28.6.15

Olympiapark und Shoppingtour

Nun liegt schon der dritte Tag in Peking hinter uns, die Tage vergehen hier so schnell, da es so viel zu sehen und zu tun gibt und allein die Bewältigung der großen Distanzen so viel Zeit in Anspruch nimmt. Titus ist jedenfalls abends total erledigt, er schleicht schon ab 21 Uhr immer um das Bett herum und ist sichtlich erleichtert, wenn er dann endlich schlafen gehen darf. Dabei versuchen wir doch eigentlich, ihn so spät wie möglich ins Bett zu schicken, damit er durch die Zeitumstellung zuhause nicht plötzlich mitten in der Nacht aufstehen möchte.

Heute haben wir alle drei so lange geschlafen wie schon ewig nicht mehr, erst um kurz vor neun werden wir von de steigenden Temperaturen im Zimmer geweckt. Bald sitzen wir beim Frühstück, wo Titus mit Genuss sämtliche Früchte von unseren Tellern klaut und Kirschen, Blaubeeren, Birnen und Bananen verputzt - er ist ein begeisterter Obstesser! Zum Glück blieben wir alle bislang (toi-toi-toi!) von jeglichen größeren Magenbeschwerden verschont, obwohl unsere Speisen nicht immer gekocht oder geschält waren.

Als wir gegen 11 Uhr das so schön klimatisierte Hotel verlassen, schlägt uns draußen ein feucht-heißer Dunst entgegen. Heute ist die Sonne durch den Dunst zumindest zu erahnen, da ein wenig Schatten auf den Straßen zu erkennen ist.
Die U-Bahn bringt uns über viele, viele Stationen und mit mehrfachen Umstiegen (die Wegstrecken, die dabei zu bewältigen sind, grenzen an mittlere Wanderungen) zum Pekinger Olympiapark. In der Metro schafft Titus es, einen ganzen Wagen voller Ausflügler-Familien zu unterhalten, jeder passt mit auf, dass er bei den Bremsmanöver nicht umfällt, ein Mädchen drückt ihm einen Papierflieger in die Hand, den er zu großen Freude der Fahrgäste dann hundertmal quer durch den Wagon wirft, und alle sammeln das Fluggerät geduldig wieder ein und geben es ihm zurück. Als wir aussteigen, winken uns alle freundlich hinterher.

Als wir die Oberfläche erreichen, sind wir erst einmal sprachlos. Von der sicherlich großartigen, modernen Architektur der 2008 neugestalteten Sport- und Erholungsstätte vor der Kulisse der Pekinger Wolkenkratzer ist wegen des dichten Dunstes kaum etwas zu erkennen, die Sichtweite liegt bei etwa 50 Metern. Das hält aber Horden von Chinesen nicht ab, heute am Sonntag auch einen Familienausflug dorthin zu unternehmen, die sich auch durch die drückende Hitze nicht abschrecken lassen. Wir spazieren vorbei am Nationalstadion (bird's nest) und der Schwimmhalle vorbei und machen Pause an einer der vielen überdachten Sitzgelegenheiten, wo Titus stolz herumläuft und sich wieder einmal wildfremden Menschen an den Hals wirft und verlangt, dass man ihm die Hand reicht und mit ihm spazierengeht.

Bald haben wir genug gesehen, wir suchen das große Einkaufszentrum auf, das mitten auf dem Gelände steht. Dort die große Überraschung, denn hier haben sich Tausende von Pekingern eingefunden, um mit ihren Familien zu shoppen und vor allem eines der unzähligen Lokale aufzusuchen. Vor jedem Restaurant warten Trauben von Menschen auf einen Sitzplatz, lauthals quakend werden über Lautsprecher Wartenummern ausgerufen, in den Geschäften wuselt es nur so - Titus hängt nur noch stoisch in seinem Kinderwagen, Norman lässt sich über die irren Chinesen aus und ich bin wie erschlagen. Endlich finden wir ein etwas ruhigeres Café, essen eine Kleinigkeit und verabschieden uns dann nach einem ebenso verstörenden Abstecher zum Indoor-Spielplatz im Erdgeschoss schnell wieder Richtung U-Bahn.

