4.7.15

Ausflug an den Strand - ab nach Qinhuangdao!

Dieser Urlaub birgt so viele Gegensätze - eben noch waren wir in der hektischen Großstadt, dann mitten in der Abgeschiedenheit in einem Selbstversorger-Ferienhaus, und schon sitzen wir im 16. Stock eines schicken Hotels direkt am Strand mit Blick auf das Meer... Durch solche völlig verschiedenen Locations und Erlebnisse wirkt unsere Reise so, als wären wir schon ewig unterwegs; unser Aufenthalt in Moskau scheint lang, lang her zu sein, dabei sind es gerade mal sechs Wochen!

An unserem letzten Abend im Boheizen-Distrikt (wie genau unser kleines Dörfchen heißt, haben wir nicht herausbekommen) kehren wir nach einem komplett faulen Tag, den wir ausschließlich im Garten verbracht haben, wieder in das "Farmer House" vom Vorabend ein und schaffen es dank der internetaffinen Tochter auch, eine vernünftige Essensbestellung aufzugeben. Wie praktisch sind denn bitte all diese Übersetzungsprogramme?!? Es gibt Kartoffel-Paprika-Gemüse, dazu so eine Art Pfannkuchen und scharf angebratenen Sojasprossen, alles wieder sehr lecker und absolut kindertauglich. Titus bekommt zum Nachtisch noch eine Banane geschenkt, spielt noch eine Runde mit den Besitzern, und dann spazieren wir in der Dunkelheit zurück zum Häuschen. Es herrscht tiefe Ruhe, selbst der Nachbars-Schafsbock, der tagsüber im Minutentakt "Mäh" ruft (von Titus immer begeistert beantwortet), scheint bereits zu Schlafen.
Wir sitzen noch ein Weilchen im Wohnzimmer, spielen mit Titus, der dieses Abendritual, das immer mit sehr viel Kuscheln verbunden ist, sehr genießt, und schlafen in der ländlichen Idylle alle tief und fest.
Am Morgen, nach einem letzten Frühstück im Garten, bei dem wir alle unsere Lebensmittelvorräte aufbrauchen, steht wieder einmal Packen und Aufräumen auf dem Programm. Zum Glück haben wir das nun nicht mehr allzu oft vor uns! Wir räumen noch den Garten und alle Spielsachen auf, und pünktlich wie verabredet um 11 Uhr steht Mr. Ma, unser Fahrer, wieder vor der Tür.

