9.9.11

Alles ueber Seide (04.09.2011)

Endlich ausschlafen, nach zwei Naechten im Zug und davor dem fruehen Aufstehen beim Taj Mahal und in Delhi. So pennen wir bis 10 Uhr und gehen alles langsam am, vor allem das ausgiebige Fruehstueck. Das Wetter ist deutlich besser, die Sonne spitzelt schon hervor, oh ja, es wird schon wieder sehr heiss heute.
Nach dem Fruehstueck organisieren wir im Internetcafe zuallererst einmal unsere Weiterreise und buchen den Zug nach Kalkutta am darauffolgenden Abend. 14 Stunden Fahrt im Schlafabteil kosten 5 Euro pro Person, es ist herrlich, mal nicht immer auf's Geld schauen zu muessen!
Unser Tagesprogramm starten wir damit, durch die Gaesschen zu stromern, zunaechst nordwaerts. Unterwegs sind wir wieder fassungslos, wie schmutzig diese Stadt ist. Ueberall liegt Muell und undefinierbarer Dreck am Boden, dazu spuckt und rotzt jedermann, wo er geht und steht. Am schlimmsten ist allerdings das ewige Paan-Gekaue, die Maenner sind nicht zu verstehen, und muessen fuer laengere Gespraeche immer erst einen Riesenschwall tiefrot gefaerbten Speichels auf den Boden spucken, die rote Betelnuss laesst das Ganze aussehen wie Tuberkulose im Endstadium. Auch das ewige Sack-Gekratze ist auffallend.
Trotzdem sind die meisten sehr hilfsbereit, und helfen uns gerne und ohne Erwartung einer Gegenleistung. wenn wir durch die Gassen irren. Wir erstehen lustige Postkarten mit Sadhus in recht, naja, anstrengend aussehenden Positionen darauf, und lassen uns von einem der Holzarbeiter die "burning ghats", also die Verbrennungsstaetten zeigen. Es herrscht Hochbetrieb, die Luft ist so voller Rauch, dass die Augen sofort traenen, dazu kommt die Hitze und das Gewusel. Mindestens drei Leichen brennen gleichzeitig, die naechsten liegen, in bunte Tuecher gehuellt und mit Girlanden geschmueckt, auf dem Boden in der Warteschleife.
Unser selbsternannter Fuehrer erzaehlt, dass Frauen, Kinder, heilige Maenner und Opfer von Schlangenbissen und Typhus nicht verbrannt, sondern direkt "dem Fluss uebergeben werden". Das bestaetigt uns in unserer Entscheidung, in Varanasi ausnahmsweise ausschliesslich Mineralwasser zum Zaehneputzen zu verwenden.
Er bringt uns noch in eine Art Abbruchhaus, dort leben die Alten und Kranken, die aus ganz Indien nach Varanasi kommen, um dort auf ihren Tod zu warten, und versuchen, per Spenden Geld fuer das noetige Feuerholz zusammenzu sammeln. Nitschi und Mara lassen sich ueberreden und werden dafuer von einer zahnlosen Alten ausgiebigst gesegnet.
Unsere Klamotten stinken erbaermlich nach Rauch, und so "fluechten" wir wieder in die zumindest schattige Altstadt. Wir lassen uns ein wenig treiben, erstehen hier Fusskettchen, dort in einem Laden, der nur Amreifen in allen erdenklichen Formen und Farben verkauft, eine neue Kollektion und Mitbringsel. Dann laufen wir ein paar Kilometer entlang einer vielbefahrenen Strasse, mit Werkstaetten links und rechts, auf der Suche nach einem bestimmten Seidengeschaeft, das im Lonely Planet Fuehrer als "vertrauenswuerdig" beschrieben wird.
Wir muessen bei einem Buedchen unterwegs eine "Ich trinke einen halben Liter Cola/Sprite auf ex"-Pause einlegen, schwitzen vor uns hin, und nach gefuehlten 3 km finden wir den gesuchten Laden in einer Seitengasse: Baba Blacksheep.
Zunaechst erschrecken wir, er sieht geschlossen aus, und heute ist ja auch Sonntag und einige Geschaefte unterwegs waren eindeutig zu. Doch Glueck gehabt, wir betreten den kleinen Laden und haben daraufhin zwei sehr vergnuegliche Stunden mit dem Ladeninhaber und seiner jungen Angestellten.
