27.9.11

Wo gehts hier zum Mittelpunkt der Welt??? (17.09.2011)

Ausschlafen. Zeitung lesen (die praktischerweise wieder außen an der Zimmertür steckt). Frühstück im Bett (weil wir nicht mal einen vernünftigen Tisch im Zimmer haben). Heute bestellen wir das "indian breakfast", da das "continental" gestern nicht grade berauschend war. Es gibt also masala dosas mit Kartoffelcurry und Kokosdip. Wir bekommen kein Besteck dazu, und unsere Nachfrage führt beim Hotelangestellten auch nur zu Vewirrungen und einem entsetzten "no fork!" - immer diese Sonderwünsche der verrückten Touristen, also wirklich. Na, dann essen wir eben das fettige Ding mit den Fingern. Das sättigt sicher eine ganze Weile.
Unten an der Rezeption stellen wir fest, dass es einen eigenen Angestellten dafür gibt, der den lieben langen Tag davor sitzt und jedem geflissentlich die Tür öffnet, der hinein- oder hinausmöchte.
Draußen finden wir ein Taxi, das uns nach Malabar Hill bringt, wir wollen zum "Mittelpunkt der Welt", dem Banganga Tank. Leider ist dieser dem Fahrer unbekannt, und da auch mehrmaliges Nachfragen bei diversen Polizisten, bereits im richtigen Stadtteil, widersprüchliche Aussagen liefern und wir irgendwann keine Lust mehr auf sinnfreies Hin- und Herwenden haben, steigen wir aus. Das kann ja nicht mehr weit sein, schließlich befinden wir uns ja in Malabar Hill, dem Reichenviertel mit Villen und schicken Hochhäusern oben am Hügel mit Blick über das Meer an Mumbais Westseite.
Hübsch ist es, aber als wir zum dritten Mal erst in die eine, dann wieder in die andere Richtung geschickt werden und die immer gleiche Straße entlangwandern, brauchen wir eine Pause und besichtigen spontan stattdessen den großen Jain-Tempel, der am Weg steht. Die Jains, eine große Hindu-Sekte, haben eine ganz eigene Art der Tempelbauweise, und auch eine eigene Form der Andachten dort. Drinnen ist gerade eine zugange, wir dürfen als Ungläubige also nicht in den Hauptraum, aber von der Galerie im 1. Stock auszuschauen. Unten legt ein alter Mann aus verschiedenfarbigen Gewürzen eine Art Mandala auf den Steinboden.
Beim Rausgehen fragen wir nochmal verschiedene Leute nach dem Weg zum Becken, und so langsam kristallisiert sich der richtige Weg heraus. Zehn weitere Gehminuten später biegen wir vo nder Hauptstraße ab in kleine Gässchen, hier reiht sich ein Tempel an den anderen, es tönen Gesänge heraus. Barbiere bieten auf einfache Stühlen direkt am Weg einen Haarschnitt oder eine Rasur an, überall kann man Blumenketten oder -gestecke als Opfergabe kaufen.
Endlich stehen wir vor dem sagenumwobenen Wasserbecken, in dem rituelle Waschungen vorgenommen werden und an dessen Stufen rundherum die verschiedenartigsten Zeremonien durchgeführt werden. Es ist faszinierend, ich könnte stundenlang zusehen, ohne auch nur ansatzweise zu verstehen, um was es dabei geht. Nach einer Weile trennen wir uns davon und marschieren die Hauptstraße des Viertels wieder den Hügel hinauf; oben erreiche wir die sog. "hängenden Gärten" (naja), einen Park mit Blick auf's Meer und für indische Verhältnisse ganz hübsch angelegten Blumenbeeten und herrlichen, riesigen alten Bäumen. Einmal wird rundum flaniert, dann überqueren wir die Straße und betreten den gegenüberliegenden Kamala-Nehru-Park, ähnlich aussehend, mit einem leicht armselig aussehenden Spielplatz.
