15.9.11

Na endlich: Monsun! (09.09.2011)

Nachts ist es unfassbar heiss, wegen des Regens muessen die Luken unter Deck geschlossen bleiben, und so schwitzen wir vor uns hin. Erst gegen Morgen klart es auf, und ein Lueftchen weht durch die Kojen. Draussen biselt der Steuermann laut vernehmlich ueber die Reling, und angelt anschliessend im selben Wasser... Bin ich froh, dass wir alle das vegetarische Essen gebucht haben!!!
Nach dem Aufstehen lungern wir wieder an Deck herum, werden fleissig mit heissem Chai versorgt, um kurz nach 8 Uhr gibts Fruehstueck, natuerlich wieder ein pikantes Kartoffelcurry mit im Fett rausgebackenen Fladen. Sehr gesund bestimmt. Ein wenig grummeln uns allen die Baeuche nach dem vielen indischen Essen der letzten Tage.
Gegen halb 10 brechen wir auf, zunaechst zu Fuss die paar Meter vom Boot ueber glitschigen Matsch zum Uferweg, ganz vorsichtig, um ja nicht im Dreck auszurutschen. Am Weg wartet schon wieder eine Fahrradrikscha auf uns, wir werden auf die Ladeflaeche komplimentiert, und unser Fahrer liefert sich wilde Rennen mit seinen Konkurrenten. Wir hoppeln dabei wild ueber Stock und Stein, waehrend uns sein Schweissgeruch um die Nase weht. Fasziniert sind wir von den Beleuchtungsapparten der Fahrraeder, oft ist vorne einfach ein kleines Petroleumfaesschen mit Docht angebracht. Unverzichtbares Accessoire sind auch die fantasievollen Hupen und Klingeln.
Nach etwa 30 Minuten erreichen wir den Bootsanlegesteg, die erste selbstgezimmerte Schaluppe ist schon recht voll, wir beschliessen, die naechste abzuwarten. In dem Moment, also wir auf deren schlecht zusammengefuegten Planken sitzen, beginnt es zu regnen - und es schuettet die gesamte naechste halbe Stunde ohne Unterlass immer staerker und staerker, waehrend wir ungeschuetzt im Freien sitzen. Irgendwann laeuft das Wasser in die Regenjacken und Schuhe, als wir endlich am Festland ankommen, triefen wir nur noch vor uns hin. So nass bis auf die Unterhose war ich schon lange nicht mehr.
In einer Garage improvisiert AJ mitleidig eine Art "Umkleidekabine" aus aufgehaengten Tuechern fuer uns, nur leider geben unsere kleinen Rucksaecke kaum frische Klamotten her, und so binde ich mir einfach mein Handtuch als Rock um. Ein wenig kess zwar, aber wenigstens trocken.
Die nassen Sachen werden ausgewrungen, und wir quetschen uns etwas ernuechtert wieder in den Jeep, der schon zu unserer Abholung bereit steht, und der sofort innen komplett beschlaegt.
Wie sich im Folgenden herausstellt, funktioniert der Frontscheibenwischer nicht, was recht unpraktisch ist, da kein Ende des Regens in Sicht ist. Der Fahrer haelt aber einfach in aller Seelenruhe alle Stunde an, pflueckt ein Palmblatt und wischt damit aussen ueber die Scheibe, das Wasser perlt daraufhin doch tatsaechlich fuer die naechsten drei Minuten recht professionell ab. Er faehrt leider trotzdem wie eine gesengte Sau, zum Glueck tragen die Frauen hier alle so bunte Saris, sonst wuerde er wohl alle Dorfbewohnerinnen am Strassenrand, auf Rikschas und Raedern ueber den Haufen fahren. Die Maenner sieht er immer erst in der letzten Sekunde. Mehrmals koennen Hunde, Schafe und Enten im allerletzten Moment grade noch zur Seite huepfen. Ich versuche, nicht mehr vorne auf die Strasse zu schauen, sondern betrachte eingehend die Palmen links am Strassenrand, das ist besser fuer die Nerven, bin aber nach der Haelfte der Strecke schon wieder komplett zermuerbt. Auch Nitschi bittet prophylaktisch zwischendurch um Vomex-Tabletten.
Kurz vor Kalkutta soll ich, wieder auf dem Beifahrersitz sitzend, den Sicherheitsgurt anlegen. Als ich nach dem nichtvorhandenen Einstecker suche, wird mir versichert, dass es, falls die Polizei reinguckt, vollkommen genuegt, wenn ich den Gurt einfach nur festhalte. Aha.
Nach weit mehr als dreieinhalb Stunden Fahrt erreichen wir Kalkuttas Innenstadt und das Buero des Touranbieters. Dort wird uns noch ein Hotel empfohlen, wir nehmen unsere grossen Rucksaecke in Empfang, verabschieden uns und marschieren durch den Nieselregen im Handtuckroeckchen ins Hotel Delite.
Der Name ist leider nicht Programm, wir beziehen dort ein winziges, schmuddeliges, schimmliges Zimmer ohne Fenster, das aber wenigstens nur 800 Rupien pro Nacht kostet und fuer die eine Nacht genuegen wird. Das ganze Etablissement hat den Charme eines Stundenhotels, mit roter Lampe innen und Klingel aussen an der Zimmertuer. Auch die Angestellten sind ein wenig zwielichtig.
