22.8.12

Herdentrieb (18.08.2012)

Ab halb sechs beginnt das Lager zu erwachen. Die Traeger bekommen Fruehstueck und bereiten danach alles fuer die Touris vor. Wir bekommen wieder puenktlich um 7 Uhr einen Weckruf, gepaart mit der bereitgestellten Warmwasser-Schuessel, putzen die Zaehne mit eiskaltem Wasser draussen und packen unseren Packsack reisefertig. Das geht inzwischen alles ratzfatz.
Zum Fruehstueck werden wir bereits erwartet, es ist wieder erstaunlich, was die Jungs auf dem einen Gaskocher alles gezaubert haben: Porridge, Toast, Omeletts, gefuellte Pfannkuchen, natuerlich heisses Wasser fuer Kaffee und Tee, dazu Mango und Orangen. Ausserdem stehen unsere prallgefuellten Lunchboxen schon bereit, und wir werden mit Trinkwasser versorgt.
Die Sonne geht auf, und sofort wird es angenehm warm. Nachdem alles eingepackt und auf die Traeger verteilt ist, marschieren wir - und die anderen hunderte Wanderer mit ihrem jeweiligen Personal - los, es ist kurz vor 9 Uhr. Wie eine Karawane ziehen wir die folgenden 3 Stunden aufwaerts durch immer felsigeres Gelaende, der Wind blaest unaufhoerlich, so dass es trotz Sonnenschein stets zu kuehl zum lange Stehenbleiben ist.
Obwohl wir allesamt mehr oder minder im Gaensemarsch laufen, haben die Traeger grundsaetzlich Vorfahrt. Natuerlich trifft man bei denen immer wieder diesselben Typen. Da gibt es die verbissen laufenden, die, die jedes Mal froehlich "Jambo!" rufen, es gibt die "Disco-Crew", die ein lautstark dudelndes Radio dabeihaben... Ihnen allen ist gemein, dass sie in total abgerissenen Klamotten herumlaufen, z.T. drei Hosenschichten uebereinander, eine jede mit Loechern tragen, und katastrophales Schuhwerk anhaben (zerrissene Turnschuhe, Lederschuhe, die offensichtlich 5 Nummern zu gross sind, ein paar wenige tragen tatsaechlich Flip-Flops). Die Guides sehen deutlich besser aus, haben zumeist eine gute Ausruestung dabei. Diglan erzaehlt, dass die Lizenz zum Guide einer einmonatigen Ausbildung bedarf, die zudem sehr teuer ist. Ist man dann ein ausgebildeter Fuehrer, ist es kein Problem, einen Job zu finden, da die Regierung vorschreibt, dass pro 2 Bergsteigern immer 1 Guide dabei sein muss, und ist Nachfrage ist dementsprechend hoch.
Der Vormittag vergeht rasche, ein wenig nervt es mich zwar, dass man weder im eigenen Tempo gehen kann noch irgendwo mal alleine ist, doch der Kili praesentiert sich heute zur Entschaedigung von seiner besten Seite. Die Sicht ist klar, immer naeher kommen wir den schneebedeckten Haengen, und sooo weit ist's gar nicht mehr bis oben.
Bei einem Abzweig trennen sich die Traeger von den Bergsteigern und gehen direkt ins naechste Camp, waehrend wir allesamt zur Akklimatisierung zuu den sog. Lava Towers aufsteigen, einer Lavasteinformation auf 4.600 m. Hier waechst nicht mehr viel, vereinzelte Buesche fuehren ein einsames Dasein. Oben sieht man einen Teil des Gletschers.
Puenktlich zur Mittagszeit sind wir bei den Lava Towers und packen, in der Sonne sitzend, von Raben umflattert unser Lunchpaket aus. Ohne die ganzen Traeger ist die Wandererschar deutlich ueberschaubarer. Nach einem Paueschen gehts nun wieder 700 m durch Staub und Geroell abwaerts, nach und nach tauchen wieder seltsam aussehende Pflanzen auf, staubig ist es aber immer noch.
Die Sonne brennt vom Himmel, so langsam roeten sich unsere Gesichter trotz Sonnencreme. Gegen halb drei erreichen wir den Campingplatz Baranco auf 3.900 m, das Zelt steht parat, der Platz ist riesig und bereits uebersaet mit saemtlichen Schlaf-/Koch- und Klozelten, dazwischen zum Glueck mehr als genug und grade frisch geputzte Klohaeuschen, und ueber allem thront majestaetisch der Kibo-Gipfel.
Da wir in einem Tal sind, ist es wirklich angenehm warm, und wir koennen nach dem nachmittaeglichen "wash-wash" den Tee draussen trinken. Ich ueberlege, mir heute eine frische Trekkinghose anzuziehen, verwerfe den Gedanken aber wieder, als ich sehe, wie der Wind Staubschwaden durch die Luft blaest. Morgen vielleicht.
Den restlichen Nachmittag verbringen wir faul im Zelt mit Lesen, Herumliegen und abwechselnd aufs Klo rennen. Die 4 bis 5 Liter Wasser, die wir hier taeglich trinken, fordern ihren Tribut, das ist ganz schoen laestig. Als wir zum Abendessen gehen wollen, bescheint die Sonne grade noch den Kibo-Gipfel knapp 2.000 m ueber uns, wunderschoen sieht das aus, und ich moechte keinen Augenblick mit den Annehmlichkeiten des 5-Sterne-Hotels auf Mauritius tauschen. Naja, spaetestens, wenn ich heute mitten in der Nacht auf dem steinharten Boden liege und raus in die Kaelte aufs Klo muss, sehe ich das vielleicht wieder anders...
Zumindest das Abendessen kann mit dem Hotelbuffet fast mithalten, okay, ich habe natuerlich Hunger, aber die Suppe, die Pasta mit Gemuesesauce und die Mango hinterher sind wirklich sehr fein. Wir ratschen noch ein bisserl mit Diglan und verabschieden uns gegen halb acht, damit die Traeger selber auch in Ruhe Abendessen koennen.
Als wir aus dem Kochzelt kommen, sind wir baff: ein Sternenhimmel woelbt sich ueber uns, den man nur aus dem Planetarium kennt. Wir stehen staunend da, bis uns die Kaelte zur Eile antreibt, bibbernd putzen wir die Zaehne mit freier Sicht auf Milchstrasse, Stern des Suedens etc.

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