29.8.13

Rückkehr in die Zivilisation (Skardu, 21.08.2013)

Nachts erschrecke ich sehr, weil irgendjemand (Mensch? Pferd? Kuh?) gegen das Zelt stolpert. Aber egal, es ist eh viel zu früh Zeit zum Aufstehen, die Armbanduhr piepst um halb fünf, und dementsprechend müde sitzen wir alle kurz darauf beim Frühstück. Schwarzer Tee ist aus, im Nutellaglas ist nur noch ein kärglicher Rest, und auch die Pfannkuchen sind heute knapp bemessen. Vor dem Aufbruch versammeln sich nun alle unsere Helfer zur feierlichen Trinkgeldübergabe. Irgendwie geht die ausgeklügelte Rechnung vom Abend vorher doch nicht auf, so dass nun nochmal neu kalkuliert werden muss, bis es passt, dann muss natürlich noch ein Gruppenfoto gemacht werden, das dauert alles seine Zeit, aber am Schluss scheinen alle zufrieden zu sein. Am meisten Freude bereitet den Trägern, dass wir noch ein paar Dinge ausmustern und verschenken (Socken, Schirm, Isomatte, Stirnlampe).
Um kurz nach sechs marschieren wir dann los, noch ist es angenehm kühl, da die Sonne gerade erst aufgeht. Flotten Schrittes marschieren wir auf unserer letzten Etappe, lassen Felsen, Gletscher und den Braldu hinter uns, es wird wieder sandig, als wir endlich vor uns, zwischen blühenden Buchweizenfeldern, Askole erblicken. Nach knapp drei Stunden, die sich ganz schön ziehen, biegen wir endlich in den Zeltplatz von Askole ein, unseren Ausgangspunkt; ein 13tägiger Fußmarsch geht damit zu Ende, die Füße haben nun auch wirklich genug. Und so sitzen wir erleichtert in der Sonne und genießen die Cola, die uns der Zeltplatzbesitzer serviert (und der sofort sehr forsch unbedingt ein Gruppenfoto mit uns machen möchte, verknüpft mit dem Befehl, doch bitte Werbung für seinen Campingplatz zu machen).
Dann sitzen wir fast eineinhalb Stunden dort herum und warten auf die Packpferde, der Rest (Träger, Guide, Autos und Fahrer) ist längst da. Während wir warten, füllen wir noch brav einen Fragebogen des Baltoro-Toruismusbüros aus, dort sollen wir z.B. die Sauberkeit der Toiletten während des Treks und die Qualität der Träger-Unterkünfte bewerten...
Endlich scheucht Akbar uns auf, das Gepäck ist da, und nun soll alles auf einen Transporter verladen werden, inkl. aller Mitreisenden - neugierig beäugt von den Dorfbewohnern. Letzten Endes stehen 10 Leute ums Gepäck gequetscht auf der Ladeflache, Norman und ich falten uns neben den Fahrer, und Akbar und zig andere Pakistanis hängen sich einfach links und rechts außen ans Auto, und los geht's! Und zwar schaukelnd und millimetergenau über Stock und Stein, immer mit einem halben Reifen über dem Abgrund. Dem Fahrer fällt hin und wieder ein Pedal ab, die außen hängenden springen bei besonders engen oder heiklen Stellen lieber mal ab und ich finde es gar nicht lustig, wenn das quietschende Vehikel sich 100 m über dem schäumenden, eiskalten Fluss gefährlich in Schieflage neigt, weil die Hälfte der "Strasse" fehlt. Norman dagegen gefällts, und er bemerkt ungerührt, dass man sich ja hier glücklicherweise wenigstens keine Sorgen machen müsse, dass der Fahrer betrunken sei, denn Alkohol gibt's in Pakistan nicht, deshalb haben auch wir sehr asketische Wochen hinter uns.