Titus ist nun auch ein bisschen verschnupft und angeschlagen und verschläft demzufolge fast die gesamte Autofahrt zurück nach Peking. Die ersten 80 Kilometer, zuerst über die Dörfchen, dann über die Landstraße und zum Schluss auf der Autobahn, kommen wir zügig voran, bald tauchen die ersten Hochhäuser der Großstadt neben uns auf. Über Peking ist der Himmel auch heute wieder erstaunlich klar, und so ist die Sicht über die Megacity mit ihren unzähligen Wolkenkratzern sehr beeindruckend. Je näher wir dem Südbahnhof kommen, desto dichter wird der Verkehr, und für die letzten 2 Kilometer brauchen wir dann alleine gut eine halbe Stunde. Zum Glück haben wir genügend Zeitpuffer eingeplant, als wir um halb 2 endlich aussteigen. Mr. Ma bekommt seine 700 RMB, und wir marschieren vollbepackt mit einem gut ausgeschlafenen und fröhlich winkenden Kind in das Bahnhofsgebäude ein.
Der Pekinger Südbahnhof hat große Ähnlichkeit mit einem modernen Flughafen, er ist immens groß, auf mehreren Etagen gibt es Ankunfts- und Abfahrtsbereiche, zu Beginn muss man sich und das Gepäck beim Security Check durchleuchten lassen, und drinnen wuseln an einem Freitag nachmittag Tausende Menschen umher. Wir stärken uns schnell, mal wieder nehmen wir die Annehmlichkeiten der Globalisierung in Anspruch und landen bei McDonald's. Hier scheint heute das Minion-Fieber ausgebrochen zu sein, sehr zu großen Freude von Norman, der nur nach Kauf einer Spielfigur ruhiggestellt werden kann.
Um zu unserem Zug zu gelangen, müssen wir uns mit Hunderten Wochenendausflüglern, allesamt Familien mit Kindern, einreihen, um zum Check-In-Schalter zu gelangen, der leider erst knapp 10 Minuten vor Abfahrt des Zuges öffnet. Gedrängel und Hektik brechen aus, als es endlich losgeht, die Chinesen sind Weltmeister im Drängeln, und wir müssen feststellen, dass die Rolltreppe, die zum Gleis eine Etage tiefer führt, defekt ist. Ratlos stehen wir mitten im Getümmel, bis uns endlich jemand Hilfe anbietet und wir gemeinsam Kinderwagen und Koffer hinuntertragen. Der Zug, so eine Art ICE-Verschnitt, fährt ein, und wieder bricht Chaos aus, als alle ohne Sinn und Plan einsteigen und wir mit unseren Rucksäcken und dem Buggy dann gleich mal den Gang im Wagon verstopfen. Es dauert ein wenig, bis alles verräumt ist und alle ihre reservierten Sitzplätze eingefunden haben, währenddessen fährt der Zug schon los und rauscht bis auf den letzten Platz besetzt mit einer Geschwindigkeit von 150 km/h ostwärts Richtung Meer.

Auch hier im Zug wird wieder einmal deutlich, dass es in China nicht an Arbeitskräften mangelt. Alle paar Minuten wischt eine Putzfrau den Gang feucht durch, eine andere verkauft Getränke, ein dritter kontrolliert Fahrkarten, ein vierter richtet das Gepäck ordentlich aus und stapelt bei Bedarf neu, und alle sind nur für unseren Wagon zuständig. Eine Durchsage weist daraufhin, dass man seine Kinder bitte ruhig halten möge, damit alle Fahrgäste eine "pleasant journey" haben, kurz darauf bricht fast eine Schlägerei hinter uns aus, da ein kleines Mädchen unbedingt laut seine Kinderlieder hören möchte. Schließlich findet sich eine Lösung, als ein Fahrgast seine Kopfhörer zur Verfügung stellt.
Zweieinhalb Stunden dauert die Fahrt ins knapp 300 km entfernte Qinhuangdao, wir rauschen durch grüne Landschaft, die immer felsiger und bergiger wird, die Erde färbt sich rötlich und draußen hat es fortwährend um die 30 Grad. Titus lässt sich ganz gut beschäftigen, indem er Fahrgäste anschäkert, herumräumt und Musik hört, und bald fahren wir in die Küstenstadt ein. Bei Qinhuangdao handelt es sich allerdings nicht um das beschaulichen Standdörfchen, das ich erwartet habe, denn auch hier reiht sich ein 30stöckiges Hochhaus an das andere. Im Vergleich zu Peking hat diese Stadt "nur" knapp 3 Millionen Einwohner, ist damit für chinesisches Verhältnisse also eher klein, dafür aber wohl einer der beliebtesten Ferienorte der Chinesen, und da wir just am Freitag nachmittag hier ankommen, geht es dementsprechend hektisch zu.
Bei der Ankunft am Bahnhof werden wir von Taxifahrern umlagert, nach wenigen Verhandlungen werden wir in einen Wagen gesetzt, das Gepäck wird einfach im offenen Kofferraum gelagert, der Kinderwagen obenauf. Skeptisch beobachten wir unsere Habseligkeiten, als der Fahrer sehr offensiv durch den Feierabendverkehr rast, sich gerne mal zwischen zwei Spuren an der Ampel nach vorne quetscht und wilde Abbiegemanöver vollführt. Titus ist mal wieder ungerührt von solchen Abenteuern, winkt stattdessen vom Autofenster aus fröhlich anderen Autofahrern zu und fällt irgendwann in komatösen Schlaf.

