26.9.11

Von Elefanten, Göttern und einem Bodyguard (16.09.2011)

Beim nächtlichen Klogang stelle ich fest, dass die vier Angestellten des Hotels einfach auf dem Flur schlafen, und offenbar auch dort leben, denn die sind 24 h täglich da und auch immer "betriebsbereit". Arme Seelen. An unserer Zimmertür steckt morgens eine Zeitung, wir bekommen Frühstück auf's Zimmer serviert (Omelett und Toast ohne Rinde - war wahrscheinlich angeschimmelt, wie Nitschi vermutet) in Ermangelung eines Speisesaals, gegen den immerwährenden muffigen Geruch wird ab sofort mit Räucherstäbchen angegangen, alles Textilien sind leicht klamm. Naja, das Bad ist sauber, immerhin.
Gegen 10 Uhr brechen wir auf, nett verabschiedet vom jungen Wachmann, der den lieben langen Tag und auch nachts aufpasst, dass kein Fremder das Hotel betritt. Als wir an ihm vorbeigehen, stelle ich mit Entsetzen fest, dass sich die Schuhe des Mannes komplett auflösen, er aber offenbar selbst die 5 Euro, die hier ein neues Paar kostet, nicht hat. Wir beschließen, ihm bei unserer Abreise irgendein Geschenk zu geben.
Mit dem Taxi fahren wir zum Colaba Market, leider besteht der nur aus Gemüse- und Obstständen auf der Straße, zwischendrin gibt's den einen oder anderen (ungekühlten) geruchsintensiven Fischstand und den üblichen Mief. Ich bin heute sehr geruchsempfindlich, weil mir ein wenig übel ist, und daher ist das alles überhaupt keine gute Idee. Immerhin finden wir in einem Sarigeschäft in einer Gasse endlich Lungis, die Nitschi einer Freundin mitbringen möchte, und die seit Anbeginn der Reise gesucht werden - bisher erfolglos, obwohl jeder zweite Mann auf der Straße hier einen trägt.
Dann verschwinden wir von dort und gehen zu Fuß zum Meer, spazieren an der dreckigen Brühe entlang, passieren das wunderschöne Taj Palace Hotel, das seit den Anschlägen 2008 außen abgesichert ist wie eine Festung, mit Polizei, Securitys, Durchleuchtungsapparten,... Auch der Platz rund um das Gateway of India ist hermetisch abgeriegelt, beim schmalen Eingang werden die Taschen durchsucht. Die Straßenhändler davor verkaufen sensationellen Blödsinn, nämlich etwa 1,50 m große Riesenluftballons, und können so gar nicht verstehen, warum wir die nicht sofort kaufen wollen.
Wir leisten uns ein "Deluxe Boat Ticket" für stolze 130 Rupien (gut 2 Euro) nach Elephanta Island, denn unsere Reiseführer behauptet in einem Nebensatz, dass damit eine Führung vor Ort inklusive sei. Da dieses Ticket nur läppische 50 Cent mehr kostet als das reguläre, glauben wir das einfach mal. Das Boot ist nicht besonders "deluxe", das Wasser spritzt die ganze Zeit rein, wenigstens sitzen wir im überdachten Unterdeck, denn zwischendurch regnet es mal kurz und heftig. Die Fahrt auf dem sehr unruhigen Wasser dauert etwa 1 Stunde, ich bin knapp vor der Seekrankheit, als wir - wieder bei Sonnenschein und Hitze und hoher Luftfeuchtigkeit - auf der Mumbai vorgelagerten Insel ankommen.
Der 20minütig Weg bis zum Eingang ist gesäumt von zahllosen Verkaufsständen, wo man allen möglichen (Glitzer-)Schnickschnack erstehen kann. Bei hübschen kleinen Döschen und Spiegelchen werden wir schwach, nehmen aber wenigstens Abstand davon, uns in einer Sänfte (= ein Holzstuhl, an dem vier Stangen befestigt wurden) die Stufen zum Eingang hinauftragen zu lassen. Als wir oben ankommen, sind wir total nassgeschwitzt. Luftfeuchtigkeit ist ein Arschloch!
Auf unsere Nachfrage nach der ominösen Führung werden wir an einen älteren Herrn verwiesen, der uns dann etwa eine halbe Stunde durch den Haupttempel führt, sehr viel (und leider etwas unverständlich) spricht und überhaupt ein wirklich schräger Vogel ist. Unter anderem müssen wir wie bei einem Quiz Fragen beantworten, er macht die ganze Zeit seltsame Witze, ohne auch nur eine Miene zu verziehen, und lässt uns am Ende einfach mit dem Hinweis stehen, wir sollten selbstständig noch ein wenig herumwandern und alles in Ruhe anschauen. Nun gut, die vielen Darstellungen Shivas und Parvatis, die in die Felshöhlen gehauen sind, sind wirklich wunderschön. Am beeindruckendsten in der sog. "Trimurti", ein dreiköpfiger Shiva, viele Meter hoch. Wir sind begeistert, dass gerade die Darstellung Shivas als Zerstörer mit Schnurrbar dargestellt ist. Immerzu diese Schnurrbärte in Indien, was haben die nur damit?