Nach einer geführten Ewigkeit stehen wir am Ufer, alle müssen aussteigen und mitsamt Gepäck auf der gegenüberliegenden Seite wieder hochlaufen - durch einen Erdrutsch ist die Staubstrasse verschwunden, oben warten Ersatzautos. Wir kämpfen uns einen fast senkrechten Hang hinauf und werden oben schon von drei Fahrern inkl Jeeps erwartet, und da der dabei ist, der uns vor zwei Wochen hierher kutschiert hat, und der da sehr umsichtig war, steigen wir wieder bei ihm ein. Bevor wir starten können, poliert der junge Mann aber noch seine Motorhaube, soviel Zeit muss sein!
Dann schaukeln wir los, zunächst praktisch im Schritttempo über Felsen und Sand und Serpentinen und Flussbetten, unser Fahrer ist hochkonzentriert, meistert aber alles und hat selbst an den engsten Stellen noch Zeit, mit den Fahrern entgegenkommender Fahrzeuge oder dem Strassenbautrupp (bärtige Männer in Salwars, mit Schaufeln in der Hand) zu plaudern. Nach Stunden erreichen wir endlich den geteerten Abschnitt, der Fahrer verkündet strahlend: "Highway!", auch wenn das für das schmale, von Schlaglöchern übersäte Sträßchen, dass sich stundenlang durch winzige Dörfer windet, wohl etwas übertrieben ist. Egal, jetzt wird aufs Gas gedrückt, der Motor ist so heiß, dass ich vorne auf dem Beifahrersitz praktisch gegrillt werde, und es wird gnadenlos alles weggehupt, was sich in den Weg stellt: Kühe, Ziegen, Hühner, Kinder, Traktoren,...
Es ist Erntezeit in den Dörfern, überall wird Weizen zu Garben gestellt oder gedroschen, und endlich sieht man hier auch mal tiefverschleierte Frauen und Mädchen bei der Arbeit. Die Männer sitzen meist wie die Krähen in für uns äußerst unbequemer Hockhaltung am Boden in Grüppchen zusammen. Ungewohnt ist es, tatsächlich mal Frauen zu sehen, das pakistanische Straßenbild wird von Männern beherrscht, Kontakt zu Frauen hatten wir während der ganzen Zeit hier bislang keinen, nicht mal beim Vorbeifahren kreuzen sich Blicke, während die Männer uns immer recht unbekümmert (aber nie aufdringlich oder sonst irgendwie unangenehm) mustern, winken und lächeln.
Kurz vor Skardu hält unser Fahrer noch kurz bei einer vorsintflutlichen Zapfsäule und tankt für fünf Rupies (3 Euro), der Tankwart kurbelt das Benzin per Handbetrieb in den Tank... Nach anstrengenden sieben Stunden Fahrt erreichen wir um halb sechs endlich Skardu und das Mashabrum-Hotel, wo wir alle sogleich auf unsere Zimmer verschwinden: duschen!!! Schnell noch ein paar Klamotten waschen, "Schönheitspflege" betreiben, ausruhen, und um halb neun treffen wir uns alle an der Rezeption wieder, Kamal will uns zum Abschiedsdinner ausführen. Wir Trekker erkennen und kaum wieder, so frisch gewaschen, gekämmt, in sauberen Klamotten, ausgeruht, braungebrannt.
Bei leckerem pakistanischem Essen (Reis, Dal, Gemüsecurry) und Cola haben wir einen entspannten Abend, alle haben Hunger und hauen rein, und wir haben alle sichtlich Gewicht verloren in den letzten zwei Wochen. 
Um nicht ganz aus der Übung zu kommen, spazieren wir zu Fuß durchs nächtliche Skardu mit seiner staubigen Hauptstraße und den jetzt dunklen Buden zurück ins Hotel und verabschieden uns dort von Julia und Tobias, deren Reise erstmal weiter durch Pakistan führen wird. Und dann: ab ins frische Bett, ist das herrlich, kein harter, kalter Zeltboden mehr!

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