Endlich, nach einer scheinbar ewigen Fahrt durch die riesige Stadt, erreichen wir das Shangri-La-Hotel direkt am Strand. Sehr zu Normans Erleichterung ist das Hotel inzwischen fertiggestellt, zum Zeitpunkt der Zimmerbuchung befand es sich nämlich noch im Bau, ist also nagelneu. Wir sind überaus positiv überrascht, als wir unser geräumiges Zimmer mit tollem Meer- und Strandblick beziehen. Da unsere ganze Reise nun doch einen ganzen Tag in Anspruch genommen hat, ist es nun bereits fast 19 Uhr und wir verlassen das Hotel wieder auf der Suche nach einem Restaurant.
Direkt am Strand reihen sich zig Lokale aneinander, alle mit großen Aquarien am Eingang, in denen Muscheln, Krabben, Oktopusse, diverse Fische und anderes undefinierbares Seegetier umher schwimmen. In das uns vielversprechendeste Restaurant kehren wir ein, dank des allgegenwärtigen Übersetzungsprogramms auf dem Handy einer Bedienung kriegen wir auch diesmal die Bestellung hin und bald stehen riesige Teller mit Gemüse, Reis, Jakobsmuscheln etc. vor uns. Titus kriegt sich vor lauter "Hmmmm, hmmmmm!"-Rufen kaum noch ein, währenddessen schwirren mindestens 6 Kellnerinnen und Kellner um unseren Tisch bzw. um den kleinen Mann herum.
Als es ans Bezahlen geht, stellen wir fest, dass wir weder genug Bargeld dabeihaben noch eine Kartenzahlung möglich ist.

Norman rennt also zurück ins Hotel, um dort am ATM Geld abzuheben. Als er nach einer halben Stunde zurückkommt, sind wir leider immer noch bargeldlos, der ATM scheint nicht zu funktionieren. Große Ratlosigkeit macht sich breit, als wir mit Händen und Füßen versuchen, herauszubekommen, ob es hier in der Nähe noch eine Bank gibt. Endlich scheinen die Angestellten kapiert zu haben, der Geschäftsführer rauscht hektisch heran, bedeutet Norman, ihm zu folgen, und die beiden fahren im schwarzen Audi A6 davon. Ich bleibe zurück im Restaurant, inzwischen haben sich alle Kinder der anderen Restaurantbesucher um Titus versammelt, spielen mit ihm, scherzen, schenken ihm Spielzeug, und alle paar Minuten kommt jemand von den Erwachsenen dazu und bittet um ein Foto. Titus stört sich daran überhaupt nicht, spaziert gutgelaunt durchs Lokal, inzwischen kann er viele, viele Meter weit alleine laufen, und hat großen Spaß.
Endlich, endlich kehrt Norman zurück, wir begleichen unsere Zeche, und spazieren am trotz der späten Stunde sehr belebten Strand zurück zum Hotel. Da Titus immer noch nicht müde zu sein scheint, gönnen wir uns noch einen Cocktail in der schicken Lobby, es ist mein erster Margarita seit fast zwei Jahren, und er schmeckt fantastisch! Unser kleiner Reisebegleiter wackelt derweil herum, luchst mit seinem strahlenden Lächeln der Bedienung eine ganze Schüssel Kekse ab und tanzt zum Sound der feschen DJane am Mischpult.

Gegen 22 Uhr stecken wir Titus dann endlich ins Bett, nach dem ganzen Trubel heute dauert das Einschlafen eine ganze Weile, die Schnupfennase plagt ihn ein bsschen und er muss die ganzen Erlebnisse verabeiten, doch endlich kehrt Ruhe ein...

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