3.1.07

Halbzeit-Resumee

Erst einmal ein frohes neues Jahr!

Ich muss sagen, so huebsch wie diesmal habe ich noch kein Silvester verbracht - aber dazu im naechsten Blog-Eintrag mehr.
Zuerst als Nachtrag und zur Orientierung - wir sind ja nun seit Chennai im Bundesstaat Tamil Nadu (nachdem wir im Norden Rajasthan, Mattya Pradesh und Uttar Pradesh bereist haben), und das heisst vor allem, dass hier nicht mehr Hindi geschrieben und gesprochen wird, sondern Tamil. Sieht lustig aus, sehr kringelig, und leider wieder mal in keinster Weise zu durchschauen (obwohl wir dank Fr. Salats Buchstaben-Tabellen bestens ausgeruestet wurden). Naja, zum Busfahren genuegt es, wenn man sich den Anfangsbuchstaben in Tamil merkt, damit man dann auch in den richtigen Bus einsteigt. Es wird naemlich sehr wenig in Englisch ausgeschrieben.

Nachdem nun schon mehr als die Haelfte vorbei ist, ein kurzes Zwischenresumee:
1. Ans Rumreisen selbst koennte man sich wirklich gewoehnen, die Vorstellung, in knapp 4 Wochen schon wieder nach Hause zu fliegen, ist nicht so angenehm (liegt momentan wahrscheinlich auch am Sommer-Wetter hier). Es ist sehr interessant, kein bisschen langweilig (naja, wir machen ja auch keinen Strandurlaub hier, sondern touren wirklich taeglich mit stundenlangen Busfahrten in andere Staedte, sammeln Tempel- und Palastbesichtigungen und Hotelzimmer wie die Weltmeister und haben eigentlich wenig Zeit fuer uns).
Wir haben beschlossen, dass dies definitiv nicht unsere letzte "groessere" Reise war.
2. Man gewoehnt sich an die lustigsten Dinge; sogar daran, zum Zaehneputzen immer nur abgepacktes Mineralwasser zu nehmen, das Rucksack aus- und wieder einpacken geht geschwind, und das Handeln mit allen Verkaeufern, Guides und Fahrern wird zum Alltag. Beim Trinken bestellen kommt immer der Zusatz "ohne Eis", das Anstarren der Leute ist zwar manchmal noch nervig, aber okay (das Anquatschen dagegen nicht!), und meine Nase wird sich in Deutschland definitiv die erste Zeit sehr langweilen (denn hier geraet man von einem Geruchsdesaster ins Folgende), ebenso meine Ohren (Musik gibt's grundsaetzlich nur in laut, und wer auf der Strasse nicht sekuendlich hupt, hat eh verloren, die Muezzins, Sikhs und Hindus singen immerzu ueber Lautsprecher und die Ventilatoren bilden den Background-Chor). Die Muellberge sind schon ausserhalb des Sichtfelds (apropos, kleine Info zum indischen Muellsystem: grundsaetzlich wird alles einfach "in den grossen Muelleimer", d.h. auf die Strasse oder aus dem Busfenster geworfen. Saemtlicher "Bio-Muell" - auch der menschliche - wird von Schweinen, Ziegen, Kuehen und Hunden eigentlich vorbildlich "recycelt". In den Staedten sammeln dann irgendwelche verhutzelten Weiblein mit mittelalterlichen Besen und Schalen den Muell ein, werfen alles auf einen grossen Haufen und zuenden den an. An den Strassenraendern wird das Ganze im grossen Stil praktiziert - der Gestank von verbrennenden Plastiktueten ist bestialisch!). Die bettelnden Kinder, die zum Abbrechen duennen Leute, das ist schon schwierig, aber wir praktizieren konsequent den Grundsatz: "Wenn man einem gibt, muss man allen geben", und dass laesst sich in einem Land mit 1 Milliarde Einwohnern nicht durchfuehren, also verschliessen wir stur Augen und Ohren.
3. Wir vermissen "gewohntes" Essen!!!!!!!!!!! Ich sterbe fuer eine riesen Schuessel frischen, gemischten Salat mit ein paar Vollkornbrotscheiben. Auch Spaghetti (bzw. jegliche Pasta), Hackfleisch, Sauerbraten, Dampfnudeln, Pfannkuchen, Spinat und unbedenkliches Obst und Trinken (einfach so aus dem Wasserhahn z.B.) geraten zu paradisischen Traeumen :-)
(Danke hier an Markus Schneider fuer den Tipp mit McDonald's, den gibt's hier wirklich manchmal, aber das Essen ist eindeutig indisch - kein Fleisch und viel Kreuzkuemmel!).
4. An was ich mich niemals gewoehnen werde, sind die zig Menschen, die immerzu um einen herumwuseln, sobald man das Hotelzimmer verlaesst. Ausserdem finde ich den Umgang mit allen "menschlichen Erzeugnissen" widerwaertig - Taschentuecher gibt's nicht, stattdessen rotzt man gekonnt ein Nasenloch zuhalten auf die Strasse (Maenner) oder benutzt gerne auch mal den Sari (Frauen), es wird gehustet und ausgespuckt ohne Ende (kein Wunder bei der dreckigen Luft), die Maenner kauen unentwegt Betelnuesse und spucken das Ergebnis gut gelaunt in hohem Bogen umher (sieht aus wie Blut), es wird gepinkelt und Schlimmeres, erbrochen (letztes Mal wurden wir gerade noch rechtzeitig ermuntert, das offene Busfenster neben uns zu schliessen, da sich eine Sitzreihe weiter vorne eine Frau einfach rausgebeut und ihr Mittagessen von sich gegeben hat), ueberall wuseln teils putzige, v.a. aber schwer kranke Hundewelpen umher, die keiner haben will und meistens ueberfahren am Strassenrand enden, und die Luft- und sonstige Umweltverschmutzung ist zermuerbend.

