekordzeit durchgefuehrt wird) und diversen Polizei-Kontrollposten.
Einer der Wachhabenden sagt beim Blick in den Jeep zu mir: "You look like  Pakistani!", ohne das weiter auszufuehren.
Immer tiefer fahren wir ins Gebirge, es ist karg, oben spitzeln die Gletscher durch, und trotz der staubigen, felsigen Landschaft ist die Luft erstaunlich klar.
Zu Mittag halten wir an einer "Raststaette" (also einer Holzhuette mit Garten) und erfahren dort, dass die vor uns durchreisenden Trekkinggruppen fast alles aufgegessen haben. Trotzdem zaubert man noch schnell Omeletts und Naan-Brote fuer uns, waehrenddessen werden wir von zig kleinen Buben bestaunt und angegrinst. Viele Kinder sind hier unterwegs zu sehen, beim Kuehe-Hueten, Heu wenden, baden, aber immer nur Jungs - wo verstecken die nur all die Maedchen und Frauen?
Die Maenner jedenfalls sind sehr schoen anzusehen, mit ihren dichten, oft gar nicht so dunklen Haaren und ihrem erstaunlich hellen Teint. Viele haben braune oder gar blaue Augen, wo das wohl herkommen mag?
Bei der Weiterfahrt am Nachmittag - noch liegen knapp 40 km vor uns - wird der Weg deutlich wilder, und an zwei Stellen ist der dann auch ganz zu Ende: Erdrutsche! Also laden wir uns das Gepaeck auf und marschieren zu Fuss weiter, auf der anderen Seite stehen wunderbarerweise immer schon neue Autos bereit, und so kann die Fahrt weitergehen.
Hin und wieder ueberqueren wir den Fluss, auf freischwingenden Holzbruecken mit zum Teil reifengrossen Loechern in den Planken und einer Breite, bei der unser Fahrer schon ganz genau links und rechts gucken muss. Fuer mich heisst das: nur nicht rausgucken auf die tosenden Wassermassen unter uns.
Gegen 18 Uhr ist dann, 8 km vor dem Ziel, wirklich Schluss: ein herabstuerzender Gebirgsbach hat einen Teil der "Strasse" ueberspuelt, ein Durchkommen durch die sprudelnden Fluten, in denen massenhaft Geroell talwaerts gespuelt wird, scheint nicht moeglich. Die Pakistanis stehen bis zur Huefte im eiskalten Wasser und versuchen, den Weg zu ertasten, und werden dabei in ihren rutschigen Schlaeppchen schier den Hang hinunter gespuelt. Wir machen uns schon auf eine Ueberquerung zu Fuss (und nasse Schuhe) gefasst, als wir doch wieder in einen der Jeeps beordert werden - man wolle es wagen. Mir ist ein bisschen flau, v.a. weil wir nun auf der Ladeflaeche stehen und uns schon innerlich aufs Abspringen gefasst machen, sollte der Wagen abrutschen oder kippen. Doch mit viel Schwung klappt es tatsaechlich, wir sind drueben - alle jubeln, und die Erleichterung bei den Pakistanis laesst erahnen, dass sie sich auch nicht hunderprozentig sicher waren...
So langsam geht die Sonne unter und taucht die 5000er ringsum in rotgoldenes Licht. Zu guter Letzt - wir stehen immer noch auf der Ladeflaeche und lassen uns durchschaukeln - haengt das Auto noch im Matsch fest, es muss geschoben, geschaufelt und gezetert werden. Unser Guide Akbar, dessen Salwar Kamiz noch klatschnass vom Flussabenteuer ist, zittert besorgniserregend. Endlich kommt der Wagen frei, und kurz darauf ist das Ende der Fahrtstrecke erreicht, nun folgt nur noch ein 30-minuetiger Fussmarsch, bis wir endlich Askole auf gut 3.000 m und unser Zeltlager erreichen.
Es ist fast dunkel, als wir um halb acht da sind, zum Glueck stehen die Zelte schon, und aus dem Essenszelt toent es kurz darauf: "Tea is ready!". Also finden wir uns zur Teestunde ein, danach folgt das Abendessen (wofuer wohl eines der vorhin noch froehlich zwischen den Toepfen umherlaufendes Huhn dran glauben musste - fuer mich gibts Gemuese) und ein kurzes Update zum morgigen Tag. Die Fahrt war anstrengend, alle Muskeln schmerzen und so verabschieden wir uns frueh in die Zelte.

8.8.13

Etappen-Sieg (Skardu, 07.08.2013)

Es gleicht einer gut einstudierten Choreographie - schon beim Frühstück gehen alle Blicke immer wieder abwechselnd zum Himmel (gutes Flugwetter heute!) und zur Uhr (so langsam müsste der Flieger doch landen?). Alle finden sich am Vormittag an der Sitzecke bei der Hotelrezeption ein, wir lesen, unterhalten uns und belauern Kamal und sein Telefon.
Endlich klingelt es! Doch leider folgt nur die Info, dass sich der Abflug in Islamabad verzögert. Um kurz nach 12 Uhr wird Kamal am Telefon dann etwas lebhafter und gibt aufgeregt die Nummern unserer Gepäckaufkleber durch. Wir schauen uns triumphierend an, na also, das klingt doch gut. Als er auflegt, folgt leider die Ernüchterung: leider sei heute nur einer der beiden Rucksäcke in Skardu angekommen, der zweite folge aber sicher morgen früh, danach könne man dann sogleich aufbrechen. Die Schultern sacken nach unten, alle sind enttäuscht und gehen ihrer Wege, schließlich gilt es, noch einen Tag hier rumzubringen. Ich will ja nicht egoistisch sein, hoffe aber doch, dass MEIN Rucksack derjenige ist, den wir gleich in Empfang nehmen dürfen.
Als wir gemütlich bei Lassis und Keksen im Essensraum sitzen, kommt (neben einer zwölfköpfigrn Trekkinggruppe von Hauser) auch unser Guide Akbar durch die Tür - und hat meinen Rucksack dabei!!!
Gleich verschwinde ich in unser Zimmer, freue mich an Deo, Zahnseide und Nagelschere sowie an frischen Klamotten und Flipflops (seit drei Tagen trage ich bei der Hitze die Bergstiefel)... 
Den Nachmittag verbringen wir mit Lesen, Spielen (die Spiele waren in meinem Gepäck), Umpacken (das "Yogagepäck" bleibt für die nächsten zwei Wochen in Skardu) und der Suche nach einem funktionierenden Geldautomaten (negativ). Währenddessen wird der Wind draußen stärker, Wolken kommen auf, es tröpfelt und blitzt. Norman sieht die Chancen auf flugtaugliches Wetter morgen früh schwinden...
Doch als wir ins Bett gehen, klart der Himmel wieder auf, und so bleibt nur zu hoffen, dass spätestens am nächsten Morgen das Gepäck vollständig ist. Falls nicht, wollen wir dennoch aufbrechen nach Askole, zur Not muss Normans Rucksack nachgeliefert werden, für ein bis zwei Tage können wir ihm ja irgendwie mit allem Nötigen aushelfen.
Somit sind wir dann wohl wirklich "offline" für die nächsten Wochen, wir melden uns mit der Fortsetzung des Gepäck-Krimis, wenn wir wieder in der Zivilisation sind!