Wir sind alle ein wenig angeschlagen und ziemlich ernuechtert, unsere Sachen sind alle nass oder zumindest klamm, und auch, nachdem Waescheleinen gespannt und Klamotten aufgehaengt sowie Turnschuhe mit Zeitungen ausgestopft wurden, ist es eindeutig klar, dass in diesem per se schon feuchten Zimmer sicher nichts bis zum naechsten Morgen trocknen wird.
Nun gut, wir brauchen jetzt erst mal was zu essen. Im Blue Sky Cafe gegenueber gibts Suppe, Lassis und Pizza, und als die Lebensgeister wieder halbwegs geweckt sind - inzwischen ist es auch schon halb 5 - lassen wir uns mit dem Taxi zur Hauptpost fahren. Das Gebaeude, im Fuehrer als Sehenswuerdigkeit gepriesen, ist zwar ganz huebsch, weiss, im Kolonialstil, aber leider wie auch der ganze Rest Kalkuttas von der Dauerfeuchtigkeit total verrottet.
Drinnen muessen wir zu drei verschiedenen Schaltern, um Briefmarken fuer unsere Postkarten und die dazugehoerigen Stempel zu kriegen, mal schauen, ob und wann die wohl ankommen. Zu Fuss spazieren wir durch den Stadtteil  BBD Bagh zurueck, es ist unglaublich, wie viele Menschen sich auf den Gehwegen draengeln. Zu allem Uebel stehen auch noch dicht an dicht Strassenhaendler mit Tand und vor allem mit viel fettigem Essen am Rand, es ist ein immerwaehrendes Geschiebe. Ploetzlich habe ich eine fremde Hand am Hintern, drehe mich um und schreie laut den jungen Mann an, der hinter mir laeuft. Zunaechst grinst er noch daemlich, dann erschrickt er aber doch und macht sich davon.
Als wir endlich am "New Market" ankommen, sind wir mit den Nerven ein wenig runter und daher nicht unbedingt in bester Shoppinglaune. was die ganzen sich aufdraengenden und uns verfolgenden Verkaeufer aber nicht weiters interessiert. Mara liebaeugelt kurzzeitig mit einem Salwar Kameez, ist aber entsetzt ueber die Hosengroesse (es gibt die nur in Einheitsgroesse XXXXXXL mit Schnur zum Zubinden, fuer jedermann passend), und moniert beim Haendler: "I'm not an elephant!". Sofort steht der naechste findige Verkaeufer bei Fuss, hat keine Ahnung, um was es geht, mischt sich aber trotzdem ein: "Oh, if you're looking for something with an elephant print, I have lots of trousers with elephants!" Aaaaah, so geht das die ganze Zeit, wir werden wortkarg und fluechten.
In einem Geschaeft werden wir von einem aelteren indischen Herrn auf Deutsch angesprochen, er ist Arzt, hat lange in Deutschland studiert und praktiziert und ist aeusserst kultiviert. Wir unterhalten uns eine Weile mit ihm, er warnt uns vor den Abzockern in der Markthalle - so dicht beeinander liegt hier der Aerger ueber die Inder und andererseits auch die Freude ueber deren Freundlichkeit.
Schliesslich sind wir wieder in unserer "Heimat", der Sudder Street, wo wir fuer 2 Stunden in einem Internetcafe vor dem Wahnsinn draussen verschwinden. Waehrend ich blogge, informieren Nitschi und Mara sich ueber Hotels in Goa, und buchen schliesslich drei Naechte im Beleza Resort in Colva. Die Bilder sehen traumhaft aus, mit Strandzugang, Pool, Spabereich - und das 3er-Zimmer kostet nur 40 Euro pro Nacht. Hurra, ein Lichtblick! Wir sind begeistert, die Vorfreude ist gross. Und da es schon 21 Uhr ist und wir nur moeglichst wenige Stunden im schrecklichen Hotel verbringen wollen, gehen wir wieder in unsere Stammkneipe, das "Super Pub" gegenueber.
Der Tuersteher begruesst Nitschi sogleich mit Handschlag, drinnen freuen sich die Kellner wieder sehr ueber unseren Besuch, obwohl oder weil wir weit und breit die einzigen Damen sind. Kurz darauf stehen Bier, Chips, Veggie Burger und spaeter Gin mit Limejuice vor uns, die Kellner tragen schwarze Westen und weisse Hemden, das Ambiente erinnert an Bilder aus Bars im Havanna der 50er Jahre.
Wir bleiben bis zur Sperrstunde um 23 Uhr, gehen dann unwillig ins Hotel und in unser muffliges Zimmer, in dem die nassen Klamotten vor sich hinmodern. Im Ausguss des Waschbeckens stinken dazu Mottenkugeln uebelkeiterrengend vor sich hin. Die Frage ist, wie es wohl stinken wuerde, wenn die nicht drin liegen wuerden.
Wir packen und versuchen ganz schnell einzuschlafen, es ist abartig warm, aber der Ventilator droehnt viel zu laut, als dass man ihn ueber Nacht laufen lassen koennte. Mara ermahnt durchs Fenster zur Lobby, das auch noch vergittert ist (Gefaengnisfeeling) die im Flur laut herumkrakelenden Angestellten zur Ruhe.
Nachts wache ich um 2 Uhr auf und bin froh, dass der Wecker schon vier Stunden spaeter klingeln wird...

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