So, genug Gejammer, da sind ja alles keine Neuigkeiten ueber Indien, d.h. das wussten wir im Vorfeld. Andererseits ist es wohl das faszinierendste und widerspruechliste Land ueberhaupt, alles ist anders als "zuhause" und jeder neue Schritt immer wieder ein Abenteuer. Es gibt hier die herzlichsten Menschen der ganzen Welt und die wohlerzogensten, suessesten Kinder, das Potential ist enorm, an jeder Strassenecke stehen Schulen, Colleges und Universitaeten, die Internetcafes sind ein Traum, und die Grundstimmung immer durchweg positiv und freundlich. Es gibt keine sichtbare Kriminalitaet, man muss hier keine Angst vor Ueberfaellen haben (nur vor Drogenverkaeufern, die einen verfolgen, und vor mancher Abzocke), im Prinzip will jeder unser Bestes. Indien ist vielfaeltig und eigentlich viel zu gross, um in nur 8 Wochen sowohl besichtigt als auch verstanden zu werden, Religion wird in der tolerantesten Weise praktiziert, die ich je gesehen habe, und niemand, nicht einmal die Aermsten, beklagen offensichtlich ihr Schicksal - alles einfach schlechtes Karma, in naechsten Leben wird's hoffentlich besser.
Und was das Tollste ist: der Urlaub hier kostet mich weniger Geld, als ich daheim im gleichen Zeitraum ausgeben wuerde (v.a. da unsere Wohnung ja untervermietet ist), im Prinzip koennten wir also leben wie Kroesus, aber das ist unserer Meinung nach nicht das "echte Indien" (wir bestaunen immer die deutschen Reisegruppen, die von Tempel zu Tempel gekarrt werden, ohne sich selbst mit der indischen Mentalitaet auseinandersetzen zu muessen). Im ersten Monat haben wir alles in allem pro Person wahrscheinlich um die 400 Euro ausgegeben (beinhaltet Uebernachtung, Essen, Reisen, Besichtigungen und ein paar Einkaeufe), dazu kommen noch die Fluege, Impfungen und Einkaeufe im Vorfeld.
Das kann man sich also ganz gut leisten, wenn man ein bisschen spart, oder?!

Schlussendlich muss ich sagen, der Lieblingsspruch der Inder bewahrheitet sich taeglich: "Everything is possible in India" bzw. (wie es das offizielle Tourismusministerium Indiens formuliert): "Incredible India!"

2 Kommentare:

  1. Anonym4.1.07

    Also kaum zu glauben, aber ich lese regelmässig Euren Blog und bin wirklich fasziniert von den Erzählungen. Ich bewunder vor allem Euren Mut und Eure Neugierde, denn wie ich bereits in meinem letzten Comment geschildert habe, zieht mich trotz Eurer tollen Berichte nichts in dieses Land.
    Seid weiter so abenteuerlustig und schreibt viel, auf die Fotos bin ich dann schon besonders gespannt.
    Ach ja, Du hast ja gefragt: Unser Urlaub war sehr schön, wie solle es auch anders sein in der Dominikanischen Republik, Details gibt es dann später.
    Cheers

    AntwortenLöschen
  2. Bleibt mir bloß nicht in Indien, versauere hier in München bitterlichst ohne Euch!

    AntwortenLöschen