13.9.11

Auf der Buckelpiste ins Backwaterparadies (07.09.2011)

Die Nacht ist unruhig, der Ventilator weht mir die ganze Nacht ins Gesicht, so richtig schlafen kann ich dabei nicht. Ich wache um 6 Uhr auf und lese, ab 6:30 Uhr wird geduscht und gepackt. Unser grosses Gepaeck wollen wir in Kalkutta lassen, die kleinen Rucksaecke muessen fuer die naechsten beiden Tage reichen. Eine Stunde spaeter checken wir aus und gehen zu Fuss die 5 Minuten ins Buero des Touranbieters - das aus einem 4 Quadratmeter grossen Raum besteht, mit 3 Hockern und einem PC am Boden drin. Wir bekommen Chai und warten auf unsere Mitreisenden, ein englisches Geschwisterpaerchen.
Um halb neun quetschen wir uns mitsamt Fahrer und Guide in einen Jeep, werden mit Sandwiches, Wasser und Riegeln versorgt, und los geht's. Die Fahrt hinaus aus Kalkutta dauert alleine schon bald 50 Minuten, entlang am Strassenrand biselnder Kinder und Slumhuetten, chaotischen Verkehrsverhaeltnissen, unser Fahrer faehrt recht rasant trotz aller Widrigkeiten wie Kratern auf der Strasse.
Wir drei Maedels sitzen sehr beengt im Kofferraum und werden durchgeschuettelt, ahnen jetzt schon kommende blaue Flecken, und nur der Fahrtwind rettet uns vor dem Hitzetod.
Mir wird natuerlich schnell schlecht, und so wechsle ich beim naechsten Halt den Platz und darf vorne auf den Beifahrersitz. AJ, unser junger Guide, setzt sich dahinter und erzehlt waehrend der Weiterfahrt einiges ueber das Leben der Menschen rund um das Backwatergebiet der Sundarbans.
Nach gut 3 Stunden ist die 1. Etappe geschafft, wir steigen um auf ein wackliges Holzboot, und muessen leider direkt neben dem offenen Motor stehen, es quetschen sich gut 50 Menschen, ein paar davon mitsamt ihren Fahrraedern, auf dieses Gefaehrt. Es regnet kurz und heftig, nach 2 Minuten ist der Spuk aber schon wieder vorbei, und nach 10 Minuten verlassen wir die "Faehre" auf einer der 120 Inseln, die direkt an der Grenze zu Bangladesch liegen.
Wieder werden wir umverladen, diesmal zu dritt auf dei Ladeflaeche einer Fahrradrikscha, auf den Inseln gibt es keine Autos, und Strom nur ueber Solarzellen und Generatoren. Der arme Kerl auf dem Fahrrad strampelt mit uns drei "dicken" Westlerinnen mindestens 30 Minuten bei Gegenwind entlang der Reisfelder ueber eine Art Deick. So wie wir angestarrt werden, kommen hier wohl nicht allzu viele Weisse vorbei.
Der Hintern schmerzt auf den blossen Holzplanken, auf denen wir sitzen, wieder kommt ein kurzer Schauer auf, und endlich erreichen wir das Ziel: ein Guest House, in dem wir Mittagessen bekommen (hurra, es gibt endlich wieder Dal Bhat oder Thali, wie es in Indien heisst - das habe ich seit Nepal schon fast vermisst!), und iwr besichtigen das im Brackwasser  bzw. im Schlamm - es ist gerade Ebbe - liegende Boot, auf dem wir uebernachten duerfen.
Es ist recht klein, nicht sehr komfortabel, aber dafuer heisst es "Elmar" und ist uns damit sympathisch - also holen wir unsere Rucksaecke und beziehen unsere Koje. Auch die beiden bisher weitgehendst schweigsamen Englaender sind buchstaeblich "mit an Bord", wir sind also zu fuenft, plus Kuechenjunge, Steuermann und unserem Guide AJ.
Der Weg auf der Insel ist aus Lehm bzw. aus dem Uferschlamm aufgeschuettet, sehr schmal, denn rechts und links broeckelt bei Flut wohl immer wieder ein Teil ab, und ziemlich glitschig. Also: vorsichtig sein beim Laufen!
