5.7.15

Chinesische Paparazzi

Wir sind im gesamten Hotel und fast auch in der ganzen Stadt die einzigen Nicht-Chinesen, soviel wird spätestens beim Betreten des Frühstücksaals klar. Ein riesiges Büffet ist angerichtet, bei dem es alles gibt, was das Herz begehrt. Zumindest das asiatische Herz. Außer ein bisschen Müsli und einer Salatauswahl stehen hier nur Speisen aus der asiatischen Küche, es gibt frisches Sushi, und dazu noch zig Speisen, von denen wir nicht annähernd wissen, um was es sich handeln könnte. An verschiedenen Stationen wird frisch gebrutzelt und zubereitet, leider bleibt uns am ersten Morgen nichts weiter übrig, als zuzuschauen, was sich die Chinesen hier so alles an Essen abholen - Suppen, Teigtaschen, frittierte Bällchen mit ominöser Füllung, heiße Sojamilch, ... Für Titus findet sich zum Glück ein Birchermüsli, außerdem Reis und vegetarische Dumplings, danach noch ein Happen Honigtoast. Nach einem Blick rundum sorge ich mich nicht mehr darum, dass bei dem kleinen Mann hin und wieder ein Krümel danebengeht, denn die Chinesen richten beim Essen eine ziemliche Sauerei an, unter den Tischen liegen Servietten, Essensreste, und auf den Tischen sieht es aus, als wären die Heuschrecken eingefallen.

Da der Himmel am Samstag noch ziemlich bedeckt ist, verbringen wir den Vormittag im Indoor-Pool, die Männer plantschen im Kinderbecken, ich ziehe ein paar Bahnen. Die chinesischen Kinder, allen voran die Mädchen, tragen rüschenbedeckte Badeanzüge und -kappen, überhaupt sind die Mädchen hier meistens von Kopf bis Fuß in Rosa und in prinzessinnenhafte Kleidchen gehüllt, manche gar mit Flügelchen auf dem Rücken. Unser Badevormittag vergeht schnell, schon ist Mittagsschlafzeit, und ich nutze die Gelegenheit und verschwinde im hoteleigenen Fittie auf dem Laufband. Später am Nachmittag starten wir zu einem Spaziergang am Strand entlang, der sehr gepflegt und sauber ist, denn auch hier gibt es Heerscharen von fleißigen Chinesen, die als Gärtner, Strandaufräumer etc. arbeiten.

Am Ende der Strandpromenade, die an so einem Samstagnachmittag dicht bevölkert ist, steht ein riesiges Festzelt, von bunten Fahnen, Plakaten und Absperrungen umgeben. Nach einigen Umrundungen schlussfolgern wir, dass darin eine Art "Internationale Kulinarische Messe" stattfindet, und wir beschließen, dort unser Abendessen einzunehmen. Der Eintritt ist nicht ganz billig, doch bekommt man mit der Karte drinnen gleich mal pro Person zwei Dosen deutsches Bier in di Hand gedrückt. Drinnen reihen sich meterlange Essensstände aneinander, dazwischen haben verschiedene Länder kleine Ausstellungsstände, in denen landestypische Erzeugnisse gezeigt werden. Am deutschen Stand gibt es außer Nussknackern, Bier, Bratwürsten und Sauerkraut nichts zu sehen, da sind die Essensstände viel interessanter, denn wieder einmal können wir nur erahnen, was hier alles frittiert, gebacken, gebraten und gekocht wird. Mir wird recht schnell klar, dass man hier als Vegetarier auf verlorenem Posten steht, immerhin treibt Norman für Titus und mich eine Nudelsuppe, eine Art Omelett mit Tofu und Pommes auf. Auf der großen Showbühne müht sich derweil - wie immer in China in ohrenbetäubender Lautstärke und von immenser Lightshow umgeben - eine chinesische Coverband an Shakira-Hits ab, den Text fantasiert die Sängerin sich munter zusammen.
Mir reicht es, das ist alles zu laut, zu grell und zu geruchsintensiv, und die Chinesen sind auf ihre nette Art auch mal wieder viel zu aufdringlich, Titus kann kaum einen Schritt machen oder spielen, schon nimmt ihn wieder jemand auf den Arm und will ein Foto mit ihm machen. Wieder draußen am Strand, das Getümmel ist noch dichter geworden, treffen wir tatsächlich auf die einzigen Nichtchinesen außer uns - ein deutsches Paar mit kleiner Tochter, die hier als Expats leben. Wir plaudern ein bisschen, während die Chinesen um uns herum schier ausflippen und schon wieder die Fotohandys zücken...
Den Mondaufgang sehen wir wegen der immer noch dichten Bewölkung leider nicht, also geht's zurück ins Hotel und zur großen Begeisterung von Titus ins große Kinderspielzimmer im dritten Stock. In diesem großen Raum stehen diverse Krabbeltunnel, Bällebäder, Hüpftiere, Bauklötze etc. bereit, und er ist zu dieser bereits späten Stunde gut besucht. Bis um kurz nach 21 Uhr spielen wir mit Titus, der seine unsterbliche Liebe zu einem roten Auto entdeckt, und der kurz darauf selig in seinem Bettchen einschläft, während ich mir in der Lobby noch einen Gin Tonic gönne.