Von dort aus spazieren wir zu Fuß einen steilen Weg hinunter, bekichert von einer entgegenkommenden Schulklasse, und stehen wenig später am berühmten Mumbaier Stadtstrand, dem Chowpatty Beach. Leider führt eine vielbefahrene, mehrspurige Straße direkt daran entlang, das stört ein wenig, ebenso der viele Müll, der herumliegt, und das schmutzige Wasser, das zumindest uns nicht zum Baden einlädt. Das stört aber die vielen Inder, die hier ihre Mittagspause verbringen oder gleich ganz hier wohnen, nicht weiter.
Wieder einmal kommt ein kurzer Nieselregen auf, aber auch diesmal ist er vorbei, noch bevor wir die Regenjacken anhaben. Als wir grade alles wieder in den Taschen verpacken, fällt unser Blick auf die daneben liegende tote Ratte, die von einer Krähe genüsslich zerhackt wird. Sehr appetitlich ist das hier.
Wir setzen unsere Stadtwanderung fort, nun in Richtung Chor Bazaar, wir hoffen auf ein paar hübsche Marktstände, um die letzten Einkäufe zu tätigen. Leider ist der Weg dorthin viel weiter als gedacht, immer wieder müssen wir nach dem Weg fragen. Eine Gruppe junger Mädchen, die sich als Pfadfinderinnen herausstellt, ist ganz begierig darauf, uns zu helfen, und freuen sich ein Loch in den Bauch, als sie uns in die richtige Richtung weisen können.
Nitschi liebäugelt immer noch mit dem Kauf einer Sitar, also kehren wir in ein Musikgeschäft ein, das Instrument soll hier um die 100 Euro kosten, ein toller Preis - doch die ständige Feuchtigkeit und Hitze in dieser Stadt macht mir ein wenig Sorgen, das Holz ist daher sicherlich total verzogen und kann sich an unsere Klimaverhältnisse nicht anpassen, daher sieht sie schweren Herzens vom Kauf ab.
Die Straßen werden immer enger, die Gehsteige immer voller, und irgendwann sind wir mitten im Gewühl im Bazaar-Viertel angekommen. Doch leider stellt sich heraus, dass hier von Autoersatzteilen bis Gemüse zwar alles mögliche verkauft wird, aber nichts davon erfreut unser Touristenherz. Wir schlendern noch ein bisschen nach links und nach rechts, setzen unseren Weg dann aber zügig fort und erreichen den musilimischen geprägten Teil. Hier gibt es formschöne Burkas und züchtige Unterwäsche zu kaufen, Männer und Frauen sind in Kutten gehüllt, und die Mode hier zeugt von einem noch schlechteren Geschmack als eh schon der Rest, den's im restlichen Indien zu kaufen gibt. Sehr erstaunlich.
Irgendwann schieben wir uns inmitten der Menschenmassen (vergleichbar mit der Kaufinger Straße am Adventssamstag) vorbei an Ständen voller Tand, alle paar Meter rollen Frauen aus einer Art Lehm und Kuhdung (?) faustgroße Kugeln und bieten diese zum Verkauf an, es bleibt rätselhaft, wozu man die braucht. Es reicht, wir sind erledigt, haben keine Ahnung mehr, wo wir überhaupt sind, und kehren ins nächstbeste vegetarische Restaurant ein. Der Chef himself bedient uns im arktisch temperierten Lokal, das Essen ist echt "indisch", ich bekomme grünen Pampf (Palaak Paneer) und roten Pampf (Alu Gobi), beides bis zur Unkenntlichkeit verkocht. Das ist nicht meins, aber dafür kostet's auch nur 2 Euro. Immerhin kann uns der Kellner auf der Karte zeigen, wo wir uns gerade befinden, und so laufen wir gestärkt zurück in Richtung unseres Hotels. Inzwischen kennen wir uns zumindest in den umliegenden Vierteln soweit aus, dass wir uns dort zurechtfinden.
Wir fragen uns alle paar Meter nach dem nächsten Internetcafé durch, jeder Straßenhändler weiß Bescheid, und alle schicken uns in die gleiche Richtung, und letzten Endes landen wir genau gegenüber unseres Hotels im "Cyber Café", das uns bisher noch nicht weiters aufgefallen ist. Hier verdaddeln wir die nächsten 90 Minuten, mailen ein letztes Mal vor dem Heimflug mit den Lieben. Als wir rausgehen, stellen wir fest, dass unsere Stadtbesichtigung (inkl. vollkommen erfolglosen Shoppingversuchen) doch den ganzen Tag gedauert hat, es ist schon nach 18 Uhr!
Also schnell ins Hotel, Nitschi und ich machen uns ans Packen, währenddessen suchen wir die perfekte Location für unseren letzten gemeinsamen Abend. Um 19 Uhr holt Nitschi bei den armen Schneiderlein ihren fertig genähten Seiden-Schlafsack ab. Alle Klamotten, die wir nicht mehr mit nach Hause nehmen wollen (darunter die alten Laufschuhe, an deren Sohlen immer noch gefühlt der ganze Dreck Varanasis klebt, T-Shirts, Socken, Hosen sowie der Honig aus Sundarbans, der nicht besonders appetitlich riecht und auch noch mit einer Ameise "garniert" ist), kommen in eine Tüte, die Nitschi dem Wachmann mit den kaputten Schuhen in die Hand drückt. Sie fragt ihn, um ihm Peinlichkeiten zu ersparen, ob er jemanden wüsste, der die Sachen brauchen könnte. Er bejaht dies eifrig, und noch während sie weggeht, beäugt er schon interessiert die Schuhe. Na also.
Gegen 19 Uhr starten wir ins Abendprogramm, mit dem Taxi gehts ins Café Mocha in der Nähe des Marine Drives, eine gemütliche Bar, in der viele indische Studenten sitzen. Wir sind heute mal prollig und bestellen gleich einen 2-Liter-Pitcher Kingfisherbier zum Aufwärmen, dazu Burger, Pasta, Salat und gemischtes Fingerfood als Vorspeise. Der indische Service toppt sich mal wieder selbst: die Hauptspeisen kommen alle weit nacheinander, und die Vorspeisenplatte wird geliefert, als wir das Hauptgericht bereits längst gegessen haben. Wir bestellen einen weiteren Pitcher und halten uns mit Kommentaren dazu zurück. Nun setzen wir uns an die "Liste", eine Art Resumé der Indienreise, die der letzte Blogeintrag dazu werden wird.
Dazu lassen wir die letzten drei Wochen nochmal Revue passieren und sind uns einig, dass der gemeinsame Urlaub wirklich viel Spaß gemacht hat und wir sehr viel erlebt haben.
Noch ein Gruppenfoto und einen Cocktail (den Mara für uns alle zurückgehen lässt und mit herzallerliebstem Augenaufschlag um etwas mehr Rum darin bittet), dann fahren wir mit dem Taxi zurück zum Hotel. Der Fahrer antwortet auf meine Frage nach der Uhrzeit mit "5 minutes only", und versucht krampfhaft, bei jedem Schaltvorgang durch übertrieben weites Ausholen des Arms meinen Oberschenkel zu berühren.
Als wir ankommen, öffnet uns der nette, turbantragende Türsteher des Nachbarlokals netterweise die Tür, und wir flüchten so schnell, dass Nitschi ihren geliebten Schal im Taxi vergisst.
Eines gibt es nun noch zu tun: Mara will auch Paan probieren, am Stand gegenüber mixt ein Paan-Wallah für die beiden Mädels aus Betelblatt, kandierten Früchten, Kokosraspeln, Betelnuss und anderen geheimen Zutaten in Windeseile ein Paanpäckchen, und dann stehen die beiden am Straßenrand und kauen das Riesending angestrengt vor sich hin. Ich bin raus, mein Magen will geschont werden. Schließlich wird ausgespuckt, und wir gehen für eine letzte Nacht ins Hotelzimmer, wo wir erst einmal wieder die Räucherstäbchen-Luftreinigung durchführen müssen.
Vor lauter Albernheit beschliessen wir, noch ein paar Gruppenfotos zu machen, und "verkleiden" uns dazu als Inder, indem wir uns unsere Wimperntuschen und Kajals als Schnurrbart unter die Nase klemmen. Dazu machen wir typische Gesten wie die seltsame Art der Inder, zu zählen (niemals wird dazu der Daumen verwendet, deshalb gab es immer wieder Schwierigkeiten, wenn wir drei Chais o.ä. bestellt haben) und blödeln ziemlich herum, bevor wir uns gegen Mitternacht in die klammen und muffligen Betten legen.

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