Die kleineren Tempel drumherum sind nicht mehr ganz so spektakulär, die Luft riecht nach Fledermauskot und ist ein wenig abgestanden. Auf den Wegen draußen tollen Unmengen Affen herum, von denen einige recht krank ausschauen - wir versuchen, die Viecher nicht direkt anzugucken, um sie nicht zu provozieren, und halten unsere Getränke gut in den Taschen versteckt - die können nämlich ziemlich aggressiv werden.
Bevor wir uns auf den Rückweg machen, gibt's einen kurzen Zwischenstop in einer Bar, mit viel kaltem Wasser und Schokomilch. Dann shoppt Nitschi noch herrliche Kitschbilder von Hindugöttern, die so eine Art Kippeffekt haben, und wir machen uns auf den Weg zur Bootsanlegestelle.
Die Boote fahren hier quasi im Minutentakt ein und aus, und um kurz nach 14 Uhr legen auch wir ab - allerdings nicht, bevor ein anderes Boot seine Passagiere durch unser Boot aussteigen lässt. So ganz klappt das mit dem Anlegen nämlich nicht. Die Wellen schaukeln ganz schön hin und her, aber die sehr beeindruckende Skyline Mumbais entlang der Küste entschädigt dafür. Gegen halb vier legen wir - nach diversen "Umparkmanövern" - wieder am Gateway an, und weil wir Hunger (!) haben (!), machen wir uns schnellstens ins etwa 10 Minuten entfernte Café "Basilico" auf. Das ist ein sehr hippes Lokal, das fast vergessen lässt, dass man sich in Indien befindet. Die Kürbisravioli mit Käsesauce von Nitschi sind ein Traum, mein Couscous mit Gemüse ist sehr lecker, und Mara wagt sich sogar an einen Salat! Zum Abschluss können wir den Torten nicht widerstehen, natürlich mit Cappucchino. Ein bisserl schämen wir uns, als die Rechnung kommt, liegt doch der Preis um ein Vielfaches höher als man sonst in Indien beim Essen ausgibt. Egal, das war's wert.
Entlag des Colaba Causeways schlendern wir langsam Richtung Bahnhof, probieren Schuhe, feilschen um Schals, und begucken die Kolonialgebäude, die wir passieren. Wir finden ein CD-/DVD-Geschäft, in dem ich ein wenig meine Bollywood-Sammlung aufpeppe, und als wir wieder auf der Straße stehen und auf die Uhr schauen, beschließen wir, zur nächsten Vorstellung ins nächstgelegene Kino mit dem vielversprechenden Namen "Eros" zu eilen, um uns den aktuellen und vielbeworbenen Bollywood-Blockbuster "Bodyguard" anzuschauen.
Der Kartenverkäufer freut sich sehr, als er uns bedient, weist aber noch besorgt darauf hin, dass der Film doch nur in Hindi sei, das ist uns aber herzlich egal. Exakt pünktlich eine Minute nach Filmbeginn nehmen wir unsere Plätze im leider um 18:45 Uhr fast leeren Kinosaal ein. Sogleich stopfen wir uns das allzeit verfügbare Klopapier in die Ohren, es ist unerträglich laut. Egal, der Film ist so grottenschlecht und mit blöder Handlung, dass wir tatsächlich auch ohne Übersetzung relativ problemlos folgen können. Am besten sind immer noch die Tanzszenen, aber z.B. die Actionszenen sind einfach nur zum Lachen. Daher amüsieren wir uns auch wirklich gut, und übernehmen sogleich ein paar der übertriebenen Gesten des Hauptdarstellers. Nach gut zwei Stunden ist der Spaß dann auch schon vorbei.
Unten im Kinofoyer steht ein riesiger Pappaufsteller des "Bodyguards" Salman Khan. Mara und ich stellen uns daneben, Nitschi soll uns fotografieren. Sogleich schreitet der Wachmann ein, Fotografieren ist hier drin natürlich nicht erlaubt, aber die herumlungernden Angestellten sind herrlich amüsiert über unsere vermeintliche Leidenschaft fü den Hauptdarsteller (dem Inder ist Ironie fremd) und überreden den Uniformierten, kurz ein Auge zuzudrücken. Na also.
Beim Rückweg kehren wir im Café Universal ein, eine Traube Jungs hängt von außen an dessen Fenstern, aha, im Fernsehen drinnen wird gerade ein Cricketspiel übertragen, dauss auch die indischen Gäste an den Tischen zu unvermuteten Begeisterungsstürmen hinreißt. Die Mädels bestellen Cocktails und Burger, ich bleibe bei Saft und Nudelsuppe, nach dem ganzen Seegang heute will ich nichts riskieren. Die Bar ist wirklich ganz gemütlich, nur der Kellner ist mal wieder "echt indisch" und bringt unaufgefordert die Rechnung, als wir ausgetrunken haben. Na gut, dann gehen wir halt die paar Häuser weiter zurück ins Hotel und ins Bett, es ist eh schon halb zwölf.
Drinnen müssen wir allerdings erst wieder mit Räucherstäbchen den Mief ausräuchern, die Kissen sind klamm, die Bücher wellen sich - der Reiseführer hat das Hotel deutlich hübscher beschrieben, als es in Wirklichkeit ist. Aber diese Dauerfeuchtigkeit und Schwüle zermürbt wahrscheinlich früher oder später jedes Mauerwerk, viele Häuser haben schwarzen Schimmel (von uns liebevoll "Patina" genannt) an den Außenwänden.

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