17.6.15

Rückblick auf den Yak-Trek

Nun muss ich ein wenig schmunzeln, wenn ich den ersten Blogeintrag lese; die Nächte waren nämlich seeeehr unangenehm und ich habe mich, wenn ich schlaflos, frierend und immer in Sorge um Titus dalag und auf den Sonnenaufgang gewartet habe, mal wieder verflucht, dass ich immer wieder solche Unternehmungen mache, wo doch ein warmes Hotelzimmer auch sehr schön ist!
Nachts kühlte es nämlich, sobald die Sonne gegen 22 Uhr untergegangen ist, schlagartig ab, meistens um die Nullgradgrenze, in der ersten Nacht regnete und stürmte es zu allem Übel auch noch die ganze Nacht durch. Wir kontrollierten beinahe stündlich Titus Temperatur an Kopf, Ärmchen und Beinchen, packten ihn mit Mütze, Merinopulli, dicken Socken in den Schlafsack, deckten ihn, der auf seinem Feldbett zwischen uns lag, zusätzlich mit zwei weiteren Decken zu und versuchten dann selbst, einigermaßen warm zu werden und ein bisschen Schlaf zu finden. Doch in den frühen Morgenstunden, in denen es am kältesten ist, holte dann doch einer von uns das kleine Frostbeulchen zu sich unter die Decke auf das schmale Feldbett, und so dösten wir dann bis 7 Uhr weiter. Sobald die ersten Sonnenstrahlen auf das Zelt trafen, wärmte sich die Luft schlagartig auf, und so war das Aufstehen dann auch gar nicht mehr so schlimm.
Titus schlief seltsamerweise in diesen vier Nächten so gut wie sonst selten, keinen Mucks gab er von sich, Norman mutmaßt seitdem, dass Titus schlicht und ergreifend tiefgekühlt war und sich gar nicht melden konnte...

Nach dem Aufstehen zogen wir uns erst einmal warm an und marschierten zum Frühstück, das wir in den ersten beiden Tagen in der warmen Jurte einnehmen durften. Tuuvshin, die Köchin, zog alle Register, kochte Milchreis oder Griesbrei, machte Omeletts, es gab Joghurt, Müsli, Toast, Marmelade, frisches Gemüse, Käse, und natürlich viel heißes Wasser für Tee und Kaffee.
Am ersten Tag packen wir direkt im Anschluss daran alles ein, die Zelte wurden abgebaut und wir mussten mit Hand anlegen, als alle gemeinsam die Jurte zusammenbauten. Das ging erstaunlich schnell vor sich, obwohl dieses "Hauszelt" so massiv wirkt! Anschließend wurde sämtliches Gepäck auf die drei bereitstehenden Karren geladen. Die Crew musste mit dem Abmarsch noch warten, denn über Nacht war eines der drei Yaks abhanden gekommen, und so machte sich der mongolische Yak-Hüter Ulaana zu Pferd erst einmal auf die Suche nach dem Ausreißer.
Wir marschierten im Sturmwind aber schon einmal los, vor uns lag eine gut vierstündige Wanderung, die uns hoch hinauf auf einen der Hügel führte. 

Auf den Wiesen blühte überall der mongolische Enzian, und beim Gehen musste man sehr gut darauf achten, nicht in eines der riesigen Murmeltierlöcher zu fallen, die überall im Erdboden verteilt waren. Auch der mongolische Maulwurf scheint größer zu sein als der unsrige, zumindest die Maulwurfhügel nehmen gigantische Ausmaße an! Titus verschlief von dieser Wanderung mal wieder den größten Teil auf meinem Rücken, nur zur Mittagspause, zu der wir in ein kleines, windgeschütztes Waldstück einbogen und unsere Lunchboxen auspackten, nutzte er, um ein bisschen herumzukrabbeln. Endlich, endlich erspähten wir nach schier endlosem Auf und Ab unten im Tal an einer Flußbiegung die Jurte und unsere Zelte, und pünktlich zur Kaffeestunde um 16 Uhr erreichten wir den Lagerplatz. Wir durften uns in der Jurte ein wenig aufwärmen und bezogen dann unser Tipi, richteten uns ein, indem wir eine Wäscheleine spannten und dort das Nötigste griffbereit aufhängten sowie die Stirnlampe auspackten. Tamir, unser Guide, fragte uns, ob wir Lust auf eine Dusche hätten, das warme Wasser dafür stände bereit. Also stand ich kurz darauf in einem kleinen Zeltverschlag ohne Dach und Boden, mit einer Art Kanister, der über eine Pumpe das darin enthaltene Wasser in einen kleinen Duschkopf leitete. Die Wäsche war herrlich - allerdings schlug in dem anhaltenden starken Wind immerzu eine Zeltwand auf mich ein und ich musste die ganze Zeit aufpassen, dass sich nicht der Klettverschluss an der Tür löste...
In dieser Nacht flaute der Wind ein wenig ab, und dank einer heißen Wärmflasche im Bett (danke für den Tipp, Mama!) war es auch einigermaßen auszuhalten.