Zunaechst kaufe ich Rohseide fuer einen Mantel und einen feinen Seidensari fuer ein Kleid, fuer einen echten Schnaeppchenpreis. Der Sari wird dabei wild um mich gewickelt, verschiedene Varianten gezeigt, wie ein Kleid daraus aussehen koennte, waehrend meine beiden Begleiterinnen das Ganze fachmaennisch begutachten und kommentieren.
Dann folgt der grosse Auftritt von Baba, er zeigt uns, woran man echte Pashminaschals erkennt, wie sich ein echter Seidenschal im Vergleich zu einem Mischgewebe anfuehlt und faehrt dabei Schals, Saris und Stolas in den tollsten Farben und Mustern auf. Da ist's natuerlich um uns geschehen, vor allem, als wir sehen, dass man auch mit Kreditkarte bezahlen kann!
Jede sucht sich zig Schals aus, als Mitbringsel und Geschenke, und schliessilch verkuendet der freundliche Her auch noch, dass es moeglich ist, sich fuer 150 Rupien (also 2,50 Euro) bis morgen abend ein Kleid schneidern zu lassen. Daraufhin gibt es kein Halten, Mara und Nitschi suchen sich wunderschoene Saris aus, und los geht das Abmessen und die Fachsimpelei, wie wohl der Schnitt aussehen sollte. Es wird viel gelacht, der Inder hat einen wundervollen, ironischen Humor, und ich habe selten einen so entspannten und lustigen Einkauf getaetigt.
Letzten Endes bezahle ich fuer meine Stoffe (4 m Rohseide und 6 m bestickte Seide, 1 Pashmina und 5 Seidenschals) knapp 120 Euro, damit bin ich sehr zufrieden, und wir versprechen, am naechsten Abend puenktlich vor unserer Abfahrt wiederzukommen, um die Kleider abzuholen.
Ganz beseelt spazieren wir durch die Altstadt zurueck, keine von uns haette gedacht, dass das mit dem Seide kaufen so problemlos und angenehm ablaeuft. Zur Belohnung kehren wir in eine "German bakery" ein, es gibt Lassis und endlich das tollste Dessert der Welt: "Hello to the queen". Im Pipalbaum vor dem Cafe turnen die Affen herum und werfen einen Turnschuh durch die Luft, den sie wohl irgendwo geklaut haben.
Wir deponieren unsere Einkaeufe im Hotel, und bekommen unsere Waesche ausgehaendigt. Sie riecht eigentlich ganz unverdaechtig und frisch. Dann setzen wir uns 1 Stunde ins Internetcafe und mailen, und suchen dann das Restaurant Apsane, das leider gar nicht so "cosy" und "with good music" ist, wie im Fuehrer beschrieben. Naja, so essen wir nur schnell irgendwas und gehen zurueck, nach 22 Uhr sollte man hier naemlich nicht mehr draussen auf den Strassen unterwegs sein. Die Polizeipraesenz in der Stadt ist gross, alle tragen dicke Maschinenpistolen, aber trotzdem wollen wir lieber rechtzeitig zurueck.
In manchen Gassen ist es so dunkel, dass wir froh sind um unsere Stirnlampen. In allen Ecken schlafen Hunde oder auch Menschen auf den blossen Steinen, liegen Kuehe wiederkaeuend herum oder stapeln sich Berge von Muell.
In unserem Hotel gibts noch ein Bier auf der Terrasse, es ist genau 22 Uhr, als wir dort eintreffen. Ein wenig kommen wir mit anderen Backpackern ins Gespraech, es ist interessant zu hoeren, dass alle vor allem damit kaempfen, staendig das Gefuehl zu haben, uebers Ohr gehauen zu werden, und den Dreck als hoechst unangenehm empfinden. Es tut gut, sich das hin und wieder von der Seele zu reden.
Nach einer Dusche, die nach dem verschwitzten Tag sehr noetig ist, gehts ins Bett.

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