Am Sonntag scheint die Sonne, als wir wieder zum Frühstück aufbrechen, diesmal schaffe ich es immerhin schon, mir bei einer Köchin eine leckere Nudelsuppe zubereiten zu lassen, die ist hier bei den Chinesen als Frühstück obligatorisch. Es geht hektisch zu, heute scheint das Hotel vollbesetzt zu sein, und da es sich bei den Gästen allesamt um Familien mit kleinen Kindern handelt, herrscht bald Krieg um die Kindersitze. Wir ergattern zum Glück einen, probieren uns wieder durch die interessante Auswahl der Speisen und packen uns alle noch schnell einen Vorrat als Mittagssnack ein.
Dann geht's endlich an den Strand. Der ist natürlich wieder ordentlich bevölkert, nur ins Wasser traut sich kaum jemand, obwohl der Pazifik hier fast lauwarm ist. Das grünliche Wasser mit den vielen Algen drin und der Standort direkt neben dem Hafen, in dem riesige Tanker liegen, lädt aber auch wirklich nicht zum Baden ein. Also begnügen wir uns damit, im Sand zu sitzen und zu buddeln und die vielen, vielen ""Paparazzi" zu ertragen.
Nach Sport und Mittagsschlaf skypen wir eine Runde mit den lieben Großeltern, dann ordern wir ein Taxi und lassen uns ins Stadtzentrum fahren. Der Taxifahrer fährt brav nach Taxameter, und wir zahlen plötzlich nur einen Bruchteil dessen, was unsere Fahrt vom Bahnhof ins Hotel gekostet hat...
Wir landen in einem riesigen Einkaufszentrum voller "westlicher" Markengeschäfte, das ist nicht das, was wir gesucht hatten, wir wollten doch eigentlich noch ein paar lustige Schnäppchen erstehen. Doch auch nach einem längerem Marsch durch die umliegende Fußgängerzone werden wir nicht fündig, staunen aber wieder einmal über die vielen, vielen Menschen, die hier an einem Sonntag abend unterwegs sind. Lange suchen wir nach einer geeigneten Lokalität für's Abendessen, leider spricht niemand Englisch, und englische Speisekarten gibt es auch nicht, bis wir eine Pizzeria entdecken, deren Speisekarte für uns lesbar ist. Also gut, dann gibt es heute eben Pizza. Es dauert eine Weile, bis wir essen können, Titus wird ständig von den Bedienungen abgelenkt, doch dann verputzen wir eine gar nicht mal so schlechte Pizza, die aber erschreckend teuer ist.

Egal, dafür landen wir bei der Rückfahrt wieder bei einem ehrlichen Fahrer und zahlen so nicht einmal 2 Euro für die Strecke. Damit Titus ein bisschen seinen vollen Pizzabauch abtrainieren kann, statten wir wieder dem Spielzimmer einen Besuch ab. Ein bisschen seltsam ist es schon, dass auch hier drinnen Kinder ohne Windel, dafür mit geschlitzten Hosen und nacktem Hintern umherkrabbeln, hoffentlich bleibt da alles trocken. Viele, viele Runden mit dem roten Auto später können wir Titus endlich überreden, in's Bett zu gehen.

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