Am nächsten Morgen war es nicht mehr ganz so frostig draußen. Trotzdem mussten wir immer die warme Jacke anbehalten, denn während der Windböen wurde es empfindlich kalt, durch sie wurden immerzu Wolken über den Himmel getrieben, brrrr!
Um uns aufzuwärmen, stand bei der Wanderung an diesem Tag ein steiler Aufstieg bevor, hoch hinauf ging es zu markanten Felsgipfeln. Die Crew, die Zelte und die Tiere blieben im Lager, dort sollten wir für eine weitere Nacht bleiben. Nach fast zwei Stunden Marsch und kurzen Rast machten wir uns an die letzten 100 Höhenmeter des Anstiegs, und Titus wurde kurzerhand von Guide Tamir auf den Arm genommen, der mit ihm das letzten Stück hinaufrannte. Oben hatte man einen herrlichen Blick über weite Flusstäler, Hügelketten und immer noch mehr Grassteppe und Waldstücke, und an einem windgeschützten Fleckchen auf warmen Steinen ließ es sich gut aushalten. Titus verspeiste entgegen unserer Erwartung mit großem Appetit die morgens von der Köchin frisch zubereiteten Piroschki (Teigtaschen mit Gemüsefüllung) und spazierte dann fröhlich an den Steinbrocken entlang, hantierte mit den Teebechern und Stöckchen herum und war bis zum Aufbruch ganz mit sich selbst beschäftigt.



 Der Abstieg war dann auch deutlich wenig anstrengend als der Aufstieg. Unten im Tal hatte sich nun der Wind gelegt und hatte einen strahlend blauen Himmel zurückgelassen, so dass die Temperatur schlagartig anstieg und wir schwitzend die letzten 5 Kilometer zum Camp zurücklegten. Der einheimische Führer Ganaa war mit seinem Pferd mitgeritten und bot nun eindringlich Norman, der Titus auf dem Rücken hatte, an, doch ein bisschen auf das Pferd zu sitzen und sich auszuruhen. Gesagt, getan, und bald ritten die beiden am Zügel geführt von Ganaa vorneweg.
 

Titus behagte das Gewackel dort oben auf dem Sattel aber gar nicht, bald protestierte er lautstark, und so ging es dann doch zu Fuß weiter durch das Flußtal. Wir waren ganz schön erledigt, als wir am Nachmittag endlich bei den Zelten anlangten.
Titus wollte natürlich sofort wieder stundenlange Spaziergänge zu den Yaks, zum Pferd, oder einfach im Kreis herum unternehmen - an einer Hand gehalten läuft er schon ganz wunderbar und flink, und freut sich über jeden, der mit ihm unterwegs ist. Dank der lieben Crew fand sich da zum Glück auch immer jemand, das Kind verschwand manchmal fast stundenlang und wurde geherzt, geküsst, herumgetragen und bespielt.


 Und auch unsere beiden amerikanischen Mitreisenden sagten am zweiten Abend, wie sehr sie es genießen würden, dass ein Kind dabei sei, das würde die Stimmung doch sehr heben und es wäre so nett, wie sehr sich alle um Titus kümmerten. Das freute mich besonders, denn ich war besorgt, dass wir Mitreisenden ohne Kinder vielleicht auf die Nerven gehen würden, falls Titus nachts weint oder tagsüber unleidlich sein sollte - offenbar ganz grundlos!

An diesem Abend wurden wir nach dem wieder einmal vorzüglichen Essen gebeten, noch in der Jurte zu bleiben. Dort spielten die Mongolen eifrig Karten, und währenddessen durften wir ihnen Fragen stellen, um alles über das mongolische Nomadenleben zu erfahren. Sie erzählten uns von Temperaturen im Winter unter 30 Grad Minus, von Winterlagern für die Tiere, von Fernsehern, Waschmaschinen und Kühlschränken in den Jurten, vom Klimawandel, von Handyempfang und ihrer Ernährung (meist nur Fleisch, Brot und Milchprodukte, alles selbst hergestellt), vom Kaufpreis einer Jurte,...
Auf die Frage, was denn am Nomadenleben am schönsten sei, antwortete Tumuruu, der junge Yaktreiber und Ranger im Nationalpark, der als Familienvater einer zweijährigen Tochter immer besonders liebevoll mit Titus spielte, dass es für ihn ein Geschenk sei, in dieser unberührten Natur zu leben, wo im Vergleich zur hektischen Stadt so viel Ruhe herrsche, und dass er dafür gerne das anstregende Leben in Kauf nehme.


Beim Zähneputzen im letzten Sonnenlicht des Tages war es fast noch warm, und ich hoffte auf eine einigermaßen gute Nacht, doch leider fielen die Temperaturen unter den Nullpunkt, Raureif lag auf den Zelten, und meine Füße waren die ganze Nacht über eiskalt, ebenso wie Titus' Hände.

