28.8.16

Vom Baumhaus nach San Gerardo de Dota (26.08.2016)

Als Norman morgens kurz nach Sonnenaufgang aufsteht, sieht er beim Blick vom Balkon ein seltsames Felltier unter unserem Baumhaus herumrennen, das sich vielleicht unsere Gurkenschalen einverleibt. Kurz darauf beginnt irgendein Tropenvogel mit enervierender Gleichförmigkeit zu schreien. Trotzdem bleiben wir lange im Bett liegen und genießen den Blick in die Baumkronen, es ist blauer Himmel zu sehen, der Regen hat längst aufgehört. Das ist "Glamping" im besten Sinn, wir liegen mitten in der Natur im Wald in einem ordentlichen Bett und genießen dann eine warme Dusche!
Wir packen zusammen, Titus wuselt wieder herum und räumt fleißig mit und dann brechen wir voll bepackt erst einmal auf zum Frühstück. Titus darf in die Kraxe und feuert Norman mit aufmunterndem "Du schaffst das schon!" an. Als Norman sich beschwert, dass er nun immer noch keinen Tapir zu Gesicht bekommen hat, erwidert Titus: "Aber die Tapire mögen den Regen doch nicht, die haben sich versteckt." Aha.

Schon wieder verschwitzt, kommen wir im Basecamp an und verstauen die erste Fuhre unseres Gepäcks im Auto, bevor wir uns mit Pancakes und viel frischer Wassermelone und Ananas stärken. Danach erbarmt sich Norman und marschiert zurück zum Baumhaus, um den Rest des Gepäcks zu holen, und kommt nach einer dreiviertel Stunde fix und fertig zurück und muss erst einmal noch einmal unter die Dusche.
Wir verabschieden uns sehr herzlich vom ganzen Team der Finca Bellavista, das sich sehr gefreut hat, mit Titus den jüngsten Baumhausbewohner beherbergt zu haben. Um kurz vor 10 Uhr fahren wir los, zunächst 3 km über eine sehr steile Schotterstraße zurück auf die Landstraße. Die Außentemperatur steigt auf über 30 Grad an und ich nutze unser wohlklimatisiertes Auto und breite sämtlichen nassen Klamotten auf den Sitzen und im Kofferraum aus. Schon bald riecht es im Auto recht streng, nach zig Tagen Feuchtigkeit müffelt alles, doch immerhin funktioniert die Trocknung sehr gut.

Auf der unbefestigten Landstraße ist kaum Verkehr, wir kommen schnell voran. Wir passieren zwei große Trucks, die sich aus Ästen und Shirts behelfsmäßige Warndreiecke gebastelt haben, denn der eine ist offenbar bei einem Ausweichmanöver in den Straßengraben gefahren und umgekippt... Bei Palmar Norte verlassen wir die Küsten-Schnellstraße und biegen ab ins Landesinnere und Richtung Berge. Wir folgen dem Lauf des Rio de Térraba, der sich mächtig breit durch eine Schlucht schlängelt. Wir überholen Bananenlaster, deren Fahrer uns freundlich winkend überholen lassen, tanken an einer fast verlassenen Tankstelle und durchqueren das letzte in Costa Rica verbliebene Stammesgebiet der Boruca-Indianer. Dieses ist aber nur durch Verkaufsstände mit indianischen Masken und Kunsthandwerk am Straßenrand als solches zu erkennen.

Wir fahren nun wieder über die Interamericana nordwärts über die Berge, immer noch ist außer uns kaum jemand unterwegs. Erst als wir uns San Isidro de El General, der Bezirkshauptstadt nähern, wird die Straße vierspurig und es ist ein wenig mehr los. Da es inzwischen Mittagszeit ist, parken wir in der turbulenten City und kehren in einem hübschen Café ein. Dort mampft Titus mal wieder mehr als die Hälfte von Normans Sandwich und verlangt dann lautstark noch nach einem Muffin als Nachtisch. Zu unserer Belustigung läuft auf dem großen Fernseher im Café gerade live das Fußball-Bundesligaspiel des FCB aus der Allianz-Arena in München, das hier aber kaum jemanden interessiert.

Weiter geht die Fahrt nordwärts, immer höher hinauf schraubt sich die Straße in immer engeren Kurven. Es beginnt zu regnen, die Wolken hängen so tief, dass vor lauter Nebel kaum noch etwas zu sehen ist, und Norman muss immer langsamer fahren, während das Außenthermometer nur noch 9 Grad (!) anzeigt. Wir fahren und fahren, kommen kaum voran, und so langsam sind wir alle genervt; auch Titus fängt lautstart das Quengeln an und ist kaum noch zu besänftigen. Endlich überqueren wir den "Cerro de la muerte", den höchsten Punkt der Interamericana auf 3.400 m und biegen links ab. Gegen 15 Uhr erreichen wir endlich San Gerardo de Dota und damit unsere Unterkunft, die "Dantica Cloud Forest Lodge".

Es regnet ohne Unterlass, die Wolken hängen so tief, dass wir von der Umgebung kaum etwas sehen, und doch sind wir begeistert: vom Parkplatz aus führt ein kleiner Pfad durch den Nebelwald, es geht gut fünf Minuten in vielen Kehren auf und ab. Wir sind immer noch auf knapp 3.000 m und müssen ganz schön schnaufen... Dann endlich beziehen wir ein kleines, freistehendes Häuschen mitten am Hang, das Richtung Tal komplett mit bodentiefen Fenstern versehen ist und wir so einen wundervollen Blick nach draußen haben. Es ist empfindlich kalt, doch in unserem Wohnraum gibt es einen kleinen Kamin, der Ethanol verbrennt und recht schnell das Zimmer wärmt. Titus ist immer noch ein bisserl quengelig und definitiv nicht ausgelastet nach der langen Autofahrt und redet permanent auf uns ein und tobt durch den Raum. Darauf schenken wir uns erst einmal ein Gläschen Weißwein ein und dann entdecke ich den großen Whirlpool im Bad. Zum Aufwärmen genau das richtige, also lasse ich warmes Wasser ein und verschwinde in der Wanne. Auch hier ist das Fenster bodentief, so dass ich im Liegen einen schönen Blick nach draußen habe. Direkt am Haus hängt ein kleiner Vogelfutterspender, um den unzählige Kolibris herumschwirren.

Es dauert nicht lange, da steigt Titus mit in die Wanne und bald sitzt auch Norman mit drin. Wir lassen uns beblubbern und beobachten die Vögel draußen, danach suchen wir uns erst einmal lange Hosen und Pullis aus unseren Rucksäcken heraus, die Sachen haben wir in den drei Wochen Urlaub noch gar nicht gebraucht.
Den Nachmittag verbringen wir in unserem Häuschen, es regnet, und drinnen ist es mit dem Kamin und dem Panoramablick sehr gemütlich. Zum Abendessen marschieren wir, ausgerüstet mit Stirn- und Taschenlampen, etwa 10 Minuten durch den Wald bis zum Restaurant, wo wir uns mit leckerem Rotwein, Salat und Pasta stärken. Titus möchte beim Zurücklaufen getragen werden, die Dunkelheit ist ihm ziemlich unheimlich.
Um halb neun legen wir uns alle zusammen in das große, weiche Bett und sind froh über die dicken Daunendecken, unter denen es bald schön warm wird. Keine fünf Minuten später ist der völlig übermüdete und aufgedrehte Titus eingeschlafen.

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