2.9.11

Disneyland fuer Hindus (30.08.2011)

Es dauert, bis wir morgens in die Gaenge kommen, aber zumindest war diese Nacht permanent Strom da, so dass der Ventilator durchquirlen konnte. Gegen 9 Uhr sitzen wir beim Fruehstueck, es gibt die indische Variante des French Toast (naemlich Toast gefuellt mit scharfem Kartoffelpampf). Und dann vertreiben wir uns mit Surfen im Internet und Lesen die Zeit, bis Mara gegen halb 11 im Hostel eintrifft.
Sie ist innerhalb kuerzester Zeit und trotz langem Flug ausgehfertig, und so brechen wir nur eine halbe Stunde spaeter auf zur U-Bahn. Es ist heiss, laut, stinkend und staubig draussen, und wir sind froh, als wir den kuehlen Bahnhof erreichen. Wir steigen am Chandni Chowk aus und stuerzen uns ins Gewuehl aus schreienden Fahrradrikschafahrern, hupenden Autos, draengelnden Passanten, dabei wabern Fettschwaden aus den Buden am Strassenrand, waehrend wir aufs Rote Fort zusteuern. Nach der todesmutigen Ueberquerung einer riesigen Kreuzung ohne erkennbare Verkehrsregelung kommem wir dort heil, wenn auch von der Sonne schon halbgar gebraten, an.
Das Fort ist beeindruckend gross und imposant von aussen, innen ist leider nicht allzu viel vom frueheren Glanz erhalten, und daher beschleunigen wir die Besichtigung ein wenig. Auf den Rasenflaechen liefern sich Streifenhoernchen wilde Rennen. Wieder draussen kaempfen wir uns weiter durchs Strassengewuehl, dabei kommen uns unter anderem Fahrradrikschas entgegen, auf denen bis zu 10 Schulkinder sitzen - eine Art Schulbus also.
Wir haben Hunger, Durst und uns ist heiss, also marschieren wir durchs muslimische Viertel, vorbei an Metzgerstaenden mit abgetrennten Hammelkoepfen auf dem Tisch am Strassenrand und zerrupften Huehnern davor, immer auf der Suche nach einem Lokal. Das einzige, das der Reisefuehrer empfiehlt, ist wegen Ramadan geschlossen, also kehren wir nebenan ein.
Da gibts schmuddelige Tische, sparsam dreinguckende Kellner, aber immerhin kalte Cola und Spinat und Brot, eben das noetigste - und es ist trotz des eher ungemuetlichen Interieurs trotzdem eine willkommene Oase der Ruhe nach dem ganzen Trubel da draussen.
Gestaerkt wagen wir uns wieder hinaus und wollen die grosse Moschee Jama Masjid besichtigen, doch zwei grimmige Waechter sind unfreundlich und gar unverschaemt zu uns, wollen uns stinkige Ueberziehburkhas aufzwingen, obwohl wir durchaus angemessen gekleidet sind, und so verzichten wir eben. Lieber nicht mit den Hausherren anlegen.
Stattdessen lassen wir uns zu viert mit der Fahrradrikscha zur Bahn bringen, das ist ein Abenteuer, vor allem, weil Norman und ich quasi rueckwaerts fahren und nach hinten rausgucken - und immerzu Angst haben, dass uns jemand gegen die Schienbeine faehrt. Wir sind froh, als wir wieder in der Metro sind, irgendwie war de Stimmung in diesem Viertel eher ungut.
Nach einer schier endlosen Fahrt mit Umsteigen kommen wir in Akshardham an. Ein findiger Fahrrad-Rikschafahrer ueberredet uns, mit ihm zum dortigen Tempelkomplex zu fahren, und so duesen wir zu viert auf einem Fahrrad mit schmaechtigem Fahrer auf der Autobahn und zu allem Uebel noch gegen die Fahrtrichtung (zumindest fuer ca. 500 m) zum 2005 eroeffneten Hindu-Heiligtum.
Alles dort sieht wirklich funkelnagelneu aus, allein der Parkplatz davor hat disneylandaehnliche Ausmasse, und die Abfertigung beim Einlass ist militaerisch organisiert: alle mitgebrachten Sachen muessen vorab abgegeben werden, werden noch fotografiert und eingeschlossen. Dann gehts zur Sicherheitskontrolle, der Dialog mit der zustaendigen Inderin beim Abtasten ist folgender:
I: "You have mobile phone?"
N: "No."
I: "You have purse or money?"
N: "No."
Inderin mustert mich nachdenklich, dann: "But you have chewing gum!!! Out!!!"
Und dann sind wir endlich drin, im Las-Vegas-anmutenden Tempelwahnsinn. Alles ist blitzblank, wohl organisiert, top gepflegt, die Rasenflaechen sehen aus wie auf einem Golfplatz, es gibt ueberall "food courts" mit kalten Getraenken (Eiskaffee!), der Haupttempel ist riesig. Es ist unglaublich, wieviel Geld muss diese Hindusekte bitte haben? Der Tempel ist ueber und ueber mit Skulpturen bedeckt, innen glitzert und glaenzt es vom Boden bis zur Decke. Dazu gibt es drumherum Wasserbasins und Areale fuer Filmvorfuerungen oder Wasserspiele - wir sind total erschlagen! Und das ganze kostet noch nicht einmal Eintritt. Damit haben die Hindus heute deutlich mehr Punkte bei uns gesammelt als die muslimischen Kollegen.
Am Himmel ziehen derweil tatsaechlich Wolken auf, wir haben die Hoffnung auf Regen, und es troepfelt dann auch ein wenig, aber das wars auch schon.
Nach der Tempelbesichtigung fahren wir mit der Metro nach Hauz Khas, das Abendessen ruft. Eine sehr nette Inderin gibt uns Instruktionen, wie wir zum gewuenschten Restaurant kommen, und so quetschen wir uns zu viert in eine Rikscha und fahren 4 km nach Hauz Khas Village. Das scheint eine recht noble Gegend zu sein, es gibt huebsche Restaurants, Parkwaechter, Kunstgalerien, Laeden mit teueren Saris, ... In einem suedindischen Lokal kehren wir ein, das Essen ist hinreissend lecker, es gibt Lassis und fernrohrgrosse Dosas, und alles in geschmackvollem Ambiente und fuer 3,50 Euro pro Person.
Fuer den Rueckweg muesen wir kraeftig handeln und finden schliesslich eine Autorikscha, in die wir uns zu viert quetschen  und 20 min. nach Saket fahren. Ein wenig muessen wir (mit Unterstuetzung einer Inderin am Strassenrand) den Fahrer noch "nachjustieren", weil er uns an einer falschen Haltestelle rausschmeissen will, aber schliesslich ist es geschafft, und wir kommen mit Plattfuessen gegen 22 Uhr im Hotel an.
Dort losen wir die Duschreihenfolge aus, packen, vernichten die Rum-/Saftvorraete und gehen gegen Mitternacht ins Bett.

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