Um Titus sein Mittagsschläfchen zu ermöglichen und ihn ein wenig von den ständig fotografierenden Menschen fernzuhalten, verhängen wir seinen Kinderwagen, und er schläft auch gleich ein und lässt sich auch nicht von den lauten Durchsagen in der U-Bahn oder den Umstiegen stören. Bei den älteren U-Bahn-Linien gibt es leider nicht immer Rolltreppen, so dass wir doch recht oft den Kinderwagen treppauf und treppab tragen müssen.

Wir wollen ein bisschen shoppen gehen, deshalb suchen wir den sogenannten Silk Market auf - eine riesige, mehrstöckige Shoppingmall mit hunderten von kleinen Geschäften, die allesamt ausschließlich "Fake Produkte", also Fälschungen, anbieten. Staunend arbeiten wir uns durch die vielen Etagen, von edlen Handtaschen über DVD-Serienboxen, Iphones, maßgeschneiderten Anzügen, Designerschuhen und -klamotten bis hin zu Sonnenbrillen, Seidenstoffen und Spielsachen gibt es hier alles, was das Schnäppchenjägerherz begehrt.
Noch wollen wir gar nicht richtig zuschlagen, wir sind in zwei Wochen ja nochmal für ein paar Tage in Peking und wollen erst dann alle Einkäufe erledigen, aber immerhin erstehen wir ein paar Shirts für Norman, einen schicken Anzug für Titus und eine neue Speicherkarte für unsere Kamera. Wie immer überlässt Norman mir das Handeln, das stets recht zäh vor sich geht und einer genau einzuhaltenden Choreographie folgt (Händler tippt unverschämten Preis in Taschenrechner ein, großes Entsetzen bei mir, Gegenangebot mindestens 80% darunter, großes Entsetzen beim Händler, dann längeres Hin und Her, schließich Verlassen des Geschäftes, um dann vom Händler zurückgerufen zu werden, schließlich: Einigung). Puh, das ist anstrengend, und ich muss mich erst einmal warmlaufen, kann die knallharte Verhandlungsmethode aber ganz gut, ganz im Gegensatz zu Norman, der immer viel zu schnell nachgibt. So spielen wir also die "good cop, bad cop"-Nummer, das klappt meistens ganz gut.

Nach fast zwei Stunden haben wir genug gesehen, und wir machen uns auf den Rückweg ins Hotel. Dort verziehe ich mich wieder mal für ein Stündchen auf die Dachterrasse und schreibe, danach folgt eine ausgiebige Spielrunde mit Titus, bevor es schon wieder Zeit für's Abendessen ist. Heute haben wir keine Lust auf Experimente, wir suchen ein Lokal auf, an dem wir schon einige Male vorbeigelaufen sind, da es nur wenige Meter vom Hotel entfernt liegt Eine englische Speisekarte gibt es, das ist schon die halbe Miete, auch wenn das Restaurant sich rühmt, russische Küche anzubieten. Titus kommt also mit Rote-Bete-Salat und Reis voll auf seine Kosten, nur ich stelle fest, dass in einer Portion Nudeln mit Tomatensauce (dem einzigen vermeintlich vegetarischen Gericht auf der mehrseitigen Speisekarte) undefinierbare Schinkenstreifen eingearbeitet sind. So richtig einfach ist es hier nicht, wirklich fleischfreie Kost zu bekommen! Also pule ich alles Unerwünschte beseite, und zumindest Titus schmecken die Nudeln ganz vorzüglich.

Auf dem Heimweg halten wir noch beim etwas schmuddelig aussehenden Imbiss und holen wieder zwei Bier zum unschlagbaren Preis von 10 Yuan, also umgerechnet 1,50 Euro, und wir machen uns einen gemütlichen Abend im Hotel. Titus ist so voller Bewegungsdrang, dass er noch ein Weilchen immerzu auf's Bett klettern, dort herumturnen, dann wieder hinunterklettern, eine Runde laufen, dann wieder raufklettern und hüpfen möchte, und so toben wir noch ein bisschen herum, bis der kleine Kerl wie schon eingangs erzählt, jäh ermattet ist.

Nun liegt morgen noch ein ganzer Tag in dieser verrückten Stadt vor uns, und dann geht es erst einmal weg aus der Großstadt Richtung Chinesische Mauer. Gut so, denn ein wenig Ruhe und vielleicht bessere Luft können wir dann sicherlich vertragen!

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