So war ich am Morgen des vierten Tages ganz schön zermürbt, als es wieder ans Einpacken, Abbau der Jurte und Beladen der Karren ging, denn wir wechselten weiter zum nächsten Zeltplatz. Diesmal marschierten wir alle im strahlenden Sonnenschein bei tiefblauem Himmel gemeinsam los, vor uns die erstaunlich schnell laufenden Yaks mit den hoch beladenen Wagen, auf denen obenauf die Mannschaft thronte, dahinter Ganaa auf dem Pferd, und zum Schluss wir Wanderer. Die Mongolen sangen wunderschöne Weisen, während wir versuchten, Schritt zu halten. Bald durften wir aber allesamt auch auf die Karren aufsteigen, und von den Yaks gezogen durchquerten wir so mehrere Bäche und Flüsse trockenen Fußes. Titus verschlief auf meinen Rücken geschnallt auch dieses Abenteuer und wurde erst wieder wach, als wir zur Mittagszeit unser letztes Lager am Flussufer aufschlugen. 

Zum Glück war die Wanderung für diesen Tag beendet, denn inzwischen war es richtig heiß geworden. Also setzte ich mich micht Titus erst einmal ans Ufer, dort warf der kleine Nomade stundenlang Stein um Stein ins Wasser und war selig, während alle anderen gemeinsam die Jurte aufbauten.
Als das geschafft war, wurde eines der Yaks wieder vor einen Karren gespannt, wir wollten eine Nomadenfamilie besuchen, die sich in einer Jurte ein paar Kilometer entfernt aufhielt. Bequemerweise durften wir wieder auf den Wagen aufsitzen, inzwischen hatte es sicherlich gut 28 Grad, und da unten im Flusstal kaum Bäume wachsen, war weit und breit kein Schatten in Sicht. Leider hatte auch das Yak keine Lust auf eine solche Anstrengung und verweigerte bereits nach einem Kilometer seine Dienste, also mussten wir doch zu Fuß weitergehen, während der Yaktreiber zurück zum Camp lief, um ein anderes Tier zu holen. Titus wurde abwechselnd getragen, während Norman den Regenschirm als Sonnenschutz über ihn hielt, denn trotz Sonnencreme und -hut war das einfach jetzt schon viel zu viel Sonne für den kleinen Mann...

Endlich erreichten wir die von einem Holzzaun umgebene Jurte, dort erwartete uns schon die Hausherrin mitsamt ihrer Schwiegertochter und den vier Enkelkindern, das kleinste davon gerade einmal ein halbes Jahr alt. Neben der Jurte weideten auf freier Fläche die vielen Pferde der Familie, in einem umzäunten Bereich standen Kälbchen, Schafe und Ziegen, von schläfrig in der Sonne liegenden Hunden bewacht. Wir wurden in die Jurte gebeten und bekamen monglischen Milchtee, selbstgemachten Joghurt und Kekse angeboten. Titus konnte nicht einmal abwarten, bis er an der Reihe war, sondern schnappte sich bei erster Gelegenheit einen Keks vom Tisch und belustigte damit die Bewohner. Die Oma holte daraufhin ein Schälchen mit frischer Milch, das sie ihm anbot und dass Titus bis auf den letzten Tropfen ausschleckte. 


Um nicht allzu lange zu stören, machten wir uns bald auf den Rückweg, wieder auf dem Karren sitzend, denn inzwischen war das Ersatz-Yak angekommen. Durch die Hitze schläfrig geworden, schlummerte Titus tief und fest, als wir wieder in unserem Camp ankamen. Dort wurde ich sofort in die Küchenjurte gewunken, und durfte Titus auf den dort ausgebreiteten Matten ablegen.

So hatten Norman und ich ein bisschen "Freizeit", und setzten uns mit Buch und Kaffee ans Flussufer. Weil das Wetter so sommerlich war, wagte ich sogar ein Bad im eisig kalten Fluss, doch nach einmal Untertauchen hatte ich genug Erfrischung, während die mongolischen Helfer um uns herum fröhlich badeten und die Amerikanerin Marie sich sogar die Haare wusch.
Immer wieder äugten wir in die Jurte, um nach Titus zu sehen, doch der schlief selig und kullerte immer näher an den Yaktreiber Tumuruu heran, der dort herumlag, bis er irgendwann halb auf ihn draufgekuschelt aufwachte und ziemlich verwirrt dreinschaute.
Bald war es Zeit für das letzten Abendessen, das wieder einmal wirklich ziemlich gut und sehr kindertauglich war. Zum Glück hat Titus eh ein großes Faible für Reis und Pasta in allen Variationen, so dass der Gurkensalat, die Gemüsesuppe und die Spaghetti wieder ganz nach seinem Geschmack waren. Erneut hatten wir uns ganz umsonst Sorgen wegen der Verpflegung des kleinen Mannes gemacht und haben die Haferflocken und Notfall-Brei-Rationen nicht benötigt.

Nachdem wir mit Rob und Marie noch E-Mail-Adressen ausgetauscht hatten, machten wir uns für die letzte Nacht im Zelt bereit. Wenigstens war es drinnen durch den Sonnenschein den ganzen Tag über ordentlich aufgeheizt, so dass diesmal das Bett zumindest aufgewärmt war, als wir uns dort verkrochen.

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