Zur Verdauung halten wir an Deck des Boots, wo ein sehr angenehmer Wind pfeift, eine kleine Siesta auf den Decken und Kissen, die dort fuer uns ausgebreitet werden. Um 15 Uhr werden wir zum Aufbruch gescheucht, zunaechst klettern wir zurueck ans Ufer, dort marschieren wir eine halbe Stunde auf dem Lehmwall entlang. AJ erzaehlt, dass vor gut 2 Jahren ein Zyklin eine Springflut verursacht hat, die den Wall und alle dahinter liegenden Siedlungen weitestgehend zerstoert hat. Erst seit kurzem hat sich der Boden soweit wieder erholt, dass Reis etc. angepflanzt werden kann. Auf dem Weg liegen ueberall verhaeltnismaessig winzige Ziegen herum, Hunde rennen umher, es ist sehr laendlich, die meisten Bewohner leben vom Reisanbau, der Nutztierhaltung und vom Fischfang.
Am Ende unserer Wnaderung wartet ein Boot mitsamt Fuehrer auf uns, damit schippern wir nun drei Stunden durchs Mangrovendickicht. Wir sehen ein paar Eisvoegel, viele Krabben, die auf den Baumstaemmen sitzen und sich so vor dem Flutwasser in Sicherheit bringen, dass nun die vielen Kanaele fuellt. Es ist gruen und "dschungelig", wir geniessen die Stille, die leider nur von indischer Popmusik, die aus unerklaerlichen Gruenden per Lautsprecher ueber die Inseln schallt, durchbrochen wird. Waere kein Wind da, waere es wohl unertraeglich daempfig, wir sind alle etwas ermattet durch das Geschaukel des Boots. Hin und wieder kommt auch jetzt ein kurzer Schauer auf, doch kaum zieht man die Regenjacke an, ist er auch schon wieder vorbei.
Um 18 Uhr sind wir zurueck bei "Elmar", gerade rechtzeitig, denn kaum sind wir an Deck, ist die Sonne auch schon untergegangen und es wird zappenduster. Der Halbmond am Himmel und die eine Neonlampe an Bord sind die einzigen Lichtquellen, Sterne sind wegen der vielen Wolken kaum zu sehen.
Wir machens uns wieder an Deck auf den Kissen gemuetlich, und AJ bringt uns kaltes Bier und Chips. Es ist herrlich, wir flaezen herum und betrinken uns ein bisschen. Kurz darauf bekommen wir Besuch von drei Inselbewohnern, Vater, sein vielleicht 12jaehriger Sohn und ein Onkel. Die drei packen Harmonium, Trommel und Zymbeln aus und legen los: voller Inbrunst werden traditionelle Weisen musiziert, der Junge singt dazu aus vollster Kehle und schlaegt die Zymbeln wie das Duracell-Haeschen. Fasziniert hoeren wir zu, oeffnen noch ein Bier und geraten ins Schwaetzen. Unterbrochen werden wir vom Abendessen, das wir auf dem Boden sitzend serviert bekommen, es gibt wieder Gemuesecurry, diesmal mit Chapattis, und ist wirklich lecker.
Brav klatschen wir am Ende jedes Liedes, und ganz am Schluss gibts auch ein Trinkgeld, das haben sich die drei wirklich verdient, so enthusiastisch und strahlend laechelnd, wie sie aufgetreten sind.
Mit unserem Schwips muessen wir ins Bett, putzen noch schnell die Zaehne ueber der Reling und falten uns um kurz nach neun in die Kojen. Ich schlafe fast sofort ein, dank der Luken weht ein angenehmes Lueftchen, und wache nachts nur vom ohrenbetaeubenden Gewitter auf, das mit Blitz und Donner niederprasselt. Mara und Nitschi, die direkt an den Fenstern liegen, werden ein wenig angeregnet...

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