17.9.12

Bunga-bunga in Watamu (oder: Als ich einmal Sextouristin war) (15.09.2012)

Beitrag von Nitschi:
Ein Wunder: wir haben etwas geschlafen! Noch ein Wunder: wir haben überlebt! 10 Stunden mit waghalsigen Überholmanövern, Schlaglochpisten & Speedbumps... Wie ich schlafen konnte, ist mir nach wie vor ein Rätsel, aber nachdem ich mir eine Schlafbrille aus meinem Schal gebastelt habe, und damit den blendenden (lichthupenden) Gegenverkehr nicht mehr gesehen habe, scheint es doch noch etappenweise geklappt zu haben. Wir erhalten kurz vor der Ankunft noch von Titus eine SMS, in der er uns einen (neuen) Ausstiegsort mitteilt - gerade noch rechtzeitig... So sind wir um 5:40 Uhr in Gede und rufen den sagenumwobenen Mr. Banana an, einen der zahlreichen Freunde von Titus, dessen Name uns bislang in Verwirrung stuerzte, dem wir mangels Alternativen dennoch blind vertrauen. Um diese Uhrzeit wecken wir ihn zwar per Anruf definitiv, dennoch sammelt er uns zehn Minuten später ein und stellt sich uns doch tatsächlich als "Banana" vor - wir vermuteten bislang einen Witz unseres verkasperten Fahrers hinter der Namensgebung... Er fährt uns zu dem Haus, in dem wir die nächsten drei Tage lang schlafen werden, welches auf den ersten Blick einen traumhaft schönen, auf den zweiten einen etwas ungepflegten und abgerockten Eindruck macht - wie so oft in Afrika. Er führt uns in aller Herrgottsfrühe in der Stadt herum, die vollkommen in der Hand italienischer Touristen ist. Auch Mr. Banana spricht nur unzulänglich Englisch, dafür gut Italienisch... Wie gut, dass ich Nadine dabeihabe.
Er bringt uns zu einer original italienischen Caffee-Bar, samt dazu passender rassiger Italienerin hinter dem Tresen, und ich genieße den besten Cappuccino seit meiner Abreise. Mr. Banana macht uns noch etwas stutzig, da er uns einen höheren Übernachtungspreis nennt, wie vereinbart. Es folgt das Übliche: telefonische Preisverhandlung mit Titus. Er fehlt uns jetzt schon, und das Ganze nervt.
Vom Haus aus machen wir uns nach einer Dusche auf den Weg zur Post, zum Frühstücken und ins Webcafé. Nachdem wir unsere Supermarkt-Einkäufe getätigt haben, geht es an den Pool zum Relaxen. Dort nervt uns "Safari" (warum haben hier alle völlig Deppentouristen-taugliche Namen?), der offensichtlich honkige Poolboy mit seinem Insiderwissen, das er uns ungefragt offenbart: während sich deutsche Touristinnen gerne hinter einem Buch verstecken (denk mal bitte nach, warum??!!), sind die italienischen Touristinnen offenbar nur zu einem Zweck da: Bunga Bunga mit Einheimischen!
"Banana" hat uns morgens schon zu einer Geburtstagsparty eines Freundes eingeladen, und so faulenzen wir, wieder einmal begeistert von der afrikanischen Gastfreundschaft, bis nachmittags am Pool. Um 17h werden wir zu unserem Erstaunen nicht etwa von Mr. Banana, sondern von zwei strammen, schwarzen Burschen in viel zu engen T-Shirts samt TukTuk abgeholt.
Als wir in diesem sitzen, wird uns schlagartig klar, dass die Jungs (die betonen, Massai-Krieger zu sein...DANKE an dieser Stelle an Corinne Hoffmann) auf mehr aus sind, und wir für sie in die Kategorie "weibliche Sextouristinnen" fallen. Nadine wird blass, ausnahmsweise sprachlos, und mahnt mich, mir den Weg zu merken. Sie zieht sich panisch ihren T-Shirt-Ausschnitt unters Kinn, während ich wie ein Mantra wiederhole: "Wenn der mich anfasst, haue ich ihm eine auf die Zwölf!" Zum Glück fährt die Rikscha nur ein paar Meter, und zu unserer Erleichterung sind hinter dem schweren Eisentor auch Frauen und Kinder zu sehen, eine Art Pool-Grillparty ist im Gange.
Trotzdem ist unausgesprochen klar, dass die Jungs versuchen, uns abzuschleppen. Ich erfinde Mann und Kinder (zum Glück habe ich ein Foto von meiner Nichte auf dem IPhone), aber ich werde dadurch leider nicht uninteressanter. Als wir jedoch das halbe Lamm, das fröhlich zerteilt auf dem Holztisch neben uns liegt, verschmähen, schlägt uns Unverständnis entgegen. Wir einigen uns ohne Worte auf die Hindu-Nummer (Shiva wird böse, wenn wir Fleisch essen!), das wirkt ein wenig abtoernend, und so wird so Stirnrunzeln der vermeintlichen Casanovas endlich sichtbar größer. Zu unserem Leidwesen spricht einer der Anwesenden dank seines Onkels in Hannover Deutsch, so dass wir uns in breitestes, dahingenuscheltes Schwäbisch als "Geheimsprache" flüchten. Fremdsprachenkenntnisse muss man eben haben!
Diese Tatsache verleiht der ganzen Situation trotz ihrer unheilvollen Bedrohung etwas derart Groteskes, dass wir alle paar Minuten in hyäenenartiges Gelächter ausbrechen. Die Jungs denken, wir amüsieren uns prächtig, und zwinkern sich siegessicher zu.
Nachdem wir unser lauwarmes Bier in uns hineingeschüttet haben, enteilen wir ins nächste Restaurant zum Abendessen, wohl mit dem festen Versprechen, danach zur Party zurückkehren - selbstverständlich! ;)
Als wir auf dem Weg in die Stadt sind, und der erste Schreck vorüber ist, können wir vor lauter Lachen kaum noch geradeaus gehen. Da Watamu ein sehr großer Umschlagplatz der italienischen Touristinnen ist, werden wir auf dem Weg entlang der Hauptstraße gefühlte 100x von jungen, knackigen "Beachboys" angesprochen, die aber unsere offene Abneigung zu spüren bekommen. Wir flüchten uns in die echt italienische Pizzeria (was auch sonst) und genießen Stunden der Erholung. Wir treffen dort auch Jessica wieder, eine deutsche Travellerin, die wir bereits im Backpacker-Hostel in Nairobi kennen gelernt haben. Afrika ist klein...
Auf dem Heimweg verlaufen wir uns, denn Straßenbeleuchtung ist keine Erfindung, die in Afrika Früchte trägt, und man wird sofort bestraft, wenn man ohne Stirnlampe das Haus verlässt.
Auf unserer Dachterasse lassen wir zu saurem Rotwein in Plastikbechern den Tag Revue passieren, ignorieren geflissentlich den sich ungefragt dazusetzenden "Safari" und beschließen, dass Watamu ein Ort der Sünde ist
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