17.6.15

Rückkehr in die Zivilisation

Und tatsächlich habe ich es geschafft, um 1:30 Uhr heute nacht stand ich vor unserer Jurte und konnte den spektakulären Sternenhimmel, dessen Anblick von keinerlei Lichtquellen beeinträchtigt wurde, bestaunen, während um mich herum absolute Ruhe herrschte.
Wie immer an Abreisetagen schläft Titus wie ein kleines mongolisches Murmeltier bis 8 Uhr, so dass wir heute erst spät zum Frühstück erscheinen. Den Vormittag verbringen wir mit Packen, in der Sonne sitzen, sich mit Erde vollsauen (--> Titus) und in der Bibliothek sämtliche Schachfiguren zu verstecken (--> Titus), bis der Gong zum Mittagessen ruft. Erfolgreich konnten wir den kleinen Kerl von seinem Vormittagsschläfchen abhalten, damit er schön brav im Auto schläft. Der Plan geht auch ganz gut auf, schon beim Essen ist er so müde, dass er mit seinem Nachtischkeks in der Hand fast auf dem Stühlchen wegdämmert. Also schnell die Jurte ausgeräumt, ein letzter Blick unter alle Betten geworfen, und dann folgt natürlich noch der Abschied von den ganzen Angestellten des Camps, von denen jede Titus noch einmal ein Küsschen geben und ihn auf dem Arm halten will.

Wir steigen in einen Jeep, unser Fahrer hat sogar wieder einen Kindersitz organisiert, und Titus fallen schon nach fünf Minuten Fahrt die Augen zu. Leider ist die Strecke über die ausgewaschenen Feldwege so holprig, dass er hin- und hergeworfen wird und nicht richtig schlafen kann, das macht ihn nach einer Weile ziemlich wütend. Ich erbarme mich, hole ihn aus dem Sitz, und auf meinem Schoß schläft er dann durchgerüttelt, bis wir nach gut 1 1/2 Stunden die geteerte Schnellstraße erreichen und ich ihn wieder im Kindersitz verstauen kann. Das müssen wir ihm zuhause dringend wieder abgewöhnen.
Leider verpasst der kleine Mann, wie wir Herde um Herde von Pferde und Kühen passieren, die hier in der Mongolei alle frei, d.h. ohne Zäune gehalten werden. Angeblich wissen die Besitzer immer genau, wo sich ihre Herde befindet, und die Tiere kommen auch regelmäßig wieder von alleine zurück.
Immer mal wieder steht eine halbe Schafherde oder ein Kälbchen mitten auf dem Weg, aber unser Fahrer lässt sich davon nicht erschüttern und fährt gekonnt drumherum. Trotz zügigen Fahrens schafft er trotzdem nur etwa 30-40 km/h.

Deshalb sind wir alle froh, als wir die Teerstraße erreichen. Immer dichter wird der Verkehr, je näher wir Ulan Bator kommen, immer größer werden die Häuser- und Jurtenansammlungen am Straßenrand. Nach einer Woche in der Abgeschiedenheit kommt es mir der Anblick der von Wellblechzäunen eingesperrten Jurten noch trauriger vor, die passen in die freie Natur viel besser als hier direkt in den Straßenstaub. Am Wegrand verkaufen Straßenhändler büschelweise Frühlingszwiebeln und Bärlauch, den gibt es hier wohl massenhaft.

Endlich sehen wir vor uns die Hauptstadt mit ihren unzähligen Baustellen, Kränen und halbfertigen Hochhäusern; Ulan Bator boomt ganz offensichtlich! Nach etwa 3stündiger Fahrt stehen wir wieder vor dem Hotel Bayangol, Titus wird vom Türsteher namentlich begrüßt, und wir beziehen ein Zimmer im 10. Stock. Norman macht sich gleich auf den Weg zur Wäscherei um die Ecke, damit unsere Klamotten bis zur Abfahrt morgen früh fertig sind, Titus räumt derweil das Hotelzimmer um und ich schaue mal im Internet nach dem rechten.

Als wir gegen 18 Uhr das Hotel verlassen, hat es draußen sicherlich fast 30 Grad, der Hochsommer ist da, und auf den Straßen und Gehwegen ist gleichermaßen viel los. Titus sitzt in seinem Kinderwagen und ist bestimmt etwas erstaunt über den ganzen Verkehrslärm um ihn herum. Wir schlängeln uns durch Menschenmassen bis hin zum großen State Department Store, wo wir Postkarten, Windeln und Bananen erstehen, um für die kommenden Tage gerüstet zu sein. Anschließend finden wir endlich das vegane Restaurant "Luna Blanca", und kehren dort ein. Die Bedienungen betonen alle mehrfach, sehr kinderfreundlich zu sein, schleppen Kinderstuhl und ein Kindermenü für Titus an, und so genießen wir das feine Essen.
Beim Spaziergang zurück im Hotel entdeckt Norman an einer vielbefahrenen Straße die Hauptpost, und ich erstehe dort abends um kurz vor 21 Uhr bei einer ausgezeichnet Englisch sprechenden Angestellten noch Briefmarken - das nenne ich Service!

Nun verbringen wir also eine Nacht im Hotel, morgen früh geht es mit Jeep und Fahrer auf eine 6tägige Rundfahrt durch von uns noch unentdeckte mongolische Landschaft, auch wenn wir uns gerade nicht mehr genau erinnern können, wohin genau die Tour uns führen wird...

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