2.6.15

Eine lange Autofahrt

Es ist geschafft - nach nicht ganz 7 Stunden Autofahrt sind wir endlich in "Nikita's Homestead" auf Olkhon angekommen! Zwar ist Olkhon von Listwjanka aus nicht allzu weit entfernt, doch gibt es leider weder eine Uferstraße noch eine Schiffsverbindung... Statt des versprochenen Kleinbusses saßen wir zwar in einem Opel, zusammen mit dem Fahrer und dem Russen Oleg, eingepfercht mit Titus auf der Rückbank und natürlich ohne Kindersitz, doch war die mehr als 300 km lange Fahrt wider Erwarten gar nicht sooo anstrengend wie befürchtet.

Titus hat's natürlich mal wieder fertig gebracht, ausgerechnet heute, am Abreisetag, morgens mal wieder ewig zu schlafen, so dass wir ein bisschen fix mit dem Frühstück, Zimmer ausräumen und Verabschieden sein mussten. Der Abschied von Titus fiel Mascha, der Angestellten, sehr schwer, sie schleppte den kleinen Kerl die ganze Zeit über noch herum und drückte uns am Schluss noch einen Zettel mit ihrer Mailadresse in die Hand, mit der Bitte, ihr doch unbedingt ein paar nette Urlaubsfotos von Titus zu schicken. 


Um kurz nach 9 Uhr ging die Fahrt dann los, zuerst die etwa 70 km zurück nach Irkutsk, das ging recht schnell, obwohl wir unterwegs sogar noch bei einem Supermarkt anhielten, um mehr Joghurt, Buchweizen-Porridge und Birnen (die Grundversorgung für den Kleinen) zu kaufen, und Titus schlummerte sogar ein und verschlief die erste Hälfte der langen Reise komplett.
Nachdem wir Irkutsk hinter uns gelassen hatten, wurde der Verkehr deutlich weniger; statt der (Birken-)Wälder ringsum wurde es flach und kahl, überall grasten Pferde- und Kuhherden, wir passierten kleine Bauerndörfer, während die Landstraße in einem ewigen Auf und Ab die meiste Zeit geradeaus führte.

Um die Mittagszeit legten wir einen kurzen Toilettenstopp ein, fütterten den inzwischen aufgewachten Titus mit einer Banane ab, und weiter ging es wieder Richtung Baikalsee. Die Straße wurde zunehmend schlechter, irgendwann war dann nur noch eine harte Schotterpiste vor uns, auf der wir ordentlich durchgeschüttelt wurden. Unser Fahrer nahm immer mal wieder die Abkürzung direkt über den holprigen Feldweg daneben, und Titus, der bis dahin fröhlich und glücklich auf der Rückbank sitzend, stehend und herumkrabbelnd vor sich hin gespielt hatte, wurde auf einmal ganz blass und still und kuschelte sich fest an Norman. 


Die Landschaft draußen mit ihren kahlen, von gelben Grasbüscheln bedeckten Hügeln, auf denen wir immer mal wieder so eine Art russisches Murmeltier entdeckten, den mit Schneeresten bedeckten Gipfeln dahinter und dem aufziehenden schlechten Wetter mit Unmengen roten Sand aufwirbelnden Sturmböen  war recht beeindruckend. Dazu passten die alle paar Kilometer am Wegrand stehenden Stelen, die nach burjatischer Tradition mit Bändern umwickelt waren, die im Wind flatterten.

Gegen 14 Uhr erreichten wir endlich das Ende der Straße und damit den Fähranleger; leider konnten wir hier nicht aus dem Auto aussteigen, da ein Regenschauer eingesetzt hatte und der Wind draußen sehr ungemütlich war. Wir warteten also mit einer stetig wachsenden Zahl anderer Fahrzeuge auf die Fähre, und als sie endlich anlegte, schoss unser Fahrer draufgängerisch nach vorne, um sich einen Platz darauf zu sichern - zum Glück, denn sonst hätten wir sicher die nächste abwarten müssen.


Nach zehnminütiger Überfahrt auf der Insel angekommen, ging die immer wilder werdende Fahrt weiter, nun noch 35 km lang über reine Schotterpisten, bei denen wir Titus mit beiden Händen fest umklammert halten mussten, damit er nicht quer über den Rücksitz purzelte. Er fand alles aber immer noch lustig und war deutlich besser gelaunt, als wenn er festgezurrt im Kindersitz hätte ausharren müssen, und verschlief dann sogar die letzte halbe Stunde Fahrt noch fest an mich gekuschelt.


Endlich, um kurz vor 16 Uhr, fuhr unser Taxi auf dem Hof von "Nikita's Homestead" vor und wir checkten ein. Diese "Ferienanlage" besteht aus vielen kleineren und größeren Holzhäusern, mit Einzel- und Doppelzimmern, Schlafsälen, Cafés, Kantine, Aufenthaltsräumen, alles ein bisschen "alternativ" eingerichtet und sehr auf Backpacker ausgerichtet. Hier bezogen wir ein kleines Zimmerchen und erkundeten erst einmal die Umgebung. Leider ist das ganze Drumherum hier nicht so hübsch, wie wir erwartet hatten und wie es uns auch von verschiedenen Seiten berichtet wurde. Die gesamte Anlage hat zwar schon schöne Ecken und man sieht, dass hier gute Ideen umgesetzt werden, doch das meiste ist (noch?) nicht in Betrieb, befindet sich noch in Bau, und einige Stellen haben eher Hinterhof- oder Sperrmüllatmosphäre. Ein bisschen schieben wir es darauf, dass hier erst in gut einem Monat der Saisonbetrieb losgeht, deshalb sind außer uns momentan auch nur eine Handvoll anderer Gäste auf dem Gelände.

Um die Zeit bis zum sehnlichst erwarteten Abendessen zu überbrücken, spazierten wir noch kurz hinaus zum See. Direkt vor dem Ufer ragen zwei große Felsen aus dem Wasser, denen starke Kräfte nachgesagt werden und die für die Schamanen der Burjaten eine wichtige Rollen spielen. Deshalb finden sich auch hier wieder religiöse Stätten mit den schon beschriebenen Holzstelen.


Das reicht aber für eine erste Besichtigung, das Abendessen rief, das Einheitsmenü ist hier inklusive und fand zum Glück die Zustimmung unseres Sohnemanns, er wieder einmal die Hälfte meiner Suppe, meines Buchweizens, meines Salats und meines Nachtisches einverleibte und danach bestens gelaunt alle anderen Essenden bezirte. Ihm hat die lange Autofahrt wohl überhaupt nichts ausgemacht, wir dagegen sind ziemlich erledigt und sind froh, außer ein bisschen Seriengucken heute nichts mehr erledigen zu müssen...

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