28.5.15

Spaziergang am See

Tja, zu früh gefreut - leider hat Titus kurz nach dem Einschlafen für gefühlte Stunden dermaßen gekreischt, dass an Schlaf kaum zu denken war. Nachdem wir ausschließen konnten, dass ihm etwas weh tut, blieb uns nicht viel anderes übrig, als zu warten, bis er vom Weinen erschöpft endlich eingeschlafen ist. Vielleicht muss der kleine Kerl auf diese Art und Weise die vielen neuen Eindrücke, die hier Tag für Tag auf ihn einprasseln, verarbeiten? Er ist überhaupt seit Reisebeginn unheimlich anhänglich, schließlich sind wir seine einzigen Konstanten momentan. Ist so eine Reise vielleicht doch zu viel für ein so kleines Kind, frage ich mich, ein bisschen geplagt von schlechtem Gewissen?

Als Titus dann aber am Morgen um halb neun strahlend im Bett sitzt, mir juchzend seinen Schnuller in den Mund schiebt, und den ganzen restlichen Tag kaum aufhört zu strahlen, bin ich erleichtert, so schlimm kann das Ganze hier also doch nicht sein.

Dankenswerterweise durften wir alle ein bisschen ausschlafen, so dass wir fast die letzten sind, die am reich gedeckten Frühstückstisch Platz nehmen. Zwar gibt es auch hier leider wieder nur Instant-Kaffee, doch der Rest ist sehr fein, und so lässt Titus sich eine Portion Porridge, ein Glas Bananenmilch, ein paar Orangenscheiben, ein bisschen Griesbrei und eine Scheibe Marmeladenbrot schmecken; das reicht hoffentlich bis zum Mittagessen!

Derartig gestärkt, starten wir in den fast schon sonnigen Tag. Titus wird in die Manduca geschnallt, und wir spazieren los, erst einmal durch's Dorf, dann gut eine Stunde lang am See bis zur Mündung des Angara-Flusses. Vorbei geht es an hübschen alten Häusschen, typischen Plattenbauten, protzigen Privatvillen, neu gebauteten Holzpavillons, der Kindergarten befindet sich direkt an der viel befahrenen Straße, in der sich die Ladas selbst innerorts röhrend überholen. Der Uferweg ist mal vorhanden, mal müssen wir direkt an der Straße entlang gehen, und wir befinden uns hier merklich noch deutlich vor Saisonbeginn, denn die meisten Hotels, Cafés und Geschäfte haben noch geschlossen.
Ein bisschen sieht es mit den schneebedeckten Bergen ringsum aus wie am Gardesee, nur deutlich überdimensionierter und auch leider verkommener.

An der Flussmündung angekommen, verlassen wir die Uferstraße und spazieren ein Stück bergauf durch Lärchenwälder bis zum Hotel Baikal, das in unfassbar hässlicher Sowiet-Bauweise mitten in der Landschaft steht und zum Listwjanka-Skigebiet (!) gehört
Da es bereits Mittagszeit ist, kehren wir dort ins Restaurant ein, in dem wir praktisch die einzigen Gäste sind und von den gleich 5 Angestellten (einer davon spricht immerhin Englisch) prima versorgt werden. Titus sorgt für große Erheiterung mit seinen Gehversuchen und wir bekommen richtigen Kaffee und ein kleines Mittagessen mit Blinis. 


Draußen auf dem hoteleigenen Spielplatz erklettert der kleine Mann auf eigene Faust die Spielgeräte und findet endlich Geschmack am Rutschen, das er dann auf zig verschiedene Arten gleich hundertmal ausprobieren muss.


Abwärts wollen wir eine Abkürzung nehmen, und nach kurzen Marsch durch den Wald versperrt uns leider ein Zaun den Weg hinunter, da sich vor uns der Waldlehrpfad befindet, der zu einem Museum gehört. Da aber in dem Maschendrahtzaun bereits ein mittelgroßes Loch drin ist, steigen wir kurzerhand durch und kommen so noch zu dem Vergnügen, über Holzpfade ("under the boardwalk!") ein bisschen Bäume zu gucken. Dafür nehmen wir in Kauf, uns unten am Eingang/Ausgang angekommen über ein Tor kletternd wieder zurück zur Uferstraße zu stehlen, ein bisschen Abenteuer muss sein.
Dann sind wir leider zu faul, um den ganzen weiten Weg nach Listwjanka zurückzulaufen und halten ein "marschrutka" an, so heißen die Sammeltaxis hier, dessen Fahrer bringt uns  in seinem Kleinbus für ein paar Rubel die paar Kilometer zurück in den Ort.

In der dortigen Tourist-Info, in der man "little english" spricht, versuchen wir, unseren Transfer auf die Insel Olkhon, wo wir ab kommenden Montag eine Unterkunft reserviert haben, zu organisieren, doch auch hier, ebenso wie in unserer Unterkunft, erzählt man uns, dass leider nur der Landweg über Irkutsk (d.h. eine ca. 6-7 stündige Busfahrt) in Frage kommt, da die Überfahrten mittels Boot erst Mitte Juni wieder aufgenommen werden. Hm, das kann ja heiter werden, mit unserem kleinen Krabbelkäfer...

Der zappelt dann den restlichen Nachmittag vergnügt durch unser Zimmer, klettert aufs Bett, lässt sich verkitzeln, räumt unsere Schuhe und Handys in Schubladen ein, macht seine ersten Selfies mit meinem Telefon und ist ununterbrochen in Bewegung.
Beim Abendessen dann kaut er müde an seinen Paprika- und Karottenstreifen, wird dann nochmal munter, als er einen großen Keks verspeist, und stolziert an der Hand noch ein paar Runden im Speisesaal herum, begeistert beklatscht von den Küchendamen. Herrje, leider kommen wir um Zucker und anderes Ungesundes momentan nicht drumherum, selbst in seinen geliebten Danone-Joghurts ist sicher Süßungsmittel drin. So richtig abwechslungsreich ist das Essen hier zumindest für Vegetarier auch nicht, außer Kartoffeln, Karotten, Parika und Tomaten scheint es kaum Abwechslung zu geben. Egal, spätestens zuhause muss das wieder anders werden!

Nun hoffen wir auf eine ruhigere Nacht und darauf, dass sich das Wetter morgen auch noch hält, damit wir einen weiteren Ausflug machen können!

1 Kommentar:

  1. Juuchuuh. Das klingt alles nach tollem Abenteuer...ich freu mich schon auf die Berichte der Insel mit dem geheimnisvollen